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Ablehnung III: Wenn der Sachverständige befangen ist, oder: Gutachten für Nebenkläger im Vorverfahren

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Und als dritte Entscheidung stelle ich dann noch einen AG-Beschluss vor, und zwar zur Frage der Besorgnis der Befangenheit eines Sachverständigen (vgl. dazu neulich auch das AG Schmallenberg, Urt. v. 12.10.2022 – 5 Ds 47/22 und dazu AG III: Wenn der Sachverständige befangen ist, oder: “Diener zweier Herren” geht nicht ).

Im AG Freiberg, Beschl. v. 23.11.2022 – 1 Ds 210 Ja 1296/20 – haben wir eine etwas andere Konstellation, aber es geht in dieselbe Richtung. Ergangen ist der Beschluss in einem Verfahren mit dem Vorwurf einer fahrlässigen Tötung, aufgrund von Behandlungsfehlern des behandelnden Arztes. Der Sachverständige, der nun als gerichtlicher Sachverständiger tätig werden sollte, hatte für die Eltern des Verstorbenen bereits im Ermittlungsverfahren Gutachten erstattet. Das geht so nicht, meint das AG:

„Der Sachverständige Dr. pp. hat für die Eltern des Verstorbenen zunächst das Gutachten vom 23.03,2019 und dann eine Stellungnahme vom 28.6.2019 erstellt. Auftraggeber war jeweils Herr Dr. pp. Dieser hat die Eltern des Verstorbenen im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren vertreten und sowohl durch seinen Sachvortrag als auch durch die Vorlage des vorgenannten Gutachtens erreicht, dass die staatanwaltschaftlichen Ermittlungen wieder aufgenommen wurden. Die Eltern haben zwischenzeitlich ihre Zulassung als Nebenkläger beantragt, inzwischen jedoch wieder zurückgezogen. Nichts destotrotz ergibt sich aus der Stellung von Dr. pp. im Ermittlungsverfahren die Besorgnis, dass dieser bei der Erstattung seines Gutachtens im Hauptverfahren nicht unbefangen sein wird. Denn mit dem schriftlichen Gutachten wollten die Eltern ersichtlich Behandlungsfehler der behandelnden Ärzte nachweisen. In dem privat erstatteten Gutachten hat Dr. pp.     bereite Behandlungsfehler erkannt und sich insoweit festgelegt.

Auf Antrag der Verteidiger der beiden Angeklagten ist Dr. pp. daher wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen.

Zur morgigen Hauptverhandlung ist er abzuladen.“

AG III: Wenn der Sachverständige befangen ist, oder: „Diener zweier Herren“ geht nicht

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Und zum Tagesschluss dann noch das AG Schmallenberg, Urt. v. 12.10.2022 – 5 Ds 47/22. Es nimmt in einer „Brandsache“ zur Besorgnis der Befangenheit eines Sachverständigen Stellung.

Mit der Anklageschrift wurde dem Angeklagten vorgeworfen am 31.03.2021 fremde technische Einrichtungen, namentlich Maschine, in Brand oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört zu haben. Der Angeklagte ist Mitarbeiter der Firma H in Q und für die Errichtung und Wartung von Blockheizkraftwerken zuständig. Eine solche Anlage, die auch von der Firma unter Mitwirkung des Angeklagten in Schmallenberg-M erbaut wurde, befindet sich dort beim Hotel U.

Am 31.03.2021 war der Anklagte mit der Wartung und Prüfung der Anlage beauftragt. Ihm wird vorgeworfen, dass er dabei unter Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt einen Verschlussdeckel des Öleinfüllstutzens an einem der beiden Motoren nicht richtig wieder aufgeschraubt habe und es dabei zu einem Brand gekommen sei. Hierbei soll nach Angaben des geschädigten Zeugen U ein Sachschaden von 360.000,00 Euro und mit dem Ausfallschaden ein Gesamtschaden von ca. 600.000,00 Euro entstanden sein. Hierauf habe die Feuerversicherung bislang lediglich 80.000,00 Euro gezahlt.

