Archiv für den Monat: August 2019

TOA II: Vollständige Schadenswiedergutmachung, oder: Wenn 488.000 € gezahlt worden sind…

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Bei der zweiten Entscheidung, die ich vorstelle, handelt es ich um den BGH, Beschl. v. 05.06.2019 – 3 StR 184/19. Das LG hat die Angeklagte wegen Betrugs in Tateinheit mit Urkundenfälschung in 112 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Ferner hat es die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 903.558,30 € angeordnet. Dagegen die Revision der Angeklagten, die hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruch Erfolg hattte:

„Hingegen haben der Strafausspruch und die Einziehungsentscheidung keinen Bestand, weil die Strafkammer es versäumt hat, eine Strafmilderung nach § 46a Nr. 2 StGB zu prüfen, und die durch die Angeklagte bereits geleistete Schadenswiedergutmachung bei der Bestimmung der Höhe des einzuziehenden Wertes von Taterträgen nicht in Abzug gebracht hat. Der Generalbundesanwalt hat hierzu in seiner Antragsschrift Folgendes ausgeführt:
„Das Landgericht hat [es] unterlassen, eine Strafmilderung nach § 46a Nr. 2 StGB zu prüfen. Ausweislich der Urteilsgründe hat die voll geständige Angeklagte den Erlös aus dem Verkauf ihres Hauses in Höhe von 488.000 € vollständig für die Schadenswiedergutmachung verwendet (UA S. 3) und [hat] sich bereits im Ermittlungsverfahren mit der Verwertung sämtlicher sichergestellten Gegenstände einverstanden erklärt, so dass der Schaden in Höhe von nahezu 700.000 € wiedergutgemacht werden konnte (UA S. 4). Aufgrund der nach § 46a StGB möglichen Strafrahmenverschiebung ist nicht auszuschließen, dass das Urteil auf dem Rechtsfehler beruht, obwohl bei der Strafzumessung im engeren Sinne die Schadenswiedergutmachung zugunsten der Angeklagten berücksichtigt wurde. Einer Aufhebung der Feststellungen zum Strafausspruch als solchen bedarf es nicht, weil insoweit nur ein Rechtsfehler vorliegt. Dem steht auch nicht entgegen, dass nach den Urteilsgründen die in Rede stehenden Medikamente jeweils einmal pro eingereichtem Beleg tatsächlich ärztlich verordnet worden waren (UA S. 5, 41). Dies lässt jedoch den Schadensumfang unberührt. Nach § 47 Abs. 1 Satz 2 der Niedersächsischen Beihilfeverordnung müssen Belege vorgelegt werden. Aus § 47 Abs. 2 Satz 3 der Niedersächsischen Beihilfeverordnung ergibt sich zudem, dass Beihilfe nicht gewährt wird und damit ein Beihilfeanspruch insgesamt nicht besteht, wenn der Beleg, wie vorliegend, gefälscht ist. Hätte die Beihilfefestsetzungsstelle diese Fälschung erkannt, wäre eine Beihilfezahlung insoweit vollständig verweigert worden….“

TOA I: Adhäsionsvergleich, oder: Erörterung, wenn sich die Geschädigte widersprüchlich verhält.

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Zum Start in die 35. KW. bringe ich heute – vor der Auflösung des Rätsels – zwei BGH-Entscheidungen, die sich mit dem Täter-Opfer-Ausgleich (TOA) befassen.

Ich starte mit dem BGH, Beschl. v. 21.05.2019 – 1 StR 178/19, ergangen in einem Verfahren
u.a. mit dem Vorwurf u.a. der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung und mit Hausfriedensbruch. In der Hauptverhandlung vor dem LG hatte der Angeklagte mit der Nebenklägerin einen „Adhäsionsvergleich“, mit welchem er sich zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 5.000 € nebst Zinsen verpflichtete geschlossen; damit sollten alle Ansprüche der Nebenklägerin aus der Tat vom 12.02.2018 abgegolten sein. Zudem waren sich nach Ziffer 4 des Vergleichs der Angeklagte und die Nebenklägerin „einig, dass der Abschluss dieses Vergleichs als bereits vollzogener Täter-Opfer-Ausgleich gewertet werden soll“. Gleichwohl lehnte die Nebenklägerin die Aufnahme eines weiteren Zusatzes in den Vergleich, wonach durch ihn „eine Befriedung zwischen den Parteien eingetreten“ sei, ab.

