StGB I: Ein wuchtiger Fausthieb in das obere Gesicht, oder: Eine das Leben gefährdende Behandlung

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Und heute dann drei StGB-Entscheidung.

Den Opener mache ich hier mit dem BGH, Urt. v. 25.01.2024 – 3 StR 157/23 -, das sich mal wieder zum Vorliegen eine gefährlichen Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung gemäß § 223 Abs. 1, § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB bei einem wuchtigen Faustschlag auf den Kopf äußert.

Es geht darum, dass der Angeklagte dem Nebenkläger bei einem Streit einen derart wuchtigen Fausthieb in die rechte obere Gesichtshälfte versetzt hat, dass dieser sofort und auf der Stelle bewusstlos zusammenbrach. Durch den Faustschlag erlitt der Nebenkläger mehrfache Knochenbrüche im Gesicht. Wegen der Befürchtung einer Hirnblutung wurde er intensivmedizinisch versorgt. Zudem musste er wiederholt operiert werden. Er trug Dauerschäden am rechten Auge davon, aufgrund derer er nicht mehr in der Lage ist, Abstände zutreffend einzuschätzen. Deshalb darf er in seinem – bislang ausgeübten – Beruf als Straßenbauer keine Maschinen mehr bedienen. Zudem leidet er unter Taubheitsgefühlen in der rechten Gesichtshälfte.

Das LG hat diese Tat (nur) als (vorsätzliche) Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1 StGB  gewertet. Dagegen die Revisionen von Staatsanwaltschaft und Nebenkläger, die Erfolg hatte. Der BGh führt in dem umfangreich begründeten Urteil, in dem er auch noch zu anderen Fragen Stellung genommen hat, zu diesem Angriff aus:

„Jedoch hat die Strafkammer hinsichtlich des wuchtigen Fausthiebes in die rechte obere Gesichtshälfte des Nebenklägers rechtsfehlerhaft lediglich eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen „einfacher“ (vorsätzlicher) Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1 StGB angenommen. Wie die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers zutreffend rügen, hat das Landgericht eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung gemäß § 223 Abs. 1, § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB nicht tragfähig verneint.

aa) Eine gefährliche Körperverletzung im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB erfordert nicht, dass das Opfer tatsächlich in Lebensgefahr gerät; jedoch muss die Einwirkung durch den Täter nach den Umständen generell geeignet sein, das Leben des Opfers zu gefährden. Maßgeblich ist danach die Schädlichkeit der Einwirkung auf den Körper des Opfers im konkreten Einzelfall (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. Dezember 2022 – 2 StR 267/22, juris Rn. 9; vom 24. März 2020 – 4 StR 646/19, NStZ 2021, 107 Rn. 6 mwN; Urteil vom 31. Juli 2013 – 2 StR 38/13, NStZ-RR 2013, 342; Beschluss vom 16. Januar 2013 – 2 StR 520/12, NStZ 2013, 345; MüKoStGB/Hardtung, 4. Aufl., § 224 Rn. 42; Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben, StGB, 30. Aufl., § 224 Rn. 12). Um die gegenüber der „einfachen“ Körperverletzung höhere Strafandrohung begründen zu können, kommt es maßgebend auf die Gefährlichkeit der Tathandlung, nicht aber auf die eingetretenen Verletzungen an.

