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Noch einmal zur unzulässigen Abschalteinrichtung, oder: Kühlmittelsolltemperatur-Regelung

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Und dann habe ich noch etwas ganz anderes. Mal wieder unzulässige Abschalteinrichtung und dazu dann das OLG Hamm, Urt. v. 13.9.2023 – 30 U 81/21.

Das ist recht umfangreich. Daher stelle ich nur die Leitsätze ein. Den Rest dann bitte selbst lesen.

Die Leitsätze lauten:

1. Die Kühlmittelsolltemperatur-Regelung stellt eine unzulässige Abschalteinrichtung dar, wegen derer den Fahrzeughersteller in der Regel zumindest eine Schadensersatzhaftung wegen fahrlässigen Verhaltens trifft.
2. Demgegenüber vermag sich dieser nicht mit Erfolg darauf zu berufen, dass entgegen der Annahme des BGH für eine Fahrlässigkeitshaftung im deutschen Recht kein Bedürfnis bestehe, da ausreichende andere Sanktionsmöglichkeiten zur Verfügung stünden.
3. Der Annahme der Unzulässigkeit einer Abschalteinrichtung steht auch nicht entgegen, dass durch ihre Abschaltung zwar die ausgestoßene Stickoxidmenge erhöht, die anderer Emissionen jedoch verringert werde (sog. Trade off). Das europäische Emissionsrecht sieht eine solche Kompensationsmöglichkeit nicht vor. Diesbezüglich ist auch trotz der Vorlage dieser Frage an den Europäischen Gerichtshof durch das LG Duisburg (Beschl. v. 6.6.2023 – 1 O 55/19) eine Aussetzung des Verfahrens nicht geboten.
4. Eine vollständige Vorteilsausgleichung kommt auch bei einem Software-Update, das die unzulässige Abschalteinrichtung vollständig beseitigt, für gewöhnlich nicht in Betracht, sofern der Kläger einen nicht geringen Zeitraum seit dem Erwerb des Fahrzeugs der latenten Gefahr der Stilllegung desselben durch das Kraftfahrt-Bundesamt ausgesetzt war.

Geänderte Kostenentscheidung in der ZPO-Hauptsache, oder: Kostenrückerstattung

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Und dann als zweite Entscheidung ein Beschluss zum Kostenrecht, allerdings ZPO. Daran merkt man, dass mein Gebührenordner ziemlich leer ist 🙂 .

Es handelt sich um den OLG Hamm, Beschl. v. 28.09.2023 – 25 W 234/23.

Gestritten wird nach Urteilserlass in der Hauptsache um die Rückfestsetzung von Kosten, die die Kläger auf der Grundlage eines Beschlusses gemäß § 494a Abs. 2 ZPO im vorangegangenen selbstständigen Beweisverfahren an die jetzige Streithelferin der Beklagten gezahlt haben. Die Kläger des vorliegenden Rechtsstreits hatten die Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens u. a. gegen die hiesige Streithelferin der Beklagten als Antragsgegnerin (010 OH 5/19) beantragt. Im Rahmen des selbstständigen Beweisverfahrens erging am 07.06.2021 nach fruchtlosem Ablauf der vom Gericht antragsgemäß gesetzten Frist zur Klageerhebung ein formell rechtskräftiger Kostenbeschluss nach § 494a Abs. 2 ZPO, auf dessen Grundlage am 07.07.2021 – ebenfalls formell rechtskräftig – ein Kostenfestsetzungsbeschluss zugunsten der jetzigen Streithelferin erlassen wurde. Die Kläger zahlten hierauf einschließlich Zinsen 3.172,62 EUR.

Nach Klageerhebung gegen andere vormalige Antragsgegner, nicht aber gegen die jetzige Streithelferin, trat diese dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten nach deren Streitverkündung vom 11.11.2021 bei. In dem am 08.06.2022 verkündeten Urteil wurden die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens 010 OH 5/19 den Klägern zu 55% und den Beklagten zu 45% auferlegt; außerdem wurde ausgesprochen, dass die Kläger die Kosten der Streithilfe zu 55% tragen und im Übrigen die Streithelferin ihre Kosten selbst trägt.

