Öffentlichkeitsfahndung mit Videoprints – welche Voraussetzungen?

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So ganz viele Entscheidungen zu den §§ 131 ff. StPO gibt es nicht. Umso schöner, wenn man dann mal auf eine Entscheidung aus dem Bericht stößt bzw. gestoßen wird (besten Dank an „OG“), und zwar den AG Hannover, Beschl. v. 23.04.2015 – 174 Gs 434/15. In dem Verfahren ging es um den Antrag der Staatsanwaltschaft Hannover auf Anordnung der Veröffentlichung von Videoprints der Überwachungskamera der Sparkassenfiliale Hannover pp.  in den Medien gem. §§ 131, 131b StPO (sog. Öffentlichkeitsfahndung). Das AG hat den Antrag abgelehnt:

„Die Anordnungsvoraussetzungen der §§ 131, 131b StPO liegen nicht vor. Bei der der Beschuldigten vorgeworfenen Tat handelt es sich nicht um eine Straftat von erheblicher Bedeutung.

Die Vorschrift gestattet die Veröffentlichung von Bildmaterial über die in § 131 Abs. 4 S. 1 StPO und § 131a Abs. 4 StPO enthaltene Befugnis hinaus. § 131 Abs. 4 S. 1 StPO ist auf den Zweck der Festnahme des Beschuldigten und § 131a Abs. 4 StPO auf denjenigen der Aufenthaltsermittlung von Beschuldigten und Zeugen beschränkt. Nach § 131b StPO können weitergehend auch mit dem Ziel der Verbrechensaufklärung (Aufklärungsfahndung) Abbildungen eines Beschuldigten und zur Identitätsfeststellung (Identitätsfahndung) Bildmaterial von Beschuldigten und Zeugen veröffentlicht werden. Die Aufklärungsfahndung bezweckt dabei die Ermittlung des Tatgeschehens einer Straftat von erheblicher Bedeutung sowie der Art und des Umfangs des Tatbeitrags des Beschuldigten sowie etwaiger weiterer Beteiligter und ist nicht auf die Ermittlung des Aufenthalts bzw. die Festnahme der betroffenen Person gerichtet.

Voraussetzung ist jedoch, dass der Beschuldigte einer Straftat von erheblicher Bedeutung verdächtig ist. Die tatbestandliche Voraussetzung einer Straftat von erheblicher Bedeutung bringt das Übermaßverbot zum Ausdruck und stellt klar, dass eine Öffentlichkeitsfahndung bei geringfügigen Straftaten untersagt ist (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Auflage, § 131 Rn. 2). Maßgeblich für eine Beurteilung der Erheblichkeitsschwelle ist – da der Gesetzgeber anders als z.B. bei § 98a Abs. 1 StPO auf einen konkretisierenden Deliktskatalog verzichtet hat – eine einzelfallbezogene Beurteilung. Das Gewicht der Straftat muss so groß sein, dass der mit einer Öffentlichkeitsfahndung verbundene intensive Eingriff in das Persönlichkeitsrecht angemessen ist. Anhaltspunkt für die Beurteilung der Erheblichkeitsschwelle können die Rechtsfolgen der Tat sein, soweit sie hinreichend genau prognostizierbar sind. Kommt nur eine Geldstrafe in Betracht, wird die Öffentlichkeitsfahndung regelmäßig ausscheiden.

Vorliegend wird der bisher unbekannten Beschuldigten ein Computerbetrug gem. § 263a StGB zur Last gelegt. Diese soll mittels einer zuvor rechtswidrig erlangten Debitkarte der Geschädigten bei einem Geldausgabeautomaten der Sparkasse Hannover, Filiale pp., insgesamt einen Geldbetrag in Höhe von 1.000 Euro abgehoben haben.

Hierbei handelt es sich hingegen nicht um eine solche Straftat von erheblicher Bedeutung.

Dieser einzelfallbezogenen Beurteilung steht insbesondere nicht die häufig zitierte Entscheidung des Landgerichts Saarbrücken vom 08.04.2004 (wistra 2004, 279, vgl. auch Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Auflage, § 131 Rn. 2 a.E.) entgegen…..“

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