TOA I: Adäquater Schadensausgleich, oder: Als „friedensstiftend“ anerkannt?

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In die 35. KW., starte ich dann mti zwei BGH-Entscheidungen zum Täter-Opfer-Ausgleich.

Die erste, das BGH, Urt. v. 15.01.2020 – 2 StR 412/19 – ist schon etwas älter. Sie ist mir für die Berichterstattung immer wieder „durchgerutscht“. Heute klappt es aber dann.

In der Entscheidung nimmt der BGH noch einmal zu den Voraussetzungen für einen Täter-Opfe-Ausgleich nach § 46a Nr. 1 StGB und die sich daran anknüpfende Strafmilderung Stellung. Es geht um den „adäquaten Schadensausgleich“:

„Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft ist, wie dessen Auslegung ergibt, auf den Strafausspruch beschränkt (vgl. Senat, Urteil vom 11. Juni 2014 – 2 StR 90/14, NStZ-RR 2014, 285). Es hat in diesem Umfang Erfolg. Die von der Revision mit der Sachrüge beanstandete Annahme eines Täter-Opfer-Ausgleichs und die deshalb erfolgte Strafrahmenverschiebung gemäß § 46a Nr. 1, § 49 Abs. 1 StGB halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Der Rechtsfolgenausspruch bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung.

1. § 46a Nr. 1 StGB, der sich vor allem auf den Ausgleich der immateriellen Folgen der Tat bezieht, setzt voraus, dass der Täter in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Opfer zu erreichen, die Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutmacht oder dieses Ziel jedenfalls ernsthaft erstrebt hat. Dies erfordert grundsätzlich einen kommunikativen Prozess zwischen Täter und Opfer, bei dem das Bemühen des Täters Ausdruck der Übernahme von Verantwortung ist und das Opfer die Leistung des Täters als friedensstiftenden Ausgleich akzeptieren muss. Die Wiedergutmachung muss auf einen umfassenden Ausgleich der durch die Straftat verursachten Folgen gerichtet sein (st. Rspr.; vgl. Senat, Urteile vom 22. Mai 2019 – 2 StR 203/18, NStZ-RR 2019, 369; vom 9. Oktober 2019 ? 2 StR 468/18, NJW 2020, 486; vom 8. August 2012 ? 2 StR 526/11, NStZ 2013, 33; vom 31. Mai 2002 ? 2 StR 73/02, NJW 2002, 3264; BGH, Beschluss vom 24. Januar 2019 – 1 StR 591/18, NStZ-RR 2019, 206, 207; BT-Drs. 12/6853, S. 21). Ein „Wiedergutmachungserfolg“ wird nicht verlangt. Erforderlich ist, dass der Täter im Bemühen, einen Ausgleich mit dem Opfer zu erreichen, die Tat „ganz oder zum überwiegenden Teil“ wiedergutgemacht hat, ausreichend ist aber auch, dass der Täter dieses Ziel ernsthaft erstrebt (st. Rspr.; Senat, Urteil vom 25. Mai 2001 ? 2 StR 78/01, NJW 2001, 2557 mwN). Für die Annahme des von § 46a Nr. 1 StGB vorausgesetzten kommunikativen Prozesses zwischen Opfer und Täter ist weder zwingend die Vermittlung durch einen neutralen Dritten erforderlich, noch ein persönlicher Kontakt zwischen Täter und Opfer. Unverzichtbar ist jedoch nach dem Grundgedanken des Täter-Opfer-Ausgleichs eine von beiden Seiten akzeptierte, ernsthaft mitgetragene Regelung, was grundsätzlich voraussetzt, dass das Opfer die Leistungen des Täters als friedensstiftenden Ausgleich akzeptiert (Senat, Urteil vom 31. Mai 2002 ? 2 StR 73/02, NJW 2002, 3264, 3265 mwN).

2. Hiervon ausgehend erweist sich die zu Gunsten des Angeklagten vorgenommene Strafrahmenverschiebung nach § 46a Nr. 1, § 49 Abs. 1 StGB als durchgreifend rechtsfehlerhaft.

