Wer seinen Ausweis verleiht, kann später keine Entschädigung für U-Haft verlangen

entnommen wikimedia.org

Heute ist Freitag, also gibt es hier Entscheidungen mit gebühremrechtlichen Einschlag o.Ä. Und dazu gehört heute zunächst der LG Limburg, Beschl. v. 24.4.2018 – 1 Qs 65/18. Da geht es zwar nicht um Gebühren, aber auch ums Geld, nämlich um Entschädigung für erlittene U-Haft nach dem StrEG. Das LG legt seiner ablehnendn Entscheidung folgenden Sachverhalt zugrunde:

„Ein unbekannter Dritter, der am 03.12.2013 einen Wohnungseinbruchdiebstahl in pp. verübte, war zuvor in pp. strafrechtlich in Erscheinung getreten und hatte sich dabei mit den Personalien und Personenstandsurkunden des Beschwerdeführers ausgewiesen. Die am Tatort in pp. aufgefundene DNA-Spur ergab daher in einer europaweiten DNA-Datei eine entsprechende Treffermitteilung aus pp. Sie wies den Beschwerdeführer fälschlicherweise als diejenige Person aus, deren DNA in pp. festgehalten und mit dem hiesigen Treffer als übereinstimmend erkannt worden war. Aufgrund dessen befand sich der hier zunächst Beschuldigte vom 23.08.2017 bis 22.12.2017 in Untersuchungshaft, bis eine Nachuntersuchung der gespeicherten DNA tatsächlich keine Übereinstimmung ergab. Das Ermittlungsverfahren ist mittlerweile nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.“

Das LG hat eine Entschädigung abgelehnt, und zwar mit folgender Begründung:

Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Dem vormalig Beschuldigten ist eine Entschädigung für die erlittene Untersuchungshaft zu versagen, weil der Ausschlussgrund der grob fahrlässigen Verursachung greift. Er hat schuldhaft Verdachtsmomente zu verantworten, welche zu dessen Inhaftierung führten (§ 5 Abs. 2 Satz 1 StrEG).

Der Begriff der groben Fahrlässigkeit im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 1 StrEG ist nach zivilrechtlichem Maßstab anhand der Vorschriften der §§ 276 f. BGB zu beurteilen. Grobe Fahrlässigkeit liegt hiernach vor, wenn gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt in objektiv schwerer und subjektiv nicht entschuldbarer Weise verstoßen wird (BGH NJW 2007, 2988 [BGH 11.07.2007 – XII ZR 197/05] Rn. 15; 2009, 681 Rn. 35). Dies ist vorliegend der Fall.

Es unterliegt keines Zweifels, dass der Beschuldigte seine Personenstandsurkunden der in pp.. registrierten Person wissent- und willentlich zur Verfügung gestellt hat. Zwar hat er sich nicht dazu eingelassen, wie der Dritte in den Besitz der Urkunden gekommen ist, namentlich, dass er diese selbst überlassen habe. Aus den beschlagnahmten Briefen des Beschuldigten aus der Untersuchungshaft geht jedoch hervor, dass er die Verwendung seiner Personalien und Personenstandsurkunden unmittelbar einer ihm nahestehenden Person („er“) zuordnen konnte und nunmehr eine darauf beruhende Strafverfolgung für „ihn“ befürchte. Um den Dritten vor den hieraus erwachsenden Nachteilen zu schützen, wollte der Beschwerdeführer sogar die Tat auf sich nehmen. Der ehedem Beschuldigte wusste daher, wer im Besitz seiner Dokumente gewesen war, ohne dass ihn die Strafverfolgungsbehörde hierüber etwa bereits in Kenntnis gesetzt hätte. Es ist daher geradezu abwegig anzunehmen, die Personenstandsurkunden seien ohne Einwilligung des vormals Beschuldigten in den Drittbesitz gelangt.

Unerheblich ist, zu welchem Zeitpunkt der Beschuldigte von den Straftaten des Dritten und dem Einsatz seiner die Identität ausweisenden Dokumente zu diesem Zwecke erfuhr; insbesondere, ob ihm die (naheliegende) konkrete Verwendungsabsicht jedenfalls wegen eine rechtswidrigen Grenzübertritts bereits zum Zeitpunkt des Überlassens der Papiere bekannt war. Denn bereits das Überlassen der eigenen Papiere an einen Dritten ist vorliegend als grob fahrlässig einzustufen, weil diese ab sofort „aus der Hand gegeben“ sind und ohne Kontrollmöglichkeit des Berechtigten willkürlich verwendet werden können. Die Möglichkeit, dass sich der Dritte falsch ausweist, besteht jederzeit und war daher von dem vormals Beschuldigten zu bedenken. Die weitere, nicht ausschließbare Möglichkeit, dass dies auch im Zusammenhang mit der Begehung von Straftaten erfolgen kann, tritt erschwerend hinzu. Grobe Fahrlässigkeit liegt daher nicht erst vor, wenn der Berechtigte um – mehr oder weniger – konkrete Pläne des Dritten zur Begehung von Straftaten weiß, sondern bereits in dem unkontrollierten Überlassen der die Identität ausweisenden öffentlichen Urkunden selbst.“

Argumentationen mit „gerade abwegig“ sind m.E. nie so stark…..

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