Der Angeklagte hat die Tat in Abrede gestellt und sich wie folgt eingelassen: Es habe aufgrund einer Überspannung im Netz eine Störung an der Anlage vorgelegen. Er habe dann an dem Motor die Ventileinstellung überprüft, den Schaltschrank und Sensoren überprüft und den Wärmetauscher gereinigt. Dann habe er die Anlage wieder gestartet. Den Ölwechsel mache er immer mit einem warmen Motor, da das Öl dann dünnflüssiger sei. Das Öl werde an einem speziellen Ventil mit einer Ölpumpe (Bohrmaschinenpumpe) abgesaugt und auf dem gleichen Weg wieder eingefüllt. Aufgrund der großen Mengen sei dies viel einfacher als ein Einfüllen von Hand über den Öldeckel. Dieser sei eigentlich bei der Anlage völlig überflüssig und werde nie genutzt. Er habe ihn daher noch nie abgeschraubt. Auch an diesem Tag sei er nicht an dem Deckel (ein einfacher Kunststoffdeckel mit Gewinde) gewesen. Er sei sich sicher, dass der Deckel auch auf dem Gewinde gesessen habe, da ansonsten das Öl sofort herausspritzen würde und er dies habe bemerken müssen.

Das AG hat frei gesprochen und macht dabei folgende Ausführungen zu dem Sachverständigen im Verfahren:

„….

Nichts anderes ergibt sich aus dem Gutachten des Sachverständigen C.

Bei diesem ist zunächst festzustellen, dass der Angeklagte den Sachverständigen ohne weiteres nach § 74 i.V.m. § 26 StPO wegen Besorgnis der Befangenheit hätte ablehnen können. Der Sachverständige hat sein Gutachten zunächst für die Staatsanwaltschaft erstellt. Zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung war er aber gleichzeitig für die Feuerversicherung in dieser Sache tätig. Diese wiederum hat aufgrund des § 86 VVG ein erhebliches wirtschaftliches Interesse an der Feststellung, dass der Angeklagte den Brand durch schuldhaftes Verhalten herbeigeführt hat. Dies wird auch dadurch belegt, dass die Versicherung, obgleich der Versicherungsfall eindeutig gegeben ist, den Schaden bislang nur zu einem unangemessen kleinen Teil reguliert hat. Dies ist rechtlich und sachlich nur schwer nachzuvollziehen.

Völlig unabhängig davon, ist das mündlich im Hauptverhandlungstermin erstattete Gutachten aber auch inhaltlich nicht geeignet, dem Angeklagten mit einer zur Verurteilung erforderlichen Sicherheit ein Verschulden nachzuweisen. ….. „

Ablehnung I: Unparteilichkeit des Sachverständigen?, oder: Wir bilden einen Arbeitskreis….

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Im „Kessel Buntes“ köcheln heute zwei Entscheidungen zu Ablehnungsfragen, allerdings stammen die aus dem Zivilrecht.

Ich beginne mit dem OLG Stuttgart, Beschl. v. 21.06.2022 – 3 W 26/22. In dem hat das OLG zur Besorgnis der Befangenheit betreffend einen Sachverständigen Stellung genommen. Ergangen ist der Beschluss in einem Verfahren, in dem um einen Kostenvorschuss zur Mangelbeseitigung sowie um Schadensersatz wegen Mängeln eines Industrieestrichbodens, der von der Streithelferin als Subunternehmerin der Beklagten in einer Produktionshalle der Klägerin eingebracht wurde. In dem Beweisbeschluss zu den Beweisfragen der Mangelhaftigkeit des Bodens, der erforderlichen Mangelbeseitigungsarbeiten und deren Kosten wurde zum Sachverständigen ein Sachverständiger bestimmt, der u.a. Mitglied des „Arbeitskreises M.“ des Bundesverbandes E. und Belag e.V., der lediglich aus drei bzw. vier weiteren Mitgliedern besteht, zu denen auch der Geschäftsführer der Streithelferin der Beklagten gehört.

Das OLG hat gesagt: Besorgnis der Befangenheit begründet:

„….. Sie ist auch begründet, da nach Auffassung des Senats Umstände vorliegen, die aus Sicht der Klägerin Zweifel an der Unparteilichkeit des Sachverständigen und somit die Besorgnis der Befangenheit wecken können, sodass dem klägerischen Ablehnungsgesuch gegen den Sachverständigen stattzugeben war.