Die Kläger haben am 26.09.2022 einen Rückfestsetzungsantrag gegenüber der Streithelferin der Beklagten gestellt, und zwar i.H.v. von 45% der aufgrund des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 07.07.2021 gezahlten 3.172,62 EUR, mithin i.H.v. 1.427,68 EUR, nebst Zinsen. Nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung werde von der Kostenentscheidung im Urteil die Kostengrundentscheidung des selbstständigen Beweisverfahrens mit umfasst.

Die Streithelferin ist dem Antrag entgegengetreten. Der Kostenbeschluss nach § 494a ZPO stelle eine Ausnahme vom Grundsatz des Gleichlaufs der Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens und der Kosten des Hauptsacheverfahrens dar. Es handele sich um eine endgültige Kostenentscheidung, die als formell rechtskräftiger Vollstreckungstitel Bindungswirkung entfalte. Im Übrigen bleibe es dabei, dass die Kläger ihr gegenüber die Frist zur Klageerhebung versäumt hätten; sie sei dann später von sich aus dem Rechtsstreit beigetreten.

Der Rechtspfleger hat durch Beschluss den Rückfestsetzungsantrag zurückgewiesen. Die Streithelferin habe nach dem Urteil keine Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens zu tragen, sondern nur die Kosten der Streithilfe.

Gegen diesen Beschluss haben die Kläger sofortige Beschwerde eingelegt. Der Rechtspfleger hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem POLG vorgelegt. Die Kostengrundentscheidung sei durch das Urteil nicht abgeändert worden, so dass die Kläger weiterhin die Kosten der vormaligen Antragsgegnerin zu tragen hätten. Unter die Kosten der Streithilfe habe das Landgericht nur diejenigen im Hauptsacheverfahren gefasst. Die Kostenquotelung laut Urteil bezüglich der Kosten des Rechtsstreits und des selbstständigen Beweisverfahrens gelte nicht für die Streithilfe.

Das OLG hat die zulässige sofortige Beschwerde als begründet angesehen. Dazu hier der Leitsatz:

Ein Kostenbeschluss nach § 494a Abs. 2 ZPO fällt weg, wenn im späteren Hauptsacheverfahren eine davon abweichende Kostengrundentscheidung – auch die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens betreffend – getroffen wird. Die aufgrund des Beschlusses nach § 494a Abs. 2 ZPO festgesetzten und gezahlten Kosten sind bei geänderter Kostengrundentscheidung zurückzuerstatten.

OWi I: Das AG weiß es zweimal besser als das OLG (?), oder: Arbeitsbeschaffungsmaßnahme beim AG Bochum

Smiley

Heute dann mal ein wenig OWi, aber mal etwas außergewöhnliche/besondere Entscheidungen bzw. Verfahren.

Ich beginne mit einer etwas – gelinde ausgedrückt – ungewöhnlichen Geschichte vom AG Bochum, also aus dem OLG-Bezirk Hamm, die mir der Kollege Steffen aus Hattingen mitgeteilt hat. Im Einzelnen:

Anhängig war beim AG Bochum eine Verfahren wegen eines Rotlichtverstoßes. Vorgeworfen wurde der Betroffenen ein einfacher Rotlichtverstoß. Der Verteidiger stellt einen Entbindungsantrag (§ 73 Abs. 2 OWiG) unter Hinweis darauf, dass die Betroffene ihre Fahrereigenschaft einräumt. Mitgeteilt wird außerdem, dass keine weiteren Angaben zur Sache gemacht werden, Angaben zur Person werden aber gemacht.

Der zuständigen Richter hat nicht entbunden. Dagegen wendet sich die Betroffene mit einem Befangenheitsantrag. Der wird mit dem AG Bochum, Beschl. v. 28.10.2022 – 32a OWi-842 Js 147/22 (153/22) und der Begründung abgelehnt, dass die Nichtentbindung weder rechtlich noch tatsächlich zu beanstanden sei. Die Glaubhaftigkeit der Angabe der Betroffenen, Fahrzeugführerin gewesen zu sein, sowie die Gewinnung eines persönlichen Eindrucks zur Bemessung einer angemessenen Geldbuße bei Vorliegen einer Regelgeldbuße im Bußgeldbescheid im Falle einer Verurteilung sei nur durch Anwesenheit der Betroffenen in der Hauptverhandlung zu erreichen und zu prüfen.

