Bundesländer zur Erweiterung der Pflichtverteidigung: So nicht, oder: Der Verteidiger als Feigenblatt?

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Auch im zweiten Posting des heutigen Tages stelle ich keine Entscheidung vor, sondern knüpfe an meinen Beitrag: “Brinkhaus fordert schnellere Strafverfahren”, oder: Wie ahnungslos darf man als CDU-Fraktionsvorsitzender eigentlich sein?“ an. Ja, knüpfe an, und ich sage/schreibe: Leider. Denn:

Zu dem Posting zur „StPO-Kenntnis des CDU-Fraktionsvorsitzenden passt ein Bericht bei „swp.de“ unter der Überschrift: „Bund und Länder streiten über Pflichtverteidiger„. Da geht es um die Umsetzung der PKH-Richtlinie der EU, der bis zum 29.05.2019 umgesetzt sein muss. Dazu hatte ja das BMJV den Referentenentwurf zum “Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung“ vorgelegt (vgl. hier: Gesetzesvorhaben II: U.a. Änderungen im Recht der Pflichtverteidigung, Verbot der Gesichtsverhüllung im Gericht, oder: Schafft die GroKo das (noch)?). Und wie nicht anders zu erwarten, kommt da Kritik von den Ländern. Das ist dann offenbar die Voraberfüllung der Forderung von Ralph Brinkhaus nach einem „Pakt für den Rechtsstaat zwischen Bund und Ländern„, allerdings nuir leider umgekehrt?

Wenn man den Bericht liest, ist man fassungslos.

Da liest man dann nämlich auch wieder: „Eine Umsetzung der Pläne würde „zu einer erheblichen Verlängerung der Dauer von Ermittlungs- und Strafverfahren führen“ und das Ziel einer Vereinfachung und Beschleunigung von Strafverfahren „konterkarieren“. Wer hat da von wem abgeschrieben, die Läner (vorab) bei Brinkhaus oder der bei ihnen?

Und da werden Mehrausgaben bei den Kosten für die Pflichtverteidigung von 2,6 Mio oder auch 4 Mio angeführt gegen die geplante – von der EU vorgegebene – Neuregelung. Hat man diese Mehrausgaben (?) eigentlich mal ins Verhältnis gesetzt zu den Gesamtausgaben eines Landeshaushaltes. Wenn ja, würde man wahrscheinlich über die Prozentzahl erstaunt sein.

Aber das allein macht noch nicht fassungslos. Das kommt erst mit der „Baden-Württembergs Justizminister Guido Wolf (CDU)“ zugeschriebenen Äußerung:

„Er [Baden-Württembergs Justizminister Guido Wolf (CDU)] fürchtet zudem, dass die Zahl der Geständnisse in frühen Ermittlungsverfahren stark zurückgehen werde. Erfahrungen aus der Praxis zeigten, dass Täter bei einer vorläufigen Festnahme nach frischer Tat gerade auch bei schwersten Straftaten oftmals zu einem umfassenden Geständnis bereit seien. Sofort bestellte Pflichtverteidiger würden aber vor Akteneinsicht „in aller Regel von einer Aussage abraten“, heißt es in der Stellungnahme.“

Das – lassen wir die Äußerungen eines Stuttgarter Oberstaatsanwalts zum Auslieferungsverfahren mal außen vor – muss man sich mal „auf der Zunge zergehen  lassen“: Ein (Landes)Justizminister kritisiert, dass Verteidiger/Rechtsanwälte vor Akteneinsicht (!) von Aussagen abraten und führt das dann auch noch als Argument gegen Änderungen im Recht der Pflichtverteidigerbestellung an. Das macht mich fassungslos. Denn an der Stelle sind dann schon elementare Rechte der Beschuldigten im Spiel und man fragt sich, welches Rechtsverständnis der Minister eigentlich vom Strafverfahren und den Regeln der StPO hat. Der Pflichtverteidiger soll nach Möglichkeit offenbar nur „Urteilsbegleiter“ sein, das berühmte „Feigenblatt“. Getreu dem Motto: Du hast/bekommst einen Verteidiger, aber wehe, wenn der sich rührt und dem Angeklagten zur Wahrnehmung seiner Rechte – hier des Schweigerechts – rät. Das ist nichts anderes als der „Verteidiger als eigenblatt“

Baden-Württembergs Justizminister Guido Wolf ist im Übrigen nicht allein, wie „schön“ für ihn. Die „Kollegen“ pflichten ihm bei. Leider auch – so jedenfalls der Bericht – der Hamburger Justizminister, den die „Grünen“ stellen. Na ja, wenn es ums Geld geht, sind sie alle gleich.