1. Ein Sachverständiger kann gemäß § 406 Abs. 1 Satz 1 ZPO aus denselben Gründen abgelehnt werden, aus denen nach § 42 ZPO die Ablehnung eines Richters möglich ist, somit also wegen der Besorgnis der Befangenheit. Eine solche ist anzunehmen, wenn Umstände vorliegen, die berechtigte Zweifel an einer Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit des Sachverständigen aufkommen lassen (vgl. gesetzliche Definition in § 1036 Abs. 2 Satz 1 ZPO; G. Vollkommer in: Zöller, ZPO, 34. Auflage, § 42 Rn. 8). Geeignet, ein entsprechendes Misstrauen zu rechtfertigen, sind alle objektiven Gründe, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei einer Gesamtbetrachtung aus Sicht einer ruhig und vernünftig denkenden Partei die Befürchtung wecken können, der Sachverständige stehe der Sache nicht unvoreingenommen gegenüber (Zöller, a.a.O., Rn. 9). Nicht erforderlich ist, dass der Sachverständige tatsächlich befangen ist (Zöller, a.a.O.). Es ist auch unerheblich, ob er sich selbst für (un-)befangen hält (Zöller, a.a.O. m.w.N.). Entscheidend ist allein, ob sich aus Sicht des Ablehnenden bei vernünftiger Betrachtung aller Umstände ausreichende Gründe für eine entsprechende Besorgnis ergeben (Zöller, a.a.O. m.w.N.).

2. Ein Ablehnungsgrund in diesem Sinne kann sich unter anderem aus einer besonderen fachlichen oder persönlichen Nähe zu einer Partei ergeben. Dabei kann auch die Nähe zu der Streithelferin einer der Parteien genügen, insbesondere wenn deren Verhältnis zur unterstützten Partei wiederum – wie vorliegend, da die Streithelferin bei der Ausführung des streitgegenständlichen Gewerks als Subunternehmerin der Beklagten tätig wurde – von einer besonderen Nähe oder Abhängigkeit geprägt ist.
11a) Eine bloße Bekanntschaft oder rein kollegiale Zusammenarbeit zwischen Sachverständigem und Partei oder Streithelfer ist für sich genommen zwar nicht genügend, um die Besorgnis der Befangenheit zu begründen (vgl. Scheuch in: BeckOK ZPO, 44. Edition, § 406 Rn. 22). So wäre es etwa für sich genommen kein Ablehnungsgrund, dass der Sachverständige – wie er in seinem Schreiben vom 26.03.2022 ausgeführt hat (Bl. 213 d.A.) – mit dem Geschäftsführer der Streithelferin „in den vergangenen Jahren gelegentlich beruflich zu tun hatte“ (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 10.10.2013, Az. 3 W 48/13), was sich aufgrund des begrenzten Kreises derjenigen, die sich innerhalb Deutschlands mit dem Thema „M.“ auseinandersetzen, entsprechend der nachvollziehbaren Darstellung des Sachverständigen kaum vermeiden lässt.

b) Vorliegend kommt jedoch hinzu, dass sowohl der Sachverständige als auch der Geschäftsführer der Streithelferin dem „Arbeitskreis M. / S.“ des Bundesverbandes E. und Belag e.V. angehören. Nach dem aktuellen Internetauftritt des Verbandes (https://…..html) besteht der Arbeitskreis neben dem Sachverständigen aus nur drei weiteren Mitgliedern, wobei der Geschäftsführer der Streithelferin … als dessen … fungiert. Daraus ergibt sich nach Auffassung des Senats eine längerfristige fachliche Verbundenheit, aus der nach der maßgeblichen Sicht der Klägerin vernünftigerweise Zweifel an der Unparteilichkeit des Sachverständigen folgen können.

(1) Zwar hat der Bundesgerichtshof entschieden (Beschluss vom 03.08.2000, Az. X ZR 33/97), dass der Umstand, dass ein Sachverständiger Präsident einer Vereinigung sei, welcher auch der Beklagte angehöre und nach deren Satzung er gehalten sei, die Interessen ihrer Mitglieder zu wahren und zu fördern, kein Misstrauen gegen die Unparteilichkeit zu begründen geeignet sei. Der vorliegende Fall liegt aber anders. Denn der Geschäftsführer der Streithelferin ist nicht etwa Vorsitzender irgendeiner größeren Vereinigung, als deren bloßes Mitglied er den Sachverständigen kennt. Er ist vielmehr … eines kleinen Arbeitskreises, dem auch der Sachverständige angehört und der gerade zu derjenigen Materie ins Leben gerufen wurde, welche dieser im Streitfall begutachten soll.