Das LG hat das Vorliegen eines minder schweren Falles der gefährlichen Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Halbsatz 2 StGB mit einem Strafrahmen von drei Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe) verneint und dabei die Voraussetzungen des vertypten Strafmilderungsgrundes nach § 46a Nr. 1 StGB als nicht gegeben angesehen: Da die Nebenklägerin den Vergleich nicht als „wirklich“ friedensstiftend akzeptiert habe, fehle es an einem kommunikativen Prozess.

Das gefällt dem BGH nicht:

„b) Zwar muss ein Vergleichsabschluss nicht bedeuten, dass das Opfer mit seiner Zustimmung diesen als friedensstiftenden Ausgleich ansieht (BGH, Urteil vom 13. September 2018 – 5 StR 107/18 Rn. 11; vgl. auch BGH, Urteile vom 19. Dezember 2002 – 1 StR 405/02, BGHSt 48, 134, 143 f., 147 und vom 6. Februar 2008 – 2 StR 561/07, BGHR StGB § 46a Voraussetzungen 1). Hier wurde indes in Ziffer 4 des im Adhäsionsverfahren geschlossenen Vergleichs die gesetzliche Bezeichnung des vertypten Milderungsgrundes aus § 46a Nr. 1 StGB im Wortlaut wiedergegeben („Täter-Opfer-Ausgleich“); zudem wurde ausdrücklich aufgenommen, dass sich der Angeklagte und die Nebenklägerin einig sind, dass der Abschluss des Vergleichs als bereits vollzogener Täter-Opfer-Ausgleich gelten soll. Den sich daraus zum Verhalten der Nebenklägerin ergebenden Widerspruch hat das Landgericht nicht erörtert. Die Wiedergabe der gesetzlichen Bezeichnung des § 46a Nr. 1 StGB dokumentiert bereits eine „Befriedung“ zwischen dem Angeklagten und der Nebenklägerin, steht also im Widerspruch zu der von der Nebenklägerin erklärten Weigerung, einen Zusatz über die eingetretene Befriedung in den Vergleich aufzunehmen. Insoweit erweist sich die Vorgehensweise des Landgerichts, zur Bewertung des Vergleichsabschlusses allein auf die Nichtaufnahme eines entbehrlichen Zusatzes abzustellen, ohne sich mit dem gegenteiligen Inhalt des Adhäsionsvergleichs auseinanderzusetzen, als lückenhaft (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Oktober 2018 – 1 StR 422/18 Rn. 29, 31).“

Sonntagswitz, aus gegebenem Anlass Geburtstagswitze

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Heute dann aus gegebenem Anlass 🙂 Geburtstagswitze und Witze mit und zum Geburtstag. Passt so schön 🙂 :

Der Sohn hat Geburtstag und der Vater gratuliert ihm:

„Alles Liebe zum Geburtstag und heute darfst du dir etwas wünschen!“

„Ich wünsch mir einen großen Bernhardinerhund.“

„Wünsch dir etwas anderes.“

„Okay, ich wünsche mir, das wir einen Tag lang die Rollen tauschen.“

„Geht in Ordnung.“

„Gut, dann komm jetzt, wir gehen in die Stadt und kaufen für den Sohn einen Bernhardiner.“


Schimpft die Mutter mit ihrer Tochter:

„Sitten sind das heute, mit 16 schon einen festen Freund, aber den 30. Geburtstag der Mutter vergessen!“


Ein Mann kommt ziemlich spät von der Arbeit nach Hause, als ihm plötzlich einfällt, dass seine Tochter Geburtstag hat.