Heftige Schläge gegen den Kopf des Opfers können eine das Leben gefährdende Behandlung sein, wenn sie nach der Art der Ausführung der Verletzungshandlungen im Einzelfall zu lebensgefährlichen Verletzungen führen können (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. Dezember 2022 – 2 StR 267/22, juris Rn. 9; vom 7. Oktober 2021 – 6 StR 393/21, juris; Urteile vom 22. Januar 2015 – 3 StR 301/14, juris Rn. 6; vom 31. Juli 2013 – 2 StR 38/13, NStZ-RR 2013, 342; Beschlüsse vom 16. Januar 2013 – 2 StR 520/12, NStZ 2013, 345, 346; vom 11. Juli 2012 – 2 StR 60/12, BGHR StGB § 224 Abs. 1 Nr. 2 Werkzeug 8; Urteil vom 6. Juni 2007 – 2 StR 105/07, juris Rn. 5; Beschluss vom 23. Juli 2004 – 2 StR 101/04, NStZ 2005, 156 Rn. 4; Urteile vom 8. März 1990 – 2 StR 615/89, BGHR StGB § 223a Abs. 1 Lebensgefährdung; vom 23. Juni 1964 – 5 StR 182/64, BGHSt 19, 352; MüKoStGB/Hardtung, 4. Aufl., § 224 Rn. 45). Dies gilt selbst für Schläge mit der bloßen Hand in das Gesicht oder gegen den Kopf, sofern Umstände in der Tatausführung oder individuelle Besonderheiten beim Opfer vorliegen, die das Gefahrenpotential der Handlung im Vergleich zu einer „einfachen” Körperverletzung deutlich erhöhen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. Dezember 2022 – 2 StR 267/22, juris Rn. 11; vom 16. Januar 2013 – 2 StR 520/12, NStZ 2013, 345, 346). Insbesondere gilt dies für kräftige Fausthiebe gegen den Kopf, namentlich gegen die Schläfenregion (vgl. BGH, Urteil vom 31. Juli 2013 – 2 StR 38/13, NStZ-RR 2013, 342; Beschlüsse vom 20. Februar 2013 – 1 StR 585/12, BGHSt 58, 140 Rn. 18; vom 20. Juli 2010 – 5 StR 255/10, juris).

bb) Zwar hat die Strafkammer im Ausgangspunkt erkannt, dass Schläge mit der Faust gegen den Kopf im Einzelfall eine das Leben gefährdende Behandlung sein können. Zu Unrecht hat sie indes angenommen, die Beweisaufnahme habe hierfür keine Anhaltspunkte ergeben. Mit dieser Wertung hat das Landgericht das Ergebnis der Beweiserhebung nicht ausgeschöpft; in dieser Hinsicht ist die Würdigung der im Urteil dargelegten Beweisergebnisse lückenhaft. Die Urteilsgründe führen insofern lediglich an, zu einer zunächst befürchteten Hirnblutung beim Nebenkläger sei es nicht gekommen. Aus den Verletzungen lasse sich mithin ein erhöhtes Gefahrenpotential des Faustschlages nicht ableiten. Damit hat die Strafkammer den Blick zu Unrecht lediglich auf das Ausbleiben einer tatsächlich lebensbedrohlichen Hirnblutung gerichtet. Sie hat jedenfalls nicht hinreichend berücksichtigt, dass es für die rechtliche Einordnung einer Körperverletzungshandlung als eine das Leben gefährdende Behandlung nicht auf den eingetretenen Verletzungserfolg, sondern auf die grundsätzliche Geeignetheit der Tathandlung ankommt, im konkreten Fall lebensbedrohliche Verletzungen des Opfers zu bewirken. Deshalb hätte die Strafkammer in ihre Erwägungen einbeziehen müssen, dass der Nebenkläger aufgrund eines einzigen Fausthiebes in das Gesicht – und zwar zumindest in Nähe der rechten Schläfe – sogleich bewusstlos wurde und auf der Stelle zu Boden fiel. Dies deutet auf einen mit außergewöhnlich großer Kraft geführten Schlag hin. Ausweislich der Feststellungen der durch einen rechtsmedizinischen Sachverständigen beratenen Strafkammer kann ein derart wuchtiger Fausthieb ohne Weiteres Hirnblutungen und damit eine akut lebensbedrohliche Verletzung bewirken, weshalb das Tatopfer wegen der konkreten Befürchtung einer solchen Tatfolge, also wegen der Besorgnis akuter Lebensgefahr, zunächst intensivmedizinisch behandelt wurde. Die Strafkammer hat zudem die außerordentlich massiven weiteren Verletzungen des Nebenklägers nicht in den Blick genommen. Dieser erlitt durch den Faustschlag Brüche des Kiefers, des Jochbeins und des Nasenbeins. Er musste operiert werden, wobei ihm mehrere Metallplatten in den Kopf eingesetzt wurden. Über Monate konnte er keine feste Nahrung zu sich nehmen. Auch wenn diese schweren Verletzungen für sich genommen nicht lebensbedrohlich waren, so hätte doch ihre Indizwirkung für die Massivität der Einwirkung und damit deren generelle Eignung zur Lebensgefährdung berücksichtigt werden müssen. Hinzu kommt, dass der Nebenkläger aufgrund des Fausthiebes und der dadurch verursachten sofortigen Bewusstlosigkeit ungeschützt – nach einer Zeugenaussage „wie ein Baumstamm“ – zu Boden fiel und auf das Straßenpflaster aufschlug. Insofern wäre zu erwägen gewesen, ob das Tatgeschehen das Risiko in sich barg, dass der Nebenkläger sturzbedingt konkret lebensbedrohliche Verletzungen hätte erleiden können.