(2) Ein Arbeitskreis ist eine Vereinigung mehrerer Personen, die idealerweise – wie wohl vorliegend – eine bestimmte Expertise zu einem Sachgebiet aufweisen, die gegründet wird, um gemeinsam zu bestimmten fachbezogenen Themen Ideen oder gangbare Wege zur Erreichung bestimmter Ziele zu erarbeiten. Entsprechend dem Internetauftritt des Bundesverbandes E. und Belag e.V. besteht eine „wesentliche Aufgabe“ von dessen Arbeitskreisen darin, „den Betrieben des Fußbodenbaus technische Hilfestellungen durch Arbeits- und Hinweisblätter sowie durch Fortbildungsveranstaltungen zu geben“. Ziel des „Arbeitskreises M. / S.“ ist es somit, fachliche Vorgaben zu erarbeiten, an denen sich Handwerker, die in diesem Fachbereich tätig sind, orientieren und nach denen sie sich richten können.

(3) Zwar sind grundsätzlich die üblichen Kontakte im fachlichen Bereich nicht ausreichend, um aus objektiver Sicht die Besorgnis einer Befangenheit zu erregen, so etwa bei Wissenschaftlern die Teilnahme an Fachkongressen zum wissenschaftlichen Austausch oder die gemeinsame Mitwirkung an Fachpublikationen (BeckOK ZPO, a.a.O., Rn. 22.1 m.w.N.). Etwas anderes gilt jedoch, wenn eine langfristigere enge Zusammenarbeit insbesondere zu der zu begutachtenden Materie besteht (vgl. etwa OLG Hamm, Beschluss vom 08.11.2012, Az. 32 W 24/12, juris Rn. 7 f.; BeckOK ZPO, a.a.O.). Dies ist vorliegend der Fall. Arbeitskreise sind zunächst einmal auf Dauer angelegt, es geht dabei um die gezielte und intensive gemeinsame Erarbeitung von Konzepten oder Regelwerken.

(4) Dabei kann im Übrigen aus Sicht des Senats dahinstehen, ob vorliegend eine solche Zusammenarbeit zwischen dem Sachverständigen und dem Geschäftsführer der Streithelferin in der Vergangenheit bereits erfolgt ist. Denn allein die Tatsache, dass beide demselben Arbeitskreis angehören, der sich gerade mit der im vorliegenden Fall zu begutachtenden Materie beschäftigt und für M. die bundesweiten Vorgaben gemeinsam erarbeiten soll, nach denen im vorliegenden Rechtsstreit unter Umständen wiederum die Mangelhaftigkeit der Werkleistung der mit der Einbringung eines solchen Bodens betrauten Streithelferin und der Mangelbeseitigungsaufwand durch den Sachverständigen beurteilt werden müssten, rechtfertigt aus Sicht der Klägerin als Werkbestellerin bereits die Sorge, der Sachverständige könnte sich im Rahmen seiner Begutachtung zu Gunsten der Beklagten beziehungsweise der Streithelferin von sachfremden Erwägungen leiten lassen, zumal die Streithelferin sich in dem Fall, dass die von ihr unterstützte Beklagte den Rechtsstreit verlieren sollte, als deren Subunternehmerin gegebenenfalls Regressansprüchen ausgesetzt sähe.“

Wenn die Hilfskraft das SV-Gutachten erstellt, oder: Keine Vergütung für den Sachverständigen

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Am Gebührenfreitag stelle ich zunächst eine  Entscheidung vor, die sich mit anwaltlichen Gebühren befasst, sondern mit der Vergütung eines psychatrischen Sachverständigen.

Folgender Sachverhalt: Die StA hatte den Sachverständigen T. mit der Erstattung eines Gutachtens zu der Frage des Vorliegens der medizinischen Voraussetzungen der §§ 20, 21, 64 StGB beim Verurteilten beauftragt. Bei Auftragserteilung wurde der Sachverständige T. darauf hingewiesen, dass er sich seiner Mitarbeiter bedienen kann, wenn er bereit sei, die Verantwortung für den Inhalt des Gutachtens zu übernehmen. In dem von dem Sachverständigen erstellten Gutachten heißt es, dass die „ausführliche persönliche Untersuchung des Probanden in der JVA Nürnberg durch B., B.Sc. Psychologie und den Referenten am 10.03.2021 und 19.03.2021 in der JVA Nürnberg über insgesamt 2 Stunden 45 Minuten“ erfolgte. Die Kostenrechnung des Sachverständigen in Höhe von 5.342,51 EUR ist durch die Staatsanwaltschaft zur Zahlung freigegeben worden.