Man kann bei all dem nur hoffen, dass das BMJV hart bleibt und Frau Barley trotz Europawahl-Wahlkampf Zeit hat, sich um diese Dinge (auch) zu kümmern und es endlich zum „Durchbruch“ kommt. Aber wahrscheinlich stehen solche Fragen auf der Agenda ganz unten, denn damit kann man derzeit nicht bzw. kaum punkten. Was dann daraus wird, kann man sicherlich noch nicht absehen. Das Receht auf einen Pflichtverteidiger ist das eine, die Frage, wie man damit umgeht, wenn das Recht nicht beachtet wird, das andere. Und da wird sich in der Rechtsprechung des BGH und auch des BVerfG das ein oder andere ändern müssen. Stichwort: Abwägungslehre.

Was mich ein wenig beruhigt: Auf den Bericht auf „swp.de“ bin ich durch einen Richter hingewiesen worden. Der war genauso fassungslos wie ich. Wie gesagt: Das beruhigt. Aber nur ein wenig.

7 Gedanken zu „Bundesländer zur Erweiterung der Pflichtverteidigung: So nicht, oder: Der Verteidiger als Feigenblatt?

  1. Ein Leser

    Interessant, dass ein Justizminister Anwälten vorwirft, dass sie ihren Job machen (indem sie ihre Mandanten auf ihre Rechte hinweisen). Und auch interessant, dass die Arbeit der Anwälte von Justizministern nur noch als „störend“, „prozessverlängernd“ und „kostentreibend“ angesehen wird.

    Noch interessanter, dass sich kaum jemand daran stört: Das Thema ist in der „Mainstream-Medien“ ja praktisch nicht vertreten – obwohl es hier um das Prinzip des Rechtsstaats geht und damit um ein Grundprinzip unseres Staates und unserer Lebensweise.

    Ich schätze, die Mehrheit ist einfach zu blöd um die Folgen zu kapieren.
    Wenn Demokratie und Rechtsstaat untergehen, dann unter tosendem Applaus.

  2. Mirko Laudon

    Passend dazu: Ein Oberstaatsanwalt liest die Änderungen (natürlich auf Strafakte) und sagt spontan: Aber dann sagen die bei der Durchsuchung gar nichts mehr, da sind die Beschuldigten doch immer so geständnisbereit. Er fragte dann schon mal, ob wir dann Visitenkarten für ihn haben, damit er den Beschuldigten die in die Hand drücken kann. Ich habe erstmal neue drucken lassen, auf denen groß steht: Schweigen Sie!

  3. Dirk Schlei

    Politiker aller Parteien strapazieren nur zu gerne den Begriff des Rechtsstaats. Im Strafverfahren ist laut EMRK aber das Recht auf einen Strafverteidiger notwendig, damit von einem fairen, rechtsstaatlichen Verfahren die Rede sein kann. Und der muss natürlich auch irgendwie bezahlt werden (können). Nun gibt es seit geraumer Zeit Vorgaben der EU hierzu, hinter denen das deutsche Recht bislang deutlich zurückbleibt. Und was passiert? Sowohl beim Referentenentwurf zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung als auch beim Referentenentwurf zur Stärkung der Verfahrensrechte junger Beschuldigter handelt es sich um weitgehend enttäuschende Umsetzungsvorschläge der jeweiligen EU-Richtlinie. Formal bewegt man sich vielleicht noch innerhalb der Vorgaben, deren „Geist“ bleibt aber auf der Strecke. Und offenbar geht manchem selbst das noch zu weit. Dabei wird der entscheidende Konstruktionsfehler, die Auswahl des Pflichtverteidigers durch den erkennenden Richter, ohnehin nicht angegangen.

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  6. H.Miek

    Da davon auszugehen ist dass die EU- Richtlinie nicht innerhalb der vorgegebenen Frist in nationales Recht umgesetzt werden wird – der 29.05.2019 ist ja gefühlt unmittelbar bevorstehend- ,stellt sich dann die Frage der Direktwirkung der Richtlinie. Ich hoffe alle Kolleginnen und Kollegen werden das in ihren Fällen berücksichtigen. Was irgendwelche Politiker sagen !?. So what. Entweder man wirkt – wie die Bundesrepublik – an der Richtlinie mit oder man beschwert sich nicht im Nachhinein

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