a) Allerdings scheidet die Annahme eines Täter-Opfer-Ausgleichs nach § 46a Nr. 1 StGB nicht schon wegen der Schwere des hier begangenen Delikts aus, das mit einem Eindringen in den Wohnbereich und einem Messerangriff auf die Geschädigte verbunden war. Selbst bei einem schwerwiegenden Sexualdelikt ist ein Täter-Opfer-Ausgleich möglich, mag auch eine entsprechende, zumindest annähernd gelungene Konfliktlösung aus tatsächlichen Gründen schwerer erreichbar sein (vgl. Senat, Urteil vom 31. Mai 2002, aaO) und es regelmäßig nicht genügen, dass der Täter sich lediglich zu entschuldigen versucht und, wenn auch unter Aufnahme eines Kredits, Schmerzensgeldzahlungen leistet (BGH, Beschluss vom 2. Mai 1995 ? 5 StR 156/95, NStZ 1995, 492; zu den Voraussetzungen eines Täter-Opfer-Ausgleichs vgl. BGH, Urteil vom 19. Dezember 2002 ? 1 StR 405/02, BGHSt 48, 134, 141; vgl. auch Senat, Urteil vom 6. Februar 2008 ? 2 StR 561/07, NStZ 2008, 452; BGH, Urteil vom 19. Dezember 2002 ? 1 StR 405/02, NStZ 2003, 365; Senatsbeschlüsse vom 20. September 2002 ? 2 StR 336/02, NStZ 2003, 199, 200 und vom 25. Juni 2008 ? 2 StR 217/08, NStZ-RR 2008, 304; BGH, Beschluss vom 24. Oktober 2018 ? 1 StR 422/18 Rn. 33).

b) Die Annahme des Landgerichts, die Voraussetzungen des § 46a Nr. 1 StGB lägen vor, kann aber deswegen keinen Bestand haben, weil es das Landgericht unterlassen hat, hinreichende Feststellungen zum Umfang der der Geschädigten tatsächlich durch die Tat entstandenen materiellen und immateriellen Schäden zu treffen. Dies wäre jedoch erforderlich gewesen, um zu überprüfen, ob der Angeklagte einen Ausgleich des von ihm verursachten Schadens „ganz oder zum überwiegenden Teil“ erstrebte.

Zwar bezieht sich § 46a Nr. 1 StGB vor allem auf den Ausgleich immaterieller Schäden; hierauf hat der Angeklagte seine Zahlungsbemühungen ausdrücklich beschränkt. Für die Annahme eines friedensstiftenden Ausgleichs im Sinne von § 46a Nr. 1 StGB ist aber auch ein adäquater Ausgleich für die dem Tatopfer entstandenen materiellen Schäden vorzunehmen (vgl. Senat, Urteil vom 22. Mai 2019 ? 2 StR 203/18, NStZ-RR 2019, 369). Dabei kann nicht ausschließlich auf die subjektive Bewertung von Tatopfer oder Täter abgestellt werden. Erforderlich ist vielmehr vorrangig die Prüfung, ob die konkret erfolgten oder ernsthaft angebotenen Leistungen des Täters nach einem objektivierenden Maßstab als so erheblich anzusehen sind, dass damit das Unrecht der Tat oder deren materielle und immaterielle Folgen als „ausgeglichen“ erachtet werden können; dies folgt schon daraus, dass überhaupt nur angemessene und nachhaltige Leistungen die erlittenen Schädigungen ausgleichen und zu einer Genugtuung für das Opfer führen können (vgl. Senat, Urteile vom 22. Mai 2019, aaO, und vom 9. Oktober 2019 ? 2 StR 468/18, aaO mwN). Dies macht konkrete Feststellungen zum durch die Tat entstandenen materiellen und immateriellen Schaden erforderlich. Nur auf deren Grundlage kann geprüft werden, ob der vom Angeklagten tatsächlich geleistete Betrag von 25.000 € nach einem objektivierenden Maßstab geeignet ist, die materiellen und immateriellen Beeinträchtigungen der Nebenklägerin in einem friedensstiftenden Sinn auszugleichen.

c) Ohne Feststellungen zur tatsächlichen Schadenshöhe lässt sich auch nicht beurteilen, ob ein Fall vorliegt, in dem die fehlende Einwilligung des Opfers, die geleistete Zahlung als Ausgleich im Rahmen des § 46a Nr. 1 StGB zu akzeptieren, ausnahmsweise unbeachtlich ist.

Ein erfolgreicher Täter-Opfer-Ausgleich im Sinne des § 46a Nr. 1 StGB setzt grundsätzlich voraus, dass das Opfer die Leistungen des Täters als friedensstiftenden Ausgleich akzeptiert. Hat der Täter in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen, die Wiedergutmachung der Tat ernsthaft erstrebt, kann allerdings die fehlende Einwilligung des Opfers ausnahmsweise unerheblich sein, wenn etwa die Weigerung des Tatopfers insgesamt nicht mehr nachvollziehbar erscheint. Die Anwendbarkeit des Strafmilderungsgrundes soll nicht ausschließlich vom Willen des Opfers abhängen. Als einschränkendes Kriterium fordert die Vorschrift das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen; das Bemühen des Täters muss gerade darauf gerichtet sein, das Opfer „zufrieden zu stellen“ (vgl. Senat, Urteil vom 31. Mai 2002 ? 2 StR 73/02 aaO). Dies ist anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu prüfen und kann regelmäßig ? so auch hier ? nur in Kenntnis der Höhe des tatsächlich entstandenen materiellen und immateriellen Schadens beurteilt werden…..“

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