In einem Brief an seine Lebensgefährtin schilderte dann der Verurteilte u.a., dass das Gutachten „eine Frau B und kein T“ gemacht habe. Dieser habe lediglich ein paar Wochen später für „5 Minuten“ mit ihm gesprochen und das nur „über den § 64 und nicht über meine Gedanken oder sonst etwas“. Der Brief ist beschlagnahmt worden. Der Sachverständige T wurde daraufhin aufgefordert mitzuteilen, ob während der Exploration über 2 Stunden 45 Minuten beide Sachverständige anwesend waren und wenn nicht, welche Befunde durch welchen Sachverständigen erhoben wurden. Der Sachverständige teilte mit, dass die Angaben des Verurteilten auf S. 31 – 50 des Gutachtens am 10.03.2021 gegenüber Frau B. in detaillierter Art und Weise gemacht und am 19.03.2021 ihm gegenüber in kompakter Form wiederholt worden seien.

Das LG hat sodann, dem Sachverständigen T in Übereinstimmung mit der Staatsanwaltschaft dem Verteidiger die weitere Gutachtenerstattung entzogen und einen anderen Sachverständigen mit der Begutachtung beauftragt, da der Sachverständige gegen das Verbot der Delegation der Exploration an eine Hilfsperson verstoßen habe. Der Verurteilte ist dann mit inzwischen rechtskräftigem Urteil zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren und Unterbringung in eine Entziehungsanstalt verurteilt worden. Das zunächst vom Sachverständigen T. angefertigte vorläufige schriftliche Gutachten fand weder in der Hauptverhandlung noch bei der Verurteilung Verwendung. Im Urteil hat das LG ausgeführt, dass sie davon ausgehe, dass die bereits beglichenen Kosten des Gutachtens des Sachverständigen T. vom Sachverständigen zurückgefordert werden und daher nicht Teil der Verfahrenskosten werden, weshalb sie davon abgesehen hat, die Kosten der Staatskasse aus Billigkeitsgründen gem. § 465 Abs. 2 StPO aufzuerlegen.

Der Sachverständige T. ist zur Rückerstattung der beglichenen Kostenrechnung aufgefordert worden. Er hat in dem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass er, um die Justiz zu unterstützen und die Zeit bis zur Fertigstellung des Gutachtens auf eine zumutbare Frist zu begrenzen, Fachkräften die Mitarbeit an der Erstellung der Gutachten erlaubt habe. Dies sei in forensischen Instituten und Kliniken ein übliches Vorgehen. Er habe die gesamten schriftlichen Gutachtenstexte auf Richtigkeit überprüft und in jedem einzelnen Fall persönlich die Probanden exploriert. Er habe sich die Kernfragen der Exploration durch seine Mitarbeiterin notiert und diese danach in kürzerer Zeit mit dem Probanden besprochen. In seiner dazu abgegeben Stellungnahme hat der Verurteilte mitgeteilt, dass er mit dem Sachverständigen nicht in „Verbindung mit dem Gutachten“ gesprochen habe. Er habe ihn nur für 5 Minuten in der JVA besucht und mitgeteilt, dass er den § 64 StGB befürworte. Die Begutachtung habe Frau B. gemacht.

Der Bezirksrevisor hat daraufhin beantragt, die Vergütung des Sachverständigen T. gem. § 4 Abs. 1 Satz 1 JVEG auf 0,00 € festzusetzen. Dem Antrag ist das LG im LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 18.05.2022 – 5 Ks 102 Js 2876/20  – gefolgt:

„Der Antrag auf Festsetzung der Vergütung auf 0,00 € ist zulässig und begründet.

1. Gem. § 4 Abs. 1 Satz 1 JVEG wird die Vergütung durch gerichtlichen Beschluss festgesetzt, wenn die Staatskasse dies, wie vorliegend, beantragt. Gem. § 4 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 JVEG ist nach Erhebung der öffentlichen Klage das für die Durchführung des Verfahrens zuständige Gericht zuständig.

