StPO III: Wenn Staatsanwalt und Richterin miteinander verheiratet sind, oder: Besorgnis der Befangenheit?

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Und als dritte Entscheidung dann ein AG-Beschluss. Das AG Kehl hat im AG Kehl, Beschl. v. 16.12.2020 – 5 OWi 505 Js 15819/20 über die – Frage der Befangenheit entschieden, wenn Richterin und Staatsanwalt verheiratet sind.

Folgender Sachverhalt: Dem Betroffenen wird im Bußgeldverfahren vorgeworfen, als Verlader oder Verantwortlicher des Verladers Gefahrgut entgegen den dafür geltenden Bestimmungen verladen zu haben. Dem Bußgeldverfahren vorausgegangen waren von Erster Staatsanwalt Z geführte strafrechtliche Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Offenburg wegen fahrlässiger Körperverletzung, da beim Entladen ein Behälter mit Gefahrgut aufgrund unsachgemäßer Stapelung geborsten sei; mangels Verletzungen der bei der Entladung zugegen gewesenen Personen hat Erster Staatsanwalt Z von der Erhebung der öffentlichen Klage abgesehen und das Verfahren zur Verfolgung der Ordnungswidrigkeit an das Landratsamt abgegeben. Nachdem der Betroffene gegen den Bußgeldbescheid Einspruch eingelegt hatte, leitete die Staatsanwaltschaft Offenburg das Verfahren zur Entscheidung über den Einspruch an das AG Kehl weiter, wo die nach dem Geschäftsverteilungsplan zuständige Richterin gemäß § 30 StPO anzeigte, dass sie mit Erster Staatsanwalt Z verheiratet sei.

Das AG hat die Selbstanzeige für unbegründet gehalten:.

„Es besteht keine Besorgnis der Befangenheit der Richterin am Amtsgericht Y.

Zwar rechtfertigt nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Richters die Ehe zwischen dem zuständigen Dezernent der Staatsanwaltschaft im Bußgeldverfahren und dem zur Entscheidung in der Sache berufenen Richter regelmäßig gemäß § 24 Abs. 2 StPO das Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters (AG Kehl, Beschluss vom 15. April 2014 – 5 OWi 304 Js 2546/14 –, NStZ-RR 2014, 224, zuletzt nicht veröffentlichte Beschlüsse vom 18. August 2020 – 5 OWi 304 Js 8923/20 – und 3. Juni 2020 – 5 OWi 304 Js 6758/20 –; zustimmend Artkämper, Die „gestörte“ Hauptverhandlung, 5. Aufl. 2017, Praktische Fälle verdeckter Störungen in der Hauptverhandlung, Rn. 733). Hier liegt der Fall jedoch anders. Erster Staatsanwalt Z hatte lediglich das mit einer Einstellung mangels hinreichenden Tatverdachts (§ 170 Abs. 2 StPO) abgeschlossene strafrechtliche Ermittlungsverfahren geführt. Für das nunmehr anhängige Bußgeldverfahren ist ein anderer Dezernent der Staatsanwaltschaft zuständig. Im Bußgeldverfahren ist Erster Staatsanwalt Z – bislang – nicht tätig geworden; als – unmittelbarer – Vertreter des Dezernatsinhabers ist er nach dem Geschäftsverteilungsplan der Staatsanwaltschaft nicht vorgesehen. Unter diesen Umständen ist im vorliegenden Verfahren keine, die Besorgnis der Befangenheit begründende „Nähe“ zwischen Richterin und Staatsanwalt (mehr) gegeben (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 21. Juni 2016 – 2 Ws 156/16 –, juris), zumal sich – wie die Staatsanwalt zutreffend bemerkt – die sachliche Prüfung von Erster Staatsanwalt Z hinsichtlich der dem Betroffenen vorgeworfenen Ordnungswidrigkeit lediglich darauf beschränkt hatte, ob Anhaltpunkte dafür vorhanden waren, dass die Tat als Ordnungswidrigkeit verfolgt werden kann (§ 43 Abs. 1 OWiG); eine eigene, umfassende Bewertung der Sach- und Rechtslage ist – anders als bei der Entschließung nach § 69 Abs. 4 Satz 2 OWiG (KK-OWiG/Ellbogen, 5. Aufl. 2018, OWiG § 69 Rn. 86-87) – ist damit gerade nicht verbunden (KK-OWiG/Lampe, 5. Aufl. 2018, OWiG § 43 Rn. 4-5 und 11-12).“

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