In der Hauptverhandlung erscheint die Betroffene nicht. Ihr Einspruch wird verworfen.

Dagegen dann das Rechtsbeschwerdezulassungsantrag, der mit dem  mit Rechtsbeschwerde war dann vor dem OLG Hamm erfolgreich. Das führt im OLG Hamm, Beschl. 08.03.2023 – III – 2 ORbs 22/23 – aus, was zu erwarten war:

„Bleibt der Betroffene trotz ordnungsgemäßer Ladung der Hauptverhandlung fern und wird daraufhin der Einspruch durch Urteil gemäß § 74 Abs. 2 OWiG verworfen, so kann die Einspruchsverwerfung das Recht des Betroffenen auf rechtliches Gehör verletzen, wenn einem rechtzeitig gestellten Antrag auf Entbindung von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen zu Unrecht nicht entsprochen worden ist (zu vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 15.05.2008 — 3 Ss OWi 669/07 —, zitiert nach juris). Das Amtsgericht hätte dem Entbindungsantrag vorliegend stattgeben müssen. Dieser ist wirksam gestellt worden. Nach § 73 Abs. 2 OWiG entbindet das Gericht den Betroffenen auf seinen Antrag von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen, wenn er sich zur Sache geäußert oder erklärt hat, dass er sich in der Hauptverhandlung nicht zur Sache äußern werde und seine Anwesenheit zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhalts nicht erforderlich ist. Die Entbindung ist nicht in das Ermessen des Gerichts gestellt, sondern dieses ist verpflichtet, dem Entbindungsantrag zu entsprechen, wenn feststeht, dass von der Anwesenheit des Betroffenen in der Hauptverhandlung ein Beitrag zur Sachaufklärung nicht erwartet werden kann (zu vgl. Senge in Karlsruher Kommentar zum OWiG, 5. Aufl., § 73 Rn. 24). Eine solche weitere Sachaufklärung war durch die Anwesenheit der Betroffenen nicht mehr zu erwarten. Diese hatte die Fahrereigenschaft eingeräumt. Anhaltspunkte dafür, dass diese sich zu Unrecht selbst bezichtigte, zur Tatzeit gefahren zu sein, bestanden nicht. Zu ihrem Einkommen hatte die Betroffene Angaben gemacht. Soweit die Ablehnung des Entbindungsantrags darüber hinaus noch damit begründet worden ist, dass das Gericht einen persönlichen Eindruck im Hinblick auf die Bußgeldbemessung gewinnen wollte, kann dies allein nicht genügen. Anderenfalls würde der Anspruch auf die Entbindung von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen gemäß § 73 Abs. 2 OWiG entwertet, da eine Ablehnung der Entbindung immer auf diesem Weg begründet werden könnte.“

Man sollte ja meinen, dass es nach diesen wohl gesetzten Worten des OLG gut war, aber: Erstaunlicherweise wiederholte sich das „Spiel“: Neuer Haupverhandlungstermin, Entbindungsantrag, Ablehnung, Verhandlungstermin mit Verwerfung des Einspruchs.

Das Verwerfungsurteil geht dann wieder zum OLG Hamm, das, was nicht verwundert, im OLG Hamm, Beschl. v. 31.08.2023 – 2 ORbs 79/23, das (zweifelhafte) Vergnügen hat, zum zweiten Mal aufzuheben. Die Begründung gleicht der aus dem ersten Beschluss. Zusätzlich führt das OLG aus:

„Soweit die Ablehnung des Entbindungsantrags darüber hinaus noch damit begründet worden ist, dass das Gericht einen persönlichen Eindruck im Hinblick auf die Bußgeldbemessung gewinnen wollte, kann dies allein nicht genügen. Anderenfalls würde der Anspruch auf die Entbindung von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen gemäß § 73 Abs. 2 OWiG entwertet, da eine Ablehnung der Entbindung immer auf diesem Weg begründet werden könnte.“

Und nun? Nun, das OLG hat – was zu erwarten war – beim zweiten Mal an eine andere Abteilung des AG Bochum verwiesen. Inzwischen hat man von dort, weil zwischenzeitlich absolute Verjährung eingetreten ist, angeboten, das Verfahren nach § 47 OWiG einzustellen, allerdings ohne Erstattung der notwendigen Auslagen. Die Betroffene hat sich damit einverstanden erklärt.