2. Die Vergütung des Sachverständigen Dr. T. war auf 0,00 € festzusetzen, da der Anspruch auf Vergütung gem. § 8a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 JVEG entfallen ist. Demnach erhält der Berechtigte eine Vergütung nur insoweit, als seine Leistung bestimmungsgemäß verwertbar ist, wenn er gegen die Verpflichtung aus § 407a Abs. 1 bis 4 ZPO verstoßen hat, es sei denn, er hat den Verstoß nicht zu vertreten. Nur soweit das Gericht die Leistung berücksichtigt hat, gilt sie als verwertbar, § 8a Abs. 2 Satz 2 JVEG.

a) Der Sachverständige hat gegen § 407a Abs. 3 Satz 1 ZPO verstoßen, indem er insbesondere die Exploration auf eine Hilfsperson übertragen hat. Zwar kann ein beauftragter Sachverständiger, der grundsätzlich zur persönlichen Erstellung und Erstattung des Gutachtens verpflichtet ist, Hilfskräfte in Anspruch nehmen, solange er sich von den Untersuchungsergebnissen selbst überzeugt und das Gutachten selbst verantwortet. Die Staatsanwaltschaft hat auch die Zuziehung einer Hilfskraft – wie üblich – genehmigt. Aufgrund der Pflicht zur persönlichen Gutachtenerstattung besteht jedoch ein Delegationsverbot, soweit durch Heranziehung anderer Personen die Verantwortung des Sachverständigen für das Gutachten in Frage gestellt wird (BGH, Beschluss vom 25.05.2011 – 2 StR 585/10; Löwe-Rosenberg, 27. Auflage 2017, StPO, § 73 Rn. 6). Das Gutachten eines psychiatrischen Sachverständigen muss eine Exploration des Probanden durch den Sachverständigen einschließen. Dabei handelt es sich um die zentrale Untersuchungsmethode. Deren Ergebnisse kann der gerichtliche Sachverständige nur dann eigenverantwortlich bewerten, wenn er sie selbst durchgeführt oder zumindest insgesamt daran teilgenommen hat. Dies gilt erst recht, wenn bei der Exploration auch Mimik und Gestik des Probanden aufgefasst werden. Die Durchführung der Exploration als Kernstück des Gutachtens darf daher nicht an eine Hilfsperson delegiert werden (vgl. BGH, Beschluss vom 25.05.2011 – 2 StR 585/10; BSG, Beschluss vom 18.09.2003 – B 9 VU 2/03 B; OLG Köln, Beschluss vom 20.07.2011 – 17 W 129/11; MüKoStGB, 4. Auflage 2020, § 20 StGB Rn. 171; Nedopil/Müller, Forensische Psychiatrie, 4. Auflage 2012, S. 407).

Laut Auskunft des Sachverständigen Dr. T erfolgte eine detaillierte Exploration durch Frau B., durch ihn lediglich eine kompakte Abfrage. Eine kompakte Abfrage reicht aber nicht aus, um sich – bei der Exploration als zentrale Untersuchungsmethode – ein eigenes Bild von der Richtigkeit der Befunderhebung zu machen. Dem Sachverständigen war es daher verwehrt, die Verantwortung für das Gutachten zu übernehmen, da er die Exploration nicht persönliche durchgeführt hat oder wenigstens anwesend war. Soweit er behauptet, er habe die Kernstücke der Exploration durch seine Mitarbeiterin mit dem Verurteilten in kürzerer Zeit besprochen, steht dies in Widerspruch zu den Angaben des Verurteilten, der von Beginn an angegeben hatte, dass der Sachverständige mit ihm nur fünf Minuten über § 64 StGB gesprochen habe. Die Kammer hat an den Ausführungen des Verurteilten keine Zweifel, hat er doch (durch den Brief an seine Lebensgefährtin) den Stein ins Rollen gebracht, obwohl das schriftliche Gutachtenergebnis für ihn günstig ausgefallen ist. Der Sachverständige hat dem auch nicht konkret widersprochen, sondern lediglich pauschal vorgetragen, dass die „Kernstücke“ in knapper Form mit dem Verurteilten besprochen worden seien, ohne hierbei vorzutragen, welche Inhalte dies gewesen seien. Der letzten Behauptung des Verurteilten, dass der Sachverständige lediglich fünf Minuten da gewesen sei und nur § 64 StGB befürwortet habe, brachte der Sachverständige schließlich nichts entgegen. Letztlich kann es aber auch dahinstehen, welche „Kernstücke“ in kompakter Form mit dem Verurteilten – vermeintlich – besprochen wurden. Der psychiatrische Sachverständige hat die gesamte Exploration selbst durchzuführen oder ihr wenigstens beizuwohnen, was er seinem eigenen Vorbringen nach zweifellos nicht ansatzweise getan hat. Er kann daher denknotwendig auch nicht, wie er anführt, den „gesamten schriftlichen Gutachtentext auf Richtigkeit überprüft“ haben. Soweit der Sachverständige sich nunmehr ergänzend darauf beruft, er habe die Justiz unterstützen wollen und die Zeit zur Fertigstellung des Gutachtens auf eine zumutbare Frist zu begrenzen, kann er damit nicht gehört werden. Die Exploration eines Beschuldigten/Angeklagten kann für diesen, insbesondere bei Gutachten zu §§ 20, 21, 63, 64 StGB, gravierende Konsequenzen im Falle einer Verurteilung haben. Für die Justiz und den Probanden ist es daher unerlässlich, dass derartige Überlegungen bei der Gutachtenerstellung keinen Einzug finden. Es ist zwar richtig, dass auch von anderen Gutachtern gelegentlich Fachkräfte hinzugezogen werden. Dies gilt jedoch nicht für den Bereich der Exploration.

