„Schuster – ähh Bezirksrevisor – bleib bei deinen Leisten“

entnommen wikimedia.org Urheber Asio otus

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Die Kollegin Rueber hat in ihrem Blog die schöne Serie: „Wir überprüfen Sprichwörter…“ (hätte man auch selbst drauf kommen können 🙂 ; vgl. hier z.B. zuletzt: Wir überprüfen Sprichwörter Heute: Nicht die erste Instanz muss gewonnen werden, sondern die letzte). An die Serie habe ich beim Lesen des OLG Celle, Beschl. v. v. 22.01. 2014 – 1 Ws 19/14 – gedacht. Eine gebührenrechtliche Entscheidung, in der- man liest es selten – das OLG den Bezirksrevisor in die Schranken weist. Warum?

Im Verfahren hatte das AG hat den Angeklagten zu mehreren Gesamtfreiheitsstrafen verurteilt. Dagegen hat der Angeklagte durch seinen ihm beigeordneten Verteidiger Berufung eingelegt. In der Folgezeit hat der Verteidiger die Rücknahme der Berufung für den Fall in Aussicht gestellt, dass die Staatsanwaltschaft die Vollstreckungsreihenfolge der gegen den Angeklagten zu vollstreckenden Freiheitsstrafen in der Weise abändere, dass die Strafvollstreckung nach Teilverbüßung gemäß § 35 BtMG zurückgestellt werden könnte. Hierzu hat er mit der zuständigen Abteilungsleiterin der Staatsanwaltschaft ein persönliches Gespräch geführt und mit zwei Schreiben um Abänderung der Vollstreckungsreihenfolge ersucht. Nachdem die Staatsanwaltschaft diesem Ersuchen nachgekommen war, hat der Verteidiger dann die Rücknahme der Berufung erklärt, ohne dass die Akten bis dahin dem Berufungsgericht vorgelegen hatten.

Der Verteidiger hat die Festsetzung der zusätzlichen Verfahrensgebühr Nrn.  4141 Abs. 1 Nr. 1, 4124 VV RVG beantragt. Diese Verfahrensgebühr hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle für das Berufungsverfahren abgesetzt.  Das AG hat aber die Festsetzung der Gebühr beschlossen. Dagegen dann das Rechtsmittel der Bezirksrevisorin. Sie war der Auffassung, dass nach dem Wortlaut der Nr.  4141 Abs. 1 Nr. 3 VV RVG die Befriedungsgebühr nur entstehe, wenn sich das gerichtliche Verfahren durch Rücknahme der Berufung erledige. Dies setze den Eingang der Verfahrensakten beim LG als Berufungsinstanz voraus, weil erst dann eine Hauptverhandlung vermieden werden könne. Dies sei bei der entsprechenden Konstellation im Revisionsverfahren anerkannt und müsse auch für das Berufungsverfahren Anwendung finden, um einen eindeutigen Anknüpfungspunkt für das Entstehen der Befriedungsgebühr zu bieten. Zudem sei die erhobene Berufung aufgrund sachfremder Beweggründe erhoben worden. Das Anliegen des Verteidigers hätte auch nach Rechtskraft des Urteils im Vollstreckungsverfahren erreicht werden können, sodass eine entsprechende Tätigkeit des Verteidigers durch Ziffer 4205 VV RVG abgegolten hätte werden können.

Das OLG hat dem eine volle Absage erteilt: Zutreffend sei darauf abgestellt worden, dass es im Berufungsverfahren anders als im dabei auf den Eingang der Akten beim Rechtsmittelgericht nicht ankomme. Die Durchführung einer Hauptverhandlung sei im Berufungsverfahren der Regelfall. Da auch der Wortlaut der Nr.  4141 Abs. 1 Nr. 3 nur zwischen begonnener und nicht begonnener Hauptverhandlung, nicht aber zwischen Anhängigkeit und Nichtanhängigkeit des Verfahrens in der Rechtsmittelinstanz differenziere, komme es für das Entstehen der Befriedungsgebühr in der Berufungsinstanz allein darauf an, ob eine auf die Förderung des Verfahrens gerichtete Tätigkeit ersichtlich gewesen sei (Nr.  4141 Abs. 2 VV RVG). Angesichts der dargelegten Verhandlungen mit dem Ziel der Abänderung einer Vollstreckungsreihenfolge als Voraussetzung für die Rücknahme der Berufung sei dies – so das OLG – der Fall.

Und zum „Schuster und seinen Leisten“:

„Die Berufung ist entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin auch kein unsachgemäßes prozessuales Mittel gewesen, um den erwünschten Erfolg zu erzielen. Hätte die Staatsanwaltschaft nämlich der Abänderung der Vollstreckungsreihenfolge nicht zugestimmt, wäre es legitim gewesen, die Berufung mit dem Ziel einer geringeren, die Anwendung des § 35 BtMG im Vollstreckungsverfahren ermöglichenden Sanktion zu erreichen. Wäre die Berufung bereits vor einer solchen Zusage von Seiten der Staatsanwaltschaft zurückgenommen worden, wäre der Angeklagte Gefahr gelaufen, im Fall einer fehlenden Bereitschaft der Staatsanwaltschaft, die Vollstreckungsreihenfolge abzuändern, sein Ziel nicht mehr erreichen zu können. Im Übrigen obliegt es nicht dem Vertreter der Landeskasse darüber zu befinden, ob ein erhobenes Rechtsmittel sachgerecht ist, wenn damit jedenfalls die Möglichkeit einer Besserstellung des Angeklagten erzielt werden kann.“

Wie gesagt, liest sich gut.

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