Corona I: Maskenbefreiungsattest ohne Untersuchung, oder: „Generelle Vorbehalte“ reichen nicht

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Und in die neue Woche geht es dann mit zwei Entscheidungen zu Corona. Es handelt sich um „Aufarbeitungsentscheidungen“. Beide stammen vom BayObLG.

Zunächst hier der BayObLG, Beschl. v. 05.06.2023 – 206 StRR 76/23. Auszugehen war im Wesentlichen von folgenden Feststellungen.

Der Angeklagte, selbständiger Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, der eine gynäkologische Praxis betriebt, steht den Infektionsschutzmaßnahmen, die sowohl von Seiten des Bundes als auch des Landes Bayern aufgrund der seit Anfang 2020 bestehenden Pandemie erlassen wurden, kritisch gegenüber. Ab Juni 2020 begann der Angeklagte, sogenannte Maskenbefreiungsatteste auszustellen. Ihm kam es bei der Ausstellung einer ärztlichen Bescheinigung nicht darauf an, dass der um ein Attest nachsuchende Patient unter aktuellen Beschwerden aufgrund des Tragens einer Infektionsschutz-Maske litt. Er vertrat die Ansicht, dass das Tragen einer Schutzmaske generell als gesundheitsgefährdend einzuschätzen sei. Auf einen persönlichen Kontakt mit den Antragstellern oder eine medizinische Untersuchung vor Ausstellung des Attestes kam es dem Angeklagten nicht an. Er erteilte sowohl Atteste nach einem persönlichen Gespräch als auch auf telefonische Anfrage und auf schriftliche Anfragen (einschließlich per E-Mail). Insgesamt stellte der Angeklagte (im Zeitraum von Juni 2020 bis 16.12.2020) 1096 Maskenbefreiungsatteste aus. Neben seinem Namen, seiner beruflichen Qualifikation sowie Name und Geburtsdatum des Patienten enthielten die Atteste den Text, dass die jeweilige Person „aus schwerwiegenden med. Gründen von der Gesichtsmaskenpflicht befreit“ sei, alternativ, dass es für den Patienten „aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich oder unzumutbar“ sei, eine Mund-Nasenbedeckung bzw. eine sog. Alltagsmaske oder ein Faceshield zu tragen. Teilweise enthielten die Atteste Diagnosen mit den üblichen medizinischen Kürzeln. Teilweise fanden sich noch Ausführungen über die Drittwirkung von Grundrechten, die die Patienten zur Teilnahme an gesellschaftlichem Leben berechtigen würden. Des Weiteren fanden sich Ausführungen zu Art. 3 des Grundgesetzes. Einen Hinweis darauf, dass das Attest ohne persönliche Untersuchung ausgestellt worden war, enthielt keines der Atteste.

Verurteilt worden ist der Angeklagte vom AG und dann auch vom LG wegen Ausstellens von unrichtigen Gesundheitszeugnissen (§ 278 StGB). Dagegen die Revision, die zum Teil Erfolg. Wegen der Einzelheiten verweise ich auf den velinkten Volltext. Hier sollen die Leitsätze reichen, und zwar:

    1. Ärztliche Atteste sind gem. § 278 StGB unrichtig, wenn sie ohne persönliche Untersuchung ausgestellt werden, obwohl keine besonderen Umstände vorliegen, die dies ausnahmsweise rechtfertigen könnten.
    2. Eine ärztliche Bescheinigung, die während der Covid 19-Pandemie zu dem Zweck der Glaubhaftmachung ausgestellt wurde, der betreffenden Person sei das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich oder nicht zumutbar, ist unrichtig, wenn sie sich nicht auf durch eine Untersuchung festgestellte individuelle gesundheitliche Besonderheiten, sondern lediglich auf generelle Vorbehalte gegen das Tragen von Gesichtsmasken stützte.
    3. Wird die Strafbarkeit wegen Ausstellens eines unrichtigen Maskenbefreiungsattestes zum Gebrauch bei einer Behörde nach § 278 StGB a.F. damit begründet, das Attest sei zur Vorlage bei einer Schulbehörde während der Covid-19 Pandemie gedacht gewesen, um von der in der Schule bestehenden Pflicht zum Tragen von Masken befreit zu werden, bedarf es der Feststellung, dass zum Zeitpunkt der Ausstellung des Attestes eine Maskenpflicht auf dem Schulgelände bestand oder mit der Anordnung einer solchen gerechnet wurde.

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