Die Kammer sah sich daher gezwungen, den Sachverständigen vor Beginn der Hauptverhandlung von der weiteren Gutachtenerstattung zu entbinden. Daran vermochte auch eine hypothetisch ergänzende Exploration durch den Sachverständigen Dr. T. nichts zu ändern, da hierdurch verbleibende Zweifel an der notwendigen Objektivität des Sachverständigen bestehen blieben. Dies galt umso mehr, als der Verurteilte in dem beschlagnahmten Brief an seine Lebensgefährtin vom 10.05.2021 seine Verärgerung über der Sachverständigen Dr. T. zum Ausdruck gebracht hat. In dem Brief äußerte der Verurteilte unter anderem, dass er „richtig sauer auf den Sachverständigen“ sei, da das „Gutachten Frau B. und kein T. gemacht habe“, und er „mit ihm nur fünf Minuten über den § 64 und nicht über meine Gedanken gesprochen habe“. Eine unbefangene Mitwirkung des Verurteilten an einer weiteren Exploration durch Dr. T. war daher zweifelhaft.

b) Der Sachverständige hat den Verstoß auch zu vertreten. Zwar wurde er von der Staatsanwaltschaft darauf hingewiesen, dass er sich der Mitarbeit anderer bedienen könne. Dies umfasst jedoch nicht den Bereich der Exploration als zentrale Untersuchungsmethode (ausdrücklich für den Bereich der Schuldfähigkeitsbegutachtung: BGH, Beschluss vom 25.05.2011 – 2 StR 585/10). Dem Sachverständigen muss dies aus seiner berufsrechtlichen Stellung heraus auch bewusst gewesen sein, da die Exploration für das Gutachtenergebnis von wesentlicher Bedeutung ist. Jedenfalls hätte er aber vorher bei der Staatsanwaltschaft Rückfrage halten müssen, wie weit die Delegationsmöglichkeit reicht.

c) Die Leistung wurde gem. § 8a Abs. 2 Satz 2 JVEG nicht berücksichtigt. Das Gutachten wurde weder in der Hauptverhandlung noch im Urteil verwertet. Der neu hinzugezogene Sachverständige explorierte den Verurteilten selbst und berücksichtigte das Gutachten des Sachverständigen Dr. T. nicht. Da die Kammer Zweifel an der weiteren Objektivität des Sachverständigen Dr. T. hatte (s.o.), war auch eine Nachbesserung in Form einer persönlichen Exploration durch Dr. T. nicht mehr möglich.“

Vollstreckung II: Beauftragung eines Sachverständigen, oder: Anfechtung mit der Beschwerde ausgeschlossen

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Die zweite Entscheidung des Tages, der KG, Beschl. v. 27.04.2022 – 2 Ws 46, 47/22 -, stammt auch aus einem Verfahren, in dem um die Fortdauer von Sicherungsverwahrung gestritten wird.