Wenn man das sieht/liest, schlägt man die Hände über dem Kopf zusammen und fragt sich, ob man da eigentlich nichts anderes zu tun hat, als das OLG zweimal mit einer aussichtslosen Sache zu beschäftigen. Die vom OLG zu erwartende Entscheidung lag jeweils auf der Hand. Beim ersten Mal kann man es ja vielleicht noch nachvollziehen, obwohl schon ungewöhnlich ist, dass ein Richter am AG diese eingefahrene Rechtsprechung der OLG zum Entbindungsantrag nicht kennen soll. Aber dann beim zweiten Mal? Da wird es dann schon ungewöhnlich. Natürlich haben die OLG-Entscheidungen keine Bindungswirkung, aber es ist schon „keck“ zweimal das OLG mit einer Sache zu befassen und sich dabei beim zweiten Mal über eine gegenteilige Entscheidung des OLG hinweg zu setzen. So nach dem Motto: Was schert mich, was das OLG dazu sagt. Offenbar hat man nichts anderes zu tun. Mir soll noch mal einer mit der Überlastung der Justiz kommen. Die scheint dann doch in manchen Fällen „hausgemacht“ zu sein.

Unfassbar das Ganze.

StPO II: Vortrag bei Abhandenkommen der Sendung, oder: Eigene eidesstattliche Versicherung reicht nicht

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Zu dem vorhin vorgestellten BGH, Beschl. v. 26.09.2023 – 5 StR 350/23 – passt dann ganz gut der OLG Hamm, Beschl. v. 26.09.2023 – 3 Ws 325/23.  Auch in ihm geht es um Wiedereinsetzung. Der Antrag ist als unzulässig verworfen worden.

Dem Verurteilten wurde ein Beschluss ausweislich der Zustellungsurkunde am 28.07.2023 durch Einlegung in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung eingelegt. Der Verteidiger hat mit Schriftsatz vom 21.08.2023 per beA, eingegangen beim LG am selben Tag, sofortige Beschwerde gegen den Beschluss eingelegt und zugleich beantragt, dem Verurteilten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dieser habe erst mit Schreiben der Bewährungshilfe vom 16.08.2023 Kenntnis von dem Beschluss erlangt.

Das OLG hat die Beschwerde verworfen

„1. Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 453 Abs. 2 Satz 3 StPO, § 56f Abs. 1 StGB statthaft, aber nicht innerhalb der Wochenfrist des § 311 Abs. 2 StPO ab Zustellung nach § 35 Abs. 2 StPO eingelegt worden und damit bereits unzulässig. Grundsätzlich begründet die Zustellungsurkunde nach § 418 Abs. 1 ZPO den vollen Beweis, dass der Postzusteller den Brief am 28. Juli 2023 beim Verurteilten in den Briefkasten oder eine ähnliche Vorrichtung eingeworfen hat, sodass die sofortige Beschwerde verspätet beim Landgericht Bielefeld eingegangen ist.

2. Auch ist dem Verurteilten auf seinen Antrag keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Sein Antrag ist unzulässig. Denn es werden keine konkreten Tatsachen behauptet und glaubhaft gemacht, die den Schluss zulassen, dass der Beschluss – entgegen den Angaben in der Postzustellungsurkunde – nicht oder nicht wirksam zugestellt wurde.