Also stürmt er schnell noch in ein Spielzeuggeschäft, schaut sich kurz um und sagt zur Verkäuferin: „Ich hätte gerne eine Barbie-Puppe.“

Die Verkäuferin fragt, welche es denn sein soll: „Wir haben:
1) „Barbie geht einkaufen“‚ für 19,95 €,
2) „Barbie geht an den Strand“ für 19,95 €,
3) „Barbie geht zum Opernball‘ für 19,95 €,
4) „Barbie fährt in den Urlaub“ für 19,95 € und
5) „Barbie ist geschieden“ für 395,00 €

„Was soll denn das“?, fragt der Mann, „Alle Barbies kosten 19,95 €, nur „Barbie ist geschieden'“kostet 395,00 €?“

„Ja“, sagt die Verkäuferin, „bei „Barbie ist geschieden“ ist ja auch noch „Kens Haus“, „Kens Boot“, „Ken’s Auto“ und „Ken’s Motorrad“ dabei.“


und dann noch:

Ein 85-jähriger will´s an seinem Geburtstag nochmal so richtig krachen lassen und gönnt sich daher einen Besuch im Puff.

Als er mit dem jungen Mädchen einen Preis ausgehandelt hat und sie dabei ist, sich zu entkleiden, holt der Opa Watte aus seiner Tasche und stopft sie sich in die Ohren.

Als er aber eine Nasenklammer hervorholt und sich diese auf die Nase setzt, fragt si: „Was wird denn das?“

Darauf erwidert der Opa: „Wenn ich eins nicht ertrage, sind es kreischende Weiber und der Gestank nach verbranntem Gummi!“

Wochenspiegel für die 34. KW., das war Rassismus, das zornige Volk, Provida und Richterbesoldung

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Ich schließe die 34. KW. des Jahres 2019 mit folgender Übersicht über Beiträge anderer Blogs:

  1. Rassismus die Stirn bieten – Was Arbeitgeber und Betriebsräte tun können

  2. Dürfen Schulen das Fotografieren bei der Einschulung verbieten?,

  3. Im Namen des zornigen Volkes?,

  4. ProViDa-Messung vom Motorrad aus: Standardisiert nur bei Geradeausfahrt in aufrechter Position,

  5. Alle Wege führen nach Dublin

  6. Ausgleich nach der Fluggastrechteverordnung – Erstattung von Anwaltskosten

  7. OLG Karlsruhe zu „strippenziehendem“ Sportler: Alleinhaftung bei Sturz eines Fahrradfahrers wegen über den Weg gespannter Slackline

  8. Die Richterbesoldung – was verdienen Richter und Staatsanwälte?,

  9. Gericht unterbietet den Verteidiger

  10. und aus meinem Blog: OWi II: Beweisbehauptung, ein anderer war Fahrer, oder: Achtung bei der Formulierung

 

Wenn die Polizei bei einem Fußballspiel twittert, oder: Darf sie das?

entnommen wikimedia.org
Urheber Dede2

Die zweite Entscheidung des Tages, das VG Düsseldorf, Urt. v. 06.06.2019 – 18 K 16606/17, passt ganz gut zur gerade begonnenen Fußballbundesligasaison (2019/2010). In ihm hat sich das VG nämlich mit der Frage befasst: Darf die Polizei – in Zusammenhang mit einem Fußballspiel, über Twitter Postings mit Fotos veröffentlichen?

Hintergrund ist, dass die Polizei in Düsseldorf in Zusammenhang mit einem Meisterschaftsspiel der 3. Liga zwischen dem MSV Duisburg und dem 1. FC Magdeburg, das wegen der verfeindeten Fans als Spiel mit erhöhtem Risiko eingestuft worden war, Folgendes bei Twitter gepostet hatte:

„“#MSVFCM Stau am Gästeeingang, einige Fans haben sich Regencapes angezogen, um die Durchsuchung zu verhindern.“

Dem Posting beigefügt war ein Foto, das zum Großteil mit Regencapes bekleidete Fans an den Eingangsschleusen des Gästebereichs des Fussball-Stadios zeigte.  Auf dem Foto war auch die Klägerin zu sehen. Sie hat Klage erhoben und geltend gemacht, sie sei durch die Veröffentlichung in ihren Rechten verletzt, da sie einer der abgelichteten Personen sei  und der Eindruck erweckt werde, sie widersetze sich polizeilichen Maßnahmen.

