StPO III: Aussetzung der Hauptverhandlung nach einem Ablehnungsantrag, oder: Beschwerde unzulässig

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Für die dritte und letzte Entscheidung des Tages geht es dann quer durch die Republik, und zwar zum LG Schwerin. Das hat im LG Schwerin, Beschl. v. 12.03.2021 – 33 Qs 18/21 – über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen einen Beschluss, mit dem die Hauptverhandlung ausgesetzt worden ist, entschieden.

Ergangen ist der Beschluss in einem Verfahrenwegen des Verdachtes der Zwangsprostitution. Das AG hatte die Hauptverhandlung auf den 02.03.2021 und den 16.03.2021 anberaumt. Zu dem Hauptverhandlungstermin am 02.03.2021 waren insgesamt sieben Zeugen geladen.

Zu Beginn der Hauptverhandlung stellten die Verteidiger des Angeklagten zwei Befangenheitsanträge, woraufhin das Gericht das Verfahren aussetzte. Dagegen dann die Beschwerde der Staatsanwaltschaft. Das LG sagt: Unzulässig:

§ 305 Satz 1 StPO bestimmt, dass Entscheidungen des erkennenden Gerichts, die der Urteilsfällung vorausgehen, nicht der Beschwerde unterliegen. Davon sind gemäß § 305 Satz 2 StPO bestimmte Entscheidungen ausgenommen, um die es hier jedoch ersichtlich nicht geht.

Ob es sich bei der Aussetzung der Hauptverhandlung um eine der Urteilsfällung vorausgehende Entscheidung handelt, hängt vom Einzelfall ab, nämlich davon, aus welchen Gründen und zu welchem Zweck sie beschlossen wird (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 02. Mai 2013 — 2 Ws 76/13 —, juris; OLG Braunschweig NJW 1955, 565; KG JR 1959, 350). Wird die Aussetzung aus Gründen beschlossen, die in innerem Zusammenhang mit der Urteilsfällung stehen und soll durch diese das Urteil unmittelbar vorbereitet werden, ist die Beschwerde unzulässig.

So liegt der Fall hier:

Die Aussetzung des Verfahrens erfolgte im inneren Zusammenhang mit der Urteilsfällung:

Vor einer Urteilsfällung steht die ordnungsgemäße Durchführung der Hauptverhandlung, anders ausgedrückt, jede notwendig durchzuführende Verfahrenshandlung in der Hauptverhandlung steht in einem inneren Zusammenhang mit der späteren Urteilsfällung.

Die Staatsanwaltschaft Schwerin führte in ihrer Beschwerdebegründung selbst aus, der Vorsitzende habe die Aussetzung mündlich sinngemäß damit begründet, dass eine etwaige doppelte Zeugenvernehmung verhindert werden solle. Diese Begründung stellt einen ausreichenden inneren Zusammenhang mit der späteren Urteilsfällung her:

Nachdem die Befangenheitsanträge in der laufenden Verhandlung angebracht worden sind, durfte der abgelehnte Richter die Hauptverhandlung nach § 29 StPO bis zu einer Entscheidung über diese Anträge nur noch in beschränktem Umfang leiten. Nach § 29 Abs. 2 StPO wäre es ihm allerdings nicht verwehrt gewesen, die für diesen Sitzungstag vorgesehene Verhandlung hin bis zu einer Vernehmung der geladenen und anwesenden Zeugen durchzuführen, ohne zuvor auf eine Entscheidung über die Befangenheitsgesuche zu warten.

Allerdings stand die Entscheidung, ob zuerst der Verhandlungstag wie ursprünglich geplant durchgeführt wird oder ob ausgesetzt wird, im Ermessen des Gerichts, von dem es auch nach Auffassung der Kammer in nicht angreifbarer Weise Gebrauch gemacht hat. Es besteht nämlich keine Pflicht, von der Möglichkeit der Fortsetzung der Hauptverhandlung Gebrauch zu machen, sie stellt allenfalls eine Möglichkeit dar, Verfahrensverzögerungen durch (missbräuchliche) Befangenheitsgesuche entgegenzuwirken. Erkennbar hat das Gericht die Voraussetzungen, unter denen die Hauptverhandlung fortgesetzt werden kann, gesehen und abgewogen, indem es ausgeführt hat, die etwaige doppelte Vernehmung der Zeugen nach § 29 Abs. 4 StPO solle vermieden werden.

In dem vorliegenden Fall sprechen folgende Umstände für die Sichtweise des Amtsgerichts: Die angebrachten Befangenheitsgesuche dienten nicht offensichtlich einer Störung oder Verzögerung des Verhandlungsablaufes, ohne dass die Kammer sich eine Beurteilung der Begründetheit der Anträge anmaßt. So entwickelte sich der zweite Antrag aus dem Gang der Hauptverhandlung heraus und nachdem die Verteidigung Umstände zur zuvor erfolgten Akteneinsicht des Nebenklägerbeistandes erfahren hatte.

Es gibt gute Gründe, eine Zeugenvernehmung zu verhindern, die möglicherweise nach § 29 Abs. 4 StPO zu wiederholen wäre:

Jeder Zeugenvernehmung wohnt die Gefahr einer suggestiven Beeinflussung von Zeugen inne, was es aus aussagepsychologischen Gründen bereits zu vermeiden gilt. Insbesondere in Jugendschutzsachen, aber auch in anderen Verfahren, in denen es um angebliche sexuelle Übergriffe geht, ist darüber hinaus eine besondere emotionale Belastung von Verfahrensbeteiligten, auch des Angeklagten, denkbar.

Etwas Anderes würde möglicherweise gelten, wenn vor der Aussetzungsentscheidung bereits wesentliche Teile der Hauptverhandlung stattgefunden hätten. Hier aber hatte die Hauptverhandlung erst begonnen, die Anklageschrift war noch nicht einmal verlesen.

Demgegenüber steht allenfalls der Ablauf der Frist des § 121 Abs. 1 StPO. Hierauf hat das Gericht jedoch mit seiner Vorlageverfügung vom 08.03.21 (BI. 103 RS) an das Oberlandesgericht den gesetzlichen Regelungen entsprechend reagiert.“

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