Kurios II: Welche Straftat ist eigentlich nicht „häßlich“ und „sinnlos“?

entnommen wikimedia.org Urheber Bubinator

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Strafzumessung ist nicht immer einfacher. Das wissen wir alle und das beweisen auch die vielen obergerichtlichen Entscheidungen, die sich mit Strafzumessungsfragen befassen. Dazu gehört nun auch der OLG Hamm, Beschl. v. 18.02.2014 – 1 RVs 12/14 – der die Strafzumessung beim Vollrausch zum Gegenstand hat. Der Angeklagte hatte im Zustand erheblicher Alkoholisierung – die Voraussetzungen des § 20 StGB konnten nicht ausgeschlossen werden – aus einem RTW einen Kindernotfallkoffer, in dem sich medizinische Geräte sowie Medikamente wie Paracetamol, Diazepam usw.  befanden, entwendet. In der (landgerichtlichen) Strafzumessung heißt es dann u.a.:

„Außerdem stellt das Entwenden eines Baby-Notfall-Koffers eine ebenso sinnlose wie hässliche und gefährliche Tat dar, die im schlimmsten Fall zu lebensbedrohlichen Situationen hätte führen können, wenn es anschließend zu einem entsprechenden Kindernotfalleinsatz der RTW-Besatzung gekommen und der Verlust des Koffers zuvor nicht aufgefallen wäre.“

Das beanstandet das OLG:

„Auch die Strafzumessungserwägungen im angefochtenen Urteil weisen einen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.

Soweit das Landgericht dem Angeklagten straferschwerend anlastet, der Diebstahl des Baby-Notfall-Koffers sei eine „sinnlose“ und „hässliche“ Tat, wirft es dem Angeklagten Umstände vor, die ihm bei Bewertung der Rauschtat nicht vorgeworfen werden können. Die im Rausch begangene Tat als solche darf dem Täter nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht vorgeworfen werden, weil er insoweit ohne Schuld handelt. Deshalb dürfen seine Motive und die Gesinnung, die zu der im Rausch begangenen rechtswidrigen Tat geführt haben, bei der Strafzumessung nicht zu seinem Nachteil herangezogen werden (BGH NJW 1992, 3309, 3311 [BGH 22.09.1992 – 5 StR 379/92]; BGH NJW 1971, 203 [BGH 04.11.1970 – 2 StR 476/70]), sondern lediglich tatbezogene Merkmale der Rauschtat, wie Art, Umfang, Schwere und Gefährlichkeit (BGH a.a.O.). Trotz der anderweitigen Formulierung im angefochtenen Urteil („die Tat“) charakterisieren die Begrifflichkeiten „sinnlos“ und „hässlich“ – anders als die ebenfalls verwendete Begrifflichkeit „gefährlich“ – jedenfalls nicht nur die Tat, sondern auch die Gesinnung des Täters. Sinnlos kann eine Tat nur sein, wenn sie – auch für den Täter zumindest erkennbar – keinen Sinn macht. Mit der Formulierung im Urteil wird mithin ein Verhalten umschrieben, das die Schädigung Dritter aus bloßem Mutwillen umschreibt. Ähnlich lässt sich auch die Charakterisierung als „hässlich“ verstehen, wobei hier schon fraglich ist, ob insoweit nicht auch ein Verstoß gegen § 46 Abs. 3 StGB vorliegt, denn „hässlich“ ist an sich schon jedes zu einer Bestrafung führende Verhalten.

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