Das VG hat die Klage abgewiesen:

„Die Einstellung des beanstandeten Tweets war rechtmäßig und hat die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt.

Bei der Maßnahme handelt es sich um das Zugänglichmachen einer Information für die Öffentlichkeit, also um ein staatliches Informationshandeln. Auf dessen Zulässigkeit hat die Wahl des zeitgemäßen Mediums Twitter grundsätzlich keinen Einfluss. Eine Aufgabenzuweisung berechtigt zu staatlicher Informationstätigkeit im Rahmen der Wahrnehmung dieser Aufgabe, selbst wenn dadurch mittelbar-faktisch Grundrechtsbeeinträchtigungen herbeigeführt werden, ohne dass eine darüber hinausgehende Ermächtigungsgrundlage erforderlich ist,

vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002 – 1 BvR 670/91 -, juris Rn 76.

Die Ermächtigung für den Beklagten zur Erteilung derartiger Informationen ergibt sich vorliegend aus der der Polizei zugewiesenen Aufgabe, Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Polizeigesetz NRW –PolG NRW–). Von der Gefahrenabwehr erfasst ist auch die Gefahrenvorsorge im Vorfeld konkreter Gefahren, um die Entstehung von Gefahren zu verhindern und eine wirksame Bekämpfung sich später realisierender Gefahren zu ermöglichen. Erst wenn sich die Maßnahme nach der Zielsetzung und ihren Wirkungen als Ersatz für eine staatliche Maßnahme darstellt, die als Grundrechteingriff im herkömmlichen Sinne zu qualifizieren ist, verlangt der Vorbehalt des Gesetzes eine besondere Ermächtigungsgrundlage

vgl. BVerfG Beschluss vom 26. Juni 2002 – 1 BvR 670/91 -, juris a.a.O.

In der Veröffentlichung des Textes in Verbindung mit der Bildaufnahme auf der Kommunikationsplattform Twitter liegt kein solches funktionales Äquivalent eines Eingriffs in ein Grundrecht der Klägerin

Aus den oben im Rahmen der Zulässigkeitserwägungen genannten Gründen kommt eine Beeinträchtigung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit aus Art. 8 GG mangels Vorliegen einer Versammlung bereits nicht in Betracht.

Die Klägerin ist auch nicht in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art 1 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung beeinträchtigt worden. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung schützt den Einzelnen gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe der auf ihn bezogenen individualisierten oder individualisierbaren Daten. Vorliegend ist der Text des verfahrensgegenständlichen Tweets derart unbestimmt und allgemein gehalten, dass er für sich genommen keinen Rückschluss auf konkrete Personen zulässt. Im Falle einer Bildaufnahme ist ein Eingriff mangels personenbezogener, individualisierbarer Daten ausgeschlossen, wenn sie die Identifizierung der betroffenen Person nicht ermöglicht,

BVerfG, Beschluss vom 12. August 2010 – 2 BvR 1447/10 -, juris, Rn 16f; Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages: Öffentlichkeitsarbeit von Polizeibehörden in sozialen Medien, WD 3 – 3000 – 157/17 v. 21. Juli 2015, S. 14.

Die Erkennbarkeit des Abgebildeten muss sich nicht zwingend aus der Abbildung als solcher ergeben. Es genügt, wenn begleitende Umstände die Erkennbarkeit zur Folge haben; insbesondere reicht es aus, wenn sich diese aus dem zum Bild gehörenden Text ergibt. Die Klägerin ist auf dem im Tweet eingebundenen Bild nicht erkennbar. Sowohl die von ihr eingereichten Fotos der Bildschirmansicht des Tweets wie auch der vergrößerte Bildausschnitt einer Person im weißen Regencape, bei der es sich nach dem Vortrag der Klägerin um sie selbst handelt, lassen keinen Schluss auf ihre Person zu. Sämtliche Fotos enthalten nur unscharfe Konturen; selbst durch das Heranzoomen sind weder Gesichtszüge noch sonstige nur der Klägerin zukommende Merkmale erkennbar geworden. Mit Sicherheit lässt sich nicht einmal bei dem vergrößerten Bildausschnitt sagen, ob es sich bei der durch einen roten Kreis gekennzeichneten Person um einen Mann oder eine Frau handelt. Allein durch schlichtes Fokussieren ist mithin keine Erkennbarkeit gegeben. Darauf, ob eine Individualisierung durch die abstrakte Möglichkeit einer technischen Bearbeitung des in den Tweet eingebundenen Fotos erfolgen kann, kommt es nicht an. Allein der unsubstantiierte Vortrag der Klägerin, sie sei von zahlreichen Personen auf den Tweet angesprochen worden, führt zu keiner anderen Beurteilung. Auch im Zusammenhang mit dem Text des Tweets ergeben sich keine Hinweise, die zu einer Individualisierung der Klägerin hätten führen können.

