Beweiswürdigung I: Belastung durch den Haupttäter, oder: erhöhte Anforderungen an die Gesamtwürdigung

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Thema der heute vorgestellten Entscheidungen sind Beweiswürdigungsfragen. Und ich starte den Reigen mit dem BGH, Beschl. v. 09.01.2020 – 2 StR 355/19. Das LG hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln verurteilt. Gestützt hat es die Verurteilung auf die den Angeklagten belastenden Aussagen der beiden Haupttäter. Gegen die Verurteilung die Revision des Angeklagten, die Erfolg hatte:

Die Verurteilung des die Tatvorwürfe bestreitenden Angeklagten hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Beweiswürdigung ist rechtsfehlerhaft.

1. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters, dem es obliegt, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Die revisionsgerichtliche Überprüfung ist darauf beschränkt, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist etwa der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. Senat, Beschluss vom 4. Dezember 2019 – 2 StR 208/19).

2. So liegt es hier; die Beweiswürdigung ist lückenhaft.

a) Das Landgericht stützt seine Überzeugungsbildung von der Beteiligung des Angeklagten auf belastende Angaben der beiden Haupttäter M.

und Ma. in der gegen diese geführten Hauptverhandlung. Während M. und Ma. auf der Grundlage einer Verständigung gemäß § 257c StPO verurteilt wurden, war das Verfahren gegen den Angeklagten, der jegliche Tatbeteiligung bestritten hatte, abgetrennt worden. Weil die beiden Haupttäter ebenso wie weitere Zeugen, deren Bekundungen ebenfalls nicht wiedergegeben werden, in der Hauptverhandlung gegen den Angeklagten nunmehr von ihren früheren, diesen belastende Angaben abgerückt sind, hat die Strafkammer den Berichterstatter des vorangegangenen Strafverfahrens als Zeugen vernommen.

Hängt – wie hier – die Überzeugung von der Täterschaft eines bestreitenden Angeklagten entscheidend von der Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Angaben eines Mittäters ab, muss der Tatrichter die für die Richtigkeit der Angaben der Belastungszeugen sprechenden Gesichtspunkte umfassend prüfen, würdigen und diese im Urteil deutlich machen. Dabei sind erhöhte Anforderungen an die Sorgfältigkeit und Vollständigkeit der vorzunehmenden Gesamtwürdigung zu stellen, wenn die belastenden Angaben – wie hier – nur mittelbar über eine Vernehmungsperson in die Hauptverhandlung eingeführt werden (vgl. Senat, Beschlüsse vom 22. September 2011 – 2 StR 263/11, NStZ-RR 2012, 52, 53; vom 11. November 1987 – 2 StR 575/87, BGHR StPO § 261 Zeuge 2).

Diesen Anforderungen genügen die knappen Ausführungen des Landgerichts nicht. Es fehlt bereits an einer ausreichenden Darstellung der durch die Vernehmung des Berichterstatters in die Hauptverhandlung eingeführten Aussagen der bereits Verurteilten M. und Ma. . Hier wäre es aber – insbesondere vor dem Hintergrund des § 31 BtMG und einer in der früheren Hauptverhandlung gemäß § 257c StPO getroffenen Verständigung – erforderlich gewesen, den näheren Inhalt der den Angeklagten belastenden Aussagen und die Umstände ihrer Entstehung darzustellen (vgl. BGH, Beschluss vom 17. September 2009 – 4 StR 174/09, NStZ 2010, 228).“

Und ein paar andere „Macken“ hatte die Beweiswürdigung des LG auch noch. Darauf weist der BGH dann – quasi als „Zubrot“ hin…..

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