StPO II: Entfernung des Angeklagten aus der HV, oder: Wann muss der Angeklagte wie unterrichtet werden?

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In der zweiten Entscheidung, dem BGH, Beschl. v. 26.08.2020 – 4 StR 132/20 – geht es um das Verfahren in Zusammenhang mit der Entfernung des Angeklagten aus der Hauptverhandlung (§ 247 StPO).

Der Angeklagte hatte gegen seine Verurteilung in einem Verfahren wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern eine Verletzung des § 247 Satz 4 StPO geltend gemacht. Sie lag nach Auffassung des Angeklagten darain, „dass der gemäß § 247 Satz 1 StPO für die Dauer der Vernehmung beider Nebenklägerinnen aus dem Sitzungszimmer entfernte Angeklagte zwar nach seinem Wiedereintritt in die Hauptverhandlung unmittelbar über den Inhalt beider Aussagen unterrichtet wurde (zum Zeitpunkt der Unterrichtungspflicht vgl. BGH, Beschluss vom 25. Januar 2018 – 5 StR 543/17, NStZ-RR 2018, 117; LR StPO/Becker, 27. Aufl., § 247 Rn. 45), er jedoch nicht bereits nach der ersten Zeugenvernehmung wieder zur Hauptverhandlung zugelassen und unverzüglich über den Inhalt der Zeugenvernehmung unterrichtet wurde, bevor die zweite Zeugin in seiner erneuten Abwesenheit vernommen worden ist.“

Der BGH lässt die Frage offen – er verneint das Beruhen (§§ 336 StPO). Er macht aber einen „Neigungsbeschluss“:

„Der Senat neigt der Auffassung zu, dass die vom Landgericht gewählte Verfahrensweise, den Angeklagten erst nach Abschluss beider Vernehmungen zu unterrichten, nicht gegen § 247 Satz 4 StPO verstößt (offen gelassen von BGH, Beschluss vom 5. November 1996 – 4 StR 490/96, insoweit in NStZ 1997, 123 nicht abgedruckt; Beschluss vom 20. Februar 2002 – 3 StR 345/01, BeckRS 2002, 02448; in diesem Sinne Becker, aaO, Rn. 46; aA KMR/Hiebl, 88. EL Stand November 2018, § 247 Rn. 144; SK StPO/Frister, 5. Aufl., § 247 Rn. 70; Metz, NStZ 2017, 446, 449). Einer Entscheidung der Rechtsfrage bedarf es nicht, da der Senat unter den gegebenen Umständen jedenfalls ein Beruhen des Urteils auf einem möglichen Verstoß gegen § 247 Satz 4 StPO oder den Grundsatz des fairen Verfahrens ausschließen kann. Es ist nicht ersichtlich, dass der Angeklagte durch die gewählte Verfahrensweise in seinen Verteidigungsrechten beeinträchtigt wurde, zumal er im Anschluss an seine Wiederzulassung und seine Unterrichtung über den Inhalt der Zeugenvernehmungen von seinem Fragerecht keinen Gebrauch gemacht hat.“

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