Ein Zustellungsempfänger, der ein Schriftstück nicht erhalten haben will, muss in aller Regel Einzelheiten vortragen und glaubhaft machen, aus denen sich ergeben kann, dass aufgrund der konkreten Umstände ein Abhandenkommen der Sendung ohne Verschulden des Verurteilten möglich erscheint (OLG Hamm, Beschluss vom 6. Oktober 2009 – 3 Ss 425/09 -, juris Rn. 8 m.w.N.; OLG Frankfurt, Beschluss vom 14. Januar 2010 – 3 Ws 21/10 -, juris Rn. 13). Der Verurteilte hat hier lediglich zusammengefasst ausgeführt, er habe bis zum 16. August 2023 keine Kenntnis vom dem Beschluss erhalten. Diesen habe er nicht in seinem Briefkasten vorgefunden. Unter der Zustelladresse befänden sich mehrere Briefkästen, die von außen zugänglich seien. Sein Briefkasten sei ordnungsgemäß beschriftet. In der Wohnung herrsche allerdings ein reger Durchlauf an Mietern. Es sei auch schon zu Diebstählen von Post und insbesondere Paketen gekommen. Damit werden allerdings keine konkreten Tatsachen behauptet und glaubhaft gemacht – zum Beispiel durch eidesstattliche Versicherung anderer Mieter -, die es ausnahmsweise zum Beispiel als denkbar erscheinen lassen, dass der Beschluss aus dem Briefkasten entwendet wurde, bevor der Verurteilte von diesem Kenntnis nehmen konnte. Die Ausführungen erschöpfen sich letztlich in angedeuteten Vermutungen ohne konkrete tatsächliche Anhaltspunkte.

Darüber hinaus sind gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 StPO die Tatsachen zur Begründung des Antrags glaubhaft zu machen. Die eigene eidesstattliche Versicherung des Antragstellers ist grundsätzlich kein zulässiges Mittel der Glaubhaftmachung (vgl. nur Cirener in: BeckOK, 48. Edition, Stand: 01.07.2023, § 45 Rn. 11 m.w.N.; OLG Hamm, Beschluss vom 6. Oktober 2009 – 3 Ss 425/09 -, juris Rn. 9). Sie ist wie eine schlichte Erklärung zu werten, die grundsätzlich zur Glaubhaftmachung nicht ausreicht (Cirener a.a.O. m.w.N.; Valerius in: Münchener Kommentar zur StPO, 2. Auflage 2023, § 45 Rn. 12 m.w.N.). Zwar kann ausnahmsweise die eigene Erklärung des Antragstellers dann genügen, wenn ihm eine anderweitige Glaubhaftmachung ohne eigenes Verschulden nicht möglich ist (vgl. hierzu Cirener a.a.O. m.w.N.). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier aber nicht vor, nachdem es bereits an konkretem Vortrag fehlt und ein solcher zum Beispiel durch eidesstattliche Versicherung anderer Mieter oder Ähnliches hätte glaubhaft gemacht werden können.“

OWi II: Es war kein Handy, sondern ein Kühlakku, oder: „etwas unglückliche“ Beweiswürdigungsformulierung

Kühlakku

Und dann als zweite Entscheidung dann der OLG Hamm, Beschl. v. 29.08.2023 – III-5 ORbs 70/23 – zur Beweiswürdigung bei einem Handyverstoß.

Das AG hatte den Betroffenen wegen eines Verstoßes gegen § 23 Abs. 1 StVO verurteilt. Hier das AG Iserlohn, Urt. v. 15.11.2021 – 18 OWi 271/21 -, das ich mit einstelle, da man sonst den OLG Beschluss nicht versteht. Darin führt das AG aus:

„Der Betroffenen hat das Tatgeschehen bestritten. Er hat angegeben, immer Probleme mit seinen Zähnen gehabt zu haben und ein Kühlakku, welches von einem anthrazitfarbenen Handtuch umwickelt war, an seine linke Wange gehalten zu haben. Diesen Kühlakku brachte er zum Hauptverhandlungstermin mit.

Diese Angaben waren nach der durchgeführten Beweisaufnahme und Inaugenscheinnahme des besagten Akkus als Schutzbehauptung widerlegt.

