Übersendung eines Ausdrucks einer digitalen Akte, oder: Ist die Aktenversendungspauschale angefallen?

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Und als zweite Entscheidung stelle ich den AG Verden (Aller), Beschl. v. 05.07.2021 – 9b OWi 245 Js 25572/21 (290/21) – vor. Ergangen in einer Bußgeldsache, in der mal wieder um die Berechtigung einer von der Verwaltungsbehörde geltend gemachten Aktenversendungspauschale gestritten worden ist.

Der Kollege Wedepohl, der mir die Entscheidung geschickt hat, war Verteidiger der Betroffenen in einem Bußgeldverfahren. Er hatte Akteneinsicht „auf dem Wege des EGVP/beA bzw. über das Akteneinsichtsportal des Bundes und der Länder“ beantragt. Die Verwaltungsbehörde übersandte ihm einen Ausdruck der Akte und erhob hierfür gem. § 107 Abs. 5 Satz 1 OWiG eine Aktenversendungspauschale in Höhe von 12,00 EUR. Dagegen „verwahrte“ sich der Kollege und beantragte zugleich gerichtliche Entscheidung. Daraufhin übersandte die Verwaltungsbehörde ihm die „digital signierte Akte erneut zur Akteneinsicht“ (wiederum als Ausdruck) und hielt an der Geltendmachung der Aktenversendungspauschale fest.

Das AG hat die Geltendmachtung der AVP als nicht berechtigt angesehen:

„Auf den Antrag des Verteidigers ist festzustellen, dass die Aktenversendungspauschale für die erfolgte Akteneinsicht nicht anfällt und die Verwaltungsbehörde folglich nicht berechtigt ist, diese (in Höhe von 12,00 E) von dem Verteidiger zu erheben.

Gem. § 107 Abs. 5 Satz 2 OWiG gilt, dass eine Aktenversendungspauschale nicht erhoben wird, wenn die Akte elektronisch geführt wird (das ist hier bei der Verwaltungsbehörde der Fall) und ihre Übermittlung elektronisch erfolgt. Letzteres ist hier zwar nicht erfolgt, denn der Verwaltungsbehörde stehen offenbar (noch) nicht die technischen Mittel zur Verfügung, die Akte dem Verteidiger digital zur Einsicht zur Verfügung stellen zu können.

Die Vorschrift des § 107 Abs. 5 OWiG ist aber im Lichte der Änderung durch das Gesetz vom 05.07.2017 (BGBl. I S. 2208) und der dazu erfolgten Gesetzbegründung (BT-Drs. 18/9416) dahingehend auszulegen, dass die Aktenversendungspauschale für einen Ausdruck einer eigentlich digital geführten Akte nur dann anfällt, wenn der Antragsteller (d. h. der Verteidiger) dieses — nämlich den Ausdruck — besonders beantragt. Das hat der Verteidiger hier vorliegend aber nicht getan.

Diese Auslegung beruht auf folgenden Erwägungen: Durch das Gesetz vom 05.07.2017 sind in den Kostengesetzen für gerichtliche Verfahren (GKG, FamGKG, GNotKG, JVKostG) die Vorschriften für die Erhebung der Dokumentenpauschale jeweils geändert worden. Dort heißt es jeweils: „Bei der Gewährung der Einsicht in Akten wird eine Dokumentenpauschale nur erhoben, wenn auf besonderen Antrag ein Ausdruck einer elektronischen Akte oder ein Datenträger mit dem Inhalt einer elektronischen Akte übermittelt wird.“ (z. B. Nummer 9000 Abs. 4 KV GKG). Die Begründung zur der im selben Gesetz vorgenommenen Änderung des § 107 Abs. 5 Satz 2 OWiG (Änderung der Aktenversendungspauschale bei Einsicht in elektronische Akte von 5,00 € auf 0,00 €) nimmt dabei gerade auf die Begründung zu dieser vorgenommenen Änderung z. B. im GKG Bezug (BT-Drs. 18/9416, S. 24, 75). Der Gesetzgeber wollte den Anfall einer Aktenversendungspauschale durch die Verwaltungsbehörde im Bußgeldverfahren ersichtlich dem Anfall der Dokumentenpauschale bei einer Akteneinsicht in eine elektronisch geführte Akte gleichstellen.

Demnach kann die Vorschrift des § 107 Abs. 5 Satz 2 OWiG nach Auffassung des Gerichts nur so ausgelegt werden, dass die Aktenversendungspauschale nur anfällt, wenn der Verteidiger die Übermittlung eines Aktenausdrucks besonders beantragt hat. Das hat er hier aber nicht. Im Gegenteil hatte er sogar ausdrücklich um Übermittlung der Akte auf digitalem Wege gebeten. Wenn die Verwaltungsbehörde sich hierzu technisch nicht in der Lage sieht, kann sie hierfür keine Aktenversendungspauschale nach § 107 Abs. 5 Satz 1 OWiG geltend machen.“

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