Aus dem oben Genannten ergibt sich zugleich, dass auch das vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art 2 Abs. 1 GG umfasste Recht am eigenen Bild der Klägerin mangels Erkennbarkeit ihrer Person nicht beeinträchtigt worden ist.

Die Einstellung des Tweets im sozialen Netzwerk Twitter verletzt auch keine sonstigen subjektiven Rechte der Klägerin.

Aufgrund der Aufgabenzuweisungsnorm in § 1 PolG NRW, die den Beklagten auch zur Gefahrenvorsorge ermächtigt, durfte er den streitgegenständlichen Tweet absetzen. Der Tweet wies auf den Stau am Gästeeingang hin und war als Form der schnellen und weitreichenden Kommunikation darauf gerichtet, insbesondere die wartenden Fans weiter hinten in der Schlange zu erreichen, um sie über die Umstände und die Ursachen der eingetretenen Stockung zu informieren. Die Aufklärung sollte dazu dienen, die Gästefans von einem Drängen nach vorne abzuhalten und dem Entstehen von Unruhe aufgrund der ungewissen Einlasssituation vorzubeugen. Entgegen dem Vorbringen der Klägerin liegt auch kein Kompetenzverstoß vor. Die von ihr hierzu zur Begründung herangezogenen Vorschrift des § 43 Landesbeamtengesetz NRW regelt lediglich die Zuständigkeitsfrage bei Erteilung von Auskünften, etwa nach § 4 PresseG NRW, an die Öffentlichkeit. Im Übrigen ist vorliegend die Entscheidung über die Einstellung des Tweets unwidersprochen durch den zuständigen Pressesprecher der einsatzbegleitenden Einheit „Presse- und Öffentlichkeitsarbeit“ des Beklagten getroffen worden.

Amtliche Äußerungen haben sich, auch wenn sie mangels Grundrechtseingriffs über die Aufgabenzuweisung hinaus keiner besonderen gesetzlichen Ermächtigung bedürfen, an den allgemeinen Grundsätzen für rechtsstaatliches Verhalten in der Ausprägung des Willkürverbots und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu orientieren. Daraus leiten sich die Gebote der Richtigkeit und Sachlichkeit ab,

vgl. BVerfG Beschluss vom 26. Juni 2002 – 1 BvR 558/91 -, 1 BvR 1438/91 -, juris Rn 59 ff; OVG NRW, Beschluss vom 23. April 2012 – 13 B 127/12 -, juris Rn 16.

Vorliegend ist ein Verstoß gegen die inhaltliche Richtigkeit nicht gegeben.

Der erste Teil des Textes „Stau am Gästeeingang, einige Fans haben sich Regencapes angezogen“ schildert die objektive Situation und gibt das tatsächliche Geschehen zutreffend wieder. Auch die weitere Information „um die Durchsuchung zu verhindern“ war aus Sicht der eingesetzten Beamten inhaltlich zutreffend. Der Beklagte musste und durfte berücksichtigen, dass das Fußballspiel als Risikospiel eingestuft war und ca. 400 sog. Problemfans der oberen Risikogruppen B (leicht erhöhtes Risiko) und ca. 120 Problemfans der Risikogruppe C (erhöhtes Risiko) der Gastmannschaft erwartet wurden. Zudem bestand die Gefahr des Einsatzes von Pyrotechnik durch Fans aus dem Gästelager. Dieser Hintergrund sowie die objektiven Gegebenheiten vor Ort ließen den Schluss auf das Vorliegen der benannten Absicht bei einigen Fans zu. Der Beklagte konnte sicher davon ausgehen, dass das Überziehen der Regencapes nicht dem Schutz vor Nässe dienen sollte, denn das Wetter war zum Zeitpunkt des Anziehens der Capes niederschlagsfrei. Dies wird durch die vom Beklagten vorgelegte Amtliche Auskunft des Deutschen Wetterdienstes vom 21. November 2017 bestätigt. Gegenteiliges hat die Klägerin für den maßgeblichen Zeitpunkt auch nicht vorgetragen. Aus der Tatsache, dass die Fans die Regencapes noch vor der Einlasskontrolle angezogen hatten, durfte der Beklagte darauf schließen, dass das Anlegen des Regenschutzes nicht lediglich der Durchführung einer Choreographie im Stadion, die im Übrigen nicht angemeldet war, dienen sollte. Wäre dies der einzige Zweck gewesen, hätte es ausgereicht, die Regencapes nach Passieren der Eingangskontrolle erst im Stadion überzuzuziehen. In diesem Zusammenhang ist es unerheblich, ob die Aufforderung der Polizei an die Fans, die Capes abzulegen, vor oder – wie der Prozessbevollmächtigte der Klägerin erstmals in der mündlichen Verhandlung behauptet hat – nach der Einstellung des streitgegenständlichen Tweets erfolgt ist. Ungeachtet der Frage, ob die diesbezügliche Lautsprecherdurchsage wirklich um 17.47 Uhr erfolgt ist, hatten die Fans die Regencapes jedenfalls auch um 17.55 Uhr noch nicht abgelegt. Denn ausweislich der Verwaltungsvorgänge wurde zu diesem Zeitpunkt eine polizeiliche Sperrlinie vor dem Gästeeingang gezogen, um das Weitergehen der mit Capes bekleideten Fans zu unterbinden. Die Polizei musste auch davon ausgehen, dass zumindest einige Fans die Capes dazu nutzen wollten, eine Durchsuchung zu behindern oder sogar zu verhindern. Die Regencapes waren undurchsichtig und ohne Öffnungsmöglichkeit, sodass Gegenstände wie z. B. pyrotechnische Mittel darunter leicht zu verbergen waren. Wirkungsvolle visuelle Vorkontrollen, die nach Angaben des Beklagten geplant waren, ließen sich nicht durchführen. Eine Durchsuchung und ein individuelles Abtasten der einzelnen Personen blieb zwar, wie die Klägerin geltend macht, möglich und wurde durch das Überziehen der Capes im Einzelfall nicht verhindert, sondern lediglich erschwert. Jedoch war es nahliegend, dass es wegen der nicht möglichen visuellen Vorbegutachtung und der Erschwerung der einzelnen Durchsuchungen zu erheblichen Verzögerungen kommen würde und möglicherweise nicht alle Personen würden überprüft werden können. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Einsatz von Pyrotechnik, der ins Stadion mitgeführt werden musste, erwartet wurde, lag der Schluss auf die Absicht zumindest einiger Fans, die Durchsuchung im Einzelfall zu verhindern, nahe.

Es liegt auch kein Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebot vor. Eine behördliche Information darf auch bei zutreffendem Inhalt in der Form weder unsachlich noch herabsetzend formuliert sein und muss mit angemessener Zurückhaltung erfolgen,

vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002 – 1 BvR 558/91, 1 BvR 1428/91 -, juris Rn 61.

Der Tweet enthält weder unsachliche Bestandteile oder Formulierungen, die die Fans diffamieren oder verächtlich machen sollen, noch suggestive Formulierungen, die darauf gerichtet sind, die Bürger hinsichtlich der Fans negativ zu beeinflussen. Bei objektiver Betrachtung kann das Wort „einige“ in diesem Zusammenhang nur die Bedeutung haben, dass von den auf dem Foto abgelichteten Personen nicht alle, sondern nur einige die genannte Absicht hatten. Gerade das Abstellen auf lediglich „einige Fans“ entspricht somit auch der gebotenen zurückhaltenden Formulierung.“