Zum einen konnte schon eine Ähnlichkeit zwischen einem Handy und dem umwickelten Kühlakku nicht festgestellt werden. Die Einlassung des Angeklagten war schon wenig nachvollziehbar und plausibel. Gleichzeitig ist nicht nachvollziehbar weil widersprüchlich, aus welchen Gründen der Betroffene im Rahmen der anschließenden Verkehrskontrolle den einschreitenden Polizeibeamten gar nichts hinsichtlich seines vermeintlich genutzten Kühlakkus erwähnt hat. Erschwerend und mitentscheidend für die mangelnde Glaubhaftigkeit der Einlassung des Betroffenen sind die glaubhaften Angaben der Zeugin pp.. Diese gab an, dass sie sich vage erinnern könne. Sie wisse noch, dass es sich um eine gezielte Verkehrsüberwachung gehandelt habe und sie gefahren sei, der Kollege habe hinten und die Kollegin neben ihr im Fahrzeug gesessen. Sie hätten alle den Verstoß gesehen. Es habe sich 100 %-ig um ein Mobiltelefon gehandelt, keinesfalls um den mitgebrachten Kühlakku oder Ähnliches. Daran erinnere sie sich genau, da der Betroffene das Handy sofort heruntergenommen habe, als er von ihnen —den Zeugen- entdeckt worden sei. Die Angaben sind glaubhaft, weil lebensnah, plausibel und im Wesentlichen widerspruchsfrei. Es bestehen weder Zweifel an der Wahrnehmungsfähigkeit noch an der Wahrnehmungsbereitschaft der Zeugin. Insbesondere hat die Zeugin den Betroffenen nicht übermäßig belastet und hat auch eingeräumt, dass sie sich an die zeitliche Abfolge, wie lange sie n.eben dem Betroffen hergefahren seien, nicht genau erinnern könne. Auch ist keinerlei Motivation einer Falschbelastung auf Seiten der Zeugin erkennbar. Maßgeblich für die Glaubhaftigkeit der Angaben der Zeugin war, dass diese das Geschehen in sich konstant wiedergegeben hat. Die Angaben standen auch nicht im Widerspruch zu den Bekundungen des Zeugen pp. Der Zeuge gab sofort an, sich nicht mehr genau an das Tatgeschehen erinnern zu können. Ob er oder seine Kollegin gefahren sei, wisse er nicht mehr genau. Er konnte sich lediglich an die Verkehrsüberwachung erinnern und daran, dass der Betroffene im Gespräch angegeben habe: „Eine Sauerei, dass aus einem Zivilfahrzeug heraus kontrolliert wird!“ Insoweit wertet das Gericht die Angaben des Betroffenen lediglich als reine Schutzbehauptung.

Dagegen die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, die das OLG verworfen hat, und zwar mit folgendem Zusatz:

„Die Erwägungen in dem Schriftsatz des Verteidigers vom 25.08.2023 rechtfertigen keine andere Entscheidung.

Zwar ist die Formulierung des Tatgerichts in der Beweiswürdigung betreffend das Verhalten des Betroffenen im Rahmen der Verkehrskontrolle (vgl. UA S. 3) etwas unglücklich. Gleichwohl lässt sich daraus nicht der Schluss ziehen, das Amtsgericht habe das Schweigerecht des Betroffenen bzw. den Grundsatz „nemo tenetur se ipsum accusare“ verletzt. Zum einen kann auch der Zeitpunkt, zu dem sich ein Betroffener zur Sache einlässt, ein Umstand sein, der im Rahmen der Gesamtwürdigung die Glaubhaftigkeit der Einlassung beeinflussen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 22.02.2001 — 3 StR 580/00 = BeckRS 2001, 30163532, beck-online). Zum anderen hat der Betroffene ausweislich der Urteilsgründe gar nicht vollständig von seinem Schweigerecht Gebrauch gemacht, sondern geäußert, es sei eine Sauerei, dass aus einem Zivilfahrzeug heraus kontrolliert werde (vgl. UA S. 4). Darüber hinaus ist die tragende Erwägung im Rahmen der — nur eingeschränkt überprüfbaren — Beweiswürdigung des Tatgerichts die Aussage der Zeugin.“

Als ich die Einlassung gelesen habe, musste ich mich an meine Fortbildungen im Verkehrsrecht erinnern 🙂 . Lang, lang ist es her, aber wird offenbar immer noch gern genommen die Einlassung. 🙂 .