Die Strafvollstreckungskammer hat nach mündlicher Anhörung des Verurteilten die Fortdauer der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet und zugleich den Sachverständigen Dr. med. A mit der Begutachtung des Beschwerdeführers beauftragt. Dagegen wendet sich der Verurteilte. Das KG führt zur Anfechtung der Beauftragung des Sachverständigen aus:

„.. Soweit sich der Beschwerdeführer mit seinem Rechtsmittel gegen die Beauftragung des Sachverständigen Dr. med. A mit der Erstattung eines kriminalprognostischen Gutachtens wendet, ist dieses (auch als einfache Beschwerde) in entsprechender Anwendung des § 305 Satz 1 StPO unzulässig, da bereits nicht statthaft.

Gemäß § 305 Satz 1 StPO können Entscheidungen des erkennenden Gerichts, die der Urteilsfällung vorausgehen, nicht isoliert angefochten werden. Der Ausschluss der Beschwerde über § 305 Satz 1 StPO beschränkt sich auf Entscheidungen, die sachlich der noch zu treffenden Sachentscheidung vorangehen, mit dieser also in einem engen inneren Zusammenhang stehen, nur ihrer Vorbereitung dienen und keine weiteren Verfahrenswirkungen beinhalten, sondern nur auf das konkrete Verfahren selbst bezogen sind. Nur Maßnahmen, die eine von der zu treffenden Sachentscheidung nicht umfasste selbständige Beschwer eines Verfahrensbeteiligten bewirken und die insoweit weder bei Erlass der Sachentscheidung noch bei ihrer Anfechtung nachprüfbar sind oder deren prozessuale Bedeutung nicht auf das Verfahren an sich bezogen ist, sondern in eine andere Richtung geht, bleiben isoliert anfechtbar. Der Beschwerde entzogen sind demgemäß alle Entscheidungen, deren Wirkung darauf gerichtet und beschränkt ist, dass sie das Verfahren vorbereiten oder seinen Fortgang und seine Förderung betreffen (vgl. Senat, Beschluss vom 22. Februar 2021 – 2 Ws 8/21 – m.w.N.).

Zwar betrifft § 305 Satz 1 StPO ausdrücklich nur das Erkenntnisverfahren bis zum Erlass des Urteils. Mangels einer gleichlautenden Regelung für das Vollstreckungsverfahren ist die Vorschrift aber insoweit entsprechend anzuwenden. Nach ihrer Zielsetzung ist die analoge Anwendung auch bei in anderen Verfahrensabschnitten zu treffenden Zwischenentscheidungen, die der Vorbereitung einer Sachentscheidung in einem außerhalb der Hauptverhandlung durchgeführten Erkenntnisverfahren dienen, geboten. Bei dem Verfahren über eine Aussetzung oder Fortdauer der Sicherungsverwahrung handelt es sich um ein Erkenntnisverfahren eigener Art, das dem von § 305 StPO erfassten vergleichbar ist. Die in § 305 Satz 1 StPO getroffene Regelung dient der Prozessbeschleunigung und -konzentration und soll verfahrensverzögernde Eingriffe in die Souveränität des erkennenden Gerichts bis zur Urteilsverkündung verhindern.

Die von der gesetzlichen Regelung in § 305 Satz 1 StPO unterstützte Sicherung eines ungehinderten und störungsfreien Verfahrensablaufs und dessen Beschleunigung ist im Vollstreckungsverfahren nach § 454, § 463 StPO zumindest im gleichen Maße angezeigt. Denn die Strafvollstreckungskammer unterliegt bei ihren Entscheidungen einer zeitlichen Bindung und ist gehalten, diese vor Ablauf bestimmter Fristen zu treffen. Die zeitliche Einschränkung würde indessen unterlaufen, wenn einem Verurteilten die Möglichkeit zur Verfügung stünde, den Entscheidungen gemäß § 454, § 462, § 463 StPO vorausgehende und mit diesen in einem inneren Zusammenhang stehende Zwischenanordnungen isoliert anzufechten. Deshalb muss die Strafvollstreckungskammer ihre Aufgabe, alle für die zu treffende Sachentscheidung bedeutsamen Umstände ausreichend zu ermitteln, ohne Eingriff durch eine Rechtsmittelinstanz vornehmen können. Insoweit ist eine im Strafvollstreckungsverfahren getroffene Anordnung auf Einholung eines Sachverständigengutachtens in entsprechender Anwendung des § 305 Satz 1 StPO nicht mit der Beschwerde anfechtbar (st. Rspr.; vgl. Senat a.a.O.; OLG Düsseldorf StraFo 1998, 429; OLG Hamm MDR 1987, 254).“