cc) Eine Schuldspruchänderung durch den Senat dahin, dass der Angeklagte aufgrund der Tat zum Nachteil des Nebenklägers der gefährlichen Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1, § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB schuldig ist, kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die Strafkammer keine Feststellungen zum diesbezüglichen Vorstellungsbild des Angeklagten und damit zum Vorsatz hinsichtlich des Qualifikationsmerkmals einer das Leben gefährdenden Behandlung im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB (vgl. insofern BGH, Beschlüsse vom 15. Februar 2023 – 4 StR 300/22, NStZ-RR 2023, 177; vom 20. Dezember 2022 – 2 StR 267/22, juris Rn. 15) getroffen hat.“

Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Nach welchem Gebührenrahmen, LG oder SchwG, kann ich abrechnen?

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Am vergangenen Freitag hatte ich üner: Ich habe da mal eine Frage: Nach welchem Gebührenrahmen, LG oder SchwG, kann ich abrechnen?, berichtet.

Hier meine Antwort, die auch einige andere Kollegen gegeben hatten, nachdem der Sachverhalt „nachgebessert“ war:

„Die Frage verstehe ich nicht und auch die Antwort des Kollegen nicht, die Sie im Ohr haben.

Es kann doch nach dem Wortlaut der Nr. 4118 VV RVG nur darum gehen, ob beim Schwurgericht verhandelt worden ist oder bei einer Strafkammer nach den §§ 74a, 74c GVG. Angeklagt war nach §§ 223, 224 StGB. Dann ist doch im Zweifel zur normalen großen Strafkammer vorgelegt worden oder ergibt sich aus dem Vorlagebeschluss, den Sie ja nun sicherlich auch gelesen haben, etwas anderes? Wahrscheinlich nicht.

Die Frage des Sicherungsverfahrens spielt insoweit keine Rolle. Sie spielt nur dann eine Rolle, wenn das Schwurgericht ggf. im Sicherungsverfahren verhandelt hat, weil man dann fragen könnte, ob das dann die Nrn. 4118 ff. RVG ausschließt?. Die Frage stellen heißt aber, sie verneinen.

Mir erschließt sich nicht, woraus der Kollege, dessen „Antwort Sie im Ohr haben“, aus dem Umstand: „normales“ Sicherungsverfahren schließt, dass dann Gebühren nach den Nrn. 4118 ff. RVG entstehen.“

Urteil II: Überschreitung der Urteilsabsetzungsfrist, oder: Welche „Nachfrist“ in einer Haftsache?

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Und die zweite „Urteilsentscheidung“ behandelt auch einen Dauerbrenner, nämlich die Urteilsabsetzungsfrist (§ 275 Abs. 1 S. 4 StPO). Allerdings geht es im dem OLG Celle, Beschl. v.  20.02.204 – 2 ORs 1/24 – um eine Abwandlung, nämlich um die Frage: Wie lange darf es nach Wegfall des eine Überschreitung der Urteilsabsetzungsfrist rechtfertigenden Umstandes dauern, bis das Urteil zur Akte gebracht ist.

Dazu führt das OLG aus:

“ ….. Die erhobene Verfahrensrüge gemäß § 338 Nr. 7 StPO führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Hannover.

1.Wird die Überschreitung der Urteilsabsetzungsfrist gerügt, muss in tatsächlicher Hinsicht vorgetragen werden, dass das unterschriebene Urteil nicht innerhalb der Frist zur Akte gelangt ist. Dabei sind alle Tatsachen darzulegen, die eine sichere Berechnung der sich aus § 275 Abs. 1 StPO ergebenden Frist ermöglichen. Das Datum des Urteilseingangs ist anzugeben (vgl. Senat, Beschluss vom 01.03.2023 – 2 ORs 10/23 -). Diesen Anforderungen wird die erhobene Verfahrensrüge gerecht.

…..

Die Verfahrensrüge stellt darauf ab, dass das Urteil bereits am 02.11.2023 hätte abgesetzt werden müssen und die dienstliche Erklärung keine Angaben dazu enthalte, was dem entgegengestanden habe. Zudem verweist sie auf den Beschleunigungsgrundsatz in Haftsachen.

Der Senat hat im Freibeweisverfahren eine ergänzende dienstliche Stellungnahme des Vorsitzenden eingeholt. Diese Stellungnahme lag dem Senat am 14.02.2024 vor.

2. Die in zulässiger Weise erhobene Rüge der Überschreitung der Urteilsabsetzungsfrist (§ 338 Nr. 7, § 275 Abs. 1 Satz 2 und 4 StPO) greift durch.

Das Urteil wurde am 01.09.2023, dem 5. Hauptverhandlungstag, verkündet, so dass es gemäß § 275 Abs. 1 S. 2, 2. Halbsatz StPO spätestens am 20.10.2023 zu den Akten zu bringen gewesen wäre. Am 01.10.2023 verunfallte der Vorsitzende. Er war deshalb bis einschließlich 30.10.2023 dienstunfähig erkrankt. Nach dem Feiertag am 31.10.2023 (Reformationstag) nahm er am 01.11.2023 seinen Dienst wieder auf. Am 07.11.2023 legte er das Urteil in Diktatform nieder. Am 16.11.2023 ging das vollständig geschriebene und vom Vorsitzenden unterzeichnete Urteil bei der Geschäftsstelle ein.

Nach § 275 Abs. 1 S. 4 StPO darf die Frist nur überschritten werden, wenn und solange das Gericht durch einen im Einzelfall nicht voraussehbaren unabwendbaren Umstand an ihrer Einhaltung gehindert worden ist. Der Unfall des Vorsitzenden am 01.10.2023 und seine daraus folgende Dienstunfähigkeit bis zum 30.10.2023 einschließlich stellen zwar einen solchen nicht voraussehbaren unabwendbaren Umstand dar, der mithin eine Fristüberschreitung gemäß § 275 Abs. 1 S. 4 StPO rechtfertigte. Jedoch hätte das Urteil nicht erst am 16.11.2023 zu den Akten gelangen dürfen.

Das Urteil ist nicht bereits am 07.11.2023 im Sinne von § 275 Abs. 1 S. 2 StPO zu den Akten gebracht worden. An diesem Tag hat der Vorsitzende das Urteil vielmehr nur „in Diktatform niedergelegt“. Das auf einen Tonträger diktierte Diktat genügt aber nicht. Vielmehr muss das zu den Akten gebrachte Urteil in Schriftform vorliegen und von allen Berufsrichtern unterzeichnet sein (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Auflage, § 275 Rn. 3 m. w. N.). Das war nach der vom Senat eingeholten dienstlichen Stellungnahme des Vorsitzenden vom 14.02.2024 erst am 16.11.2023 der Fall. Am Morgen dieses Tages hat er gegen 9:30 Uhr das von ihm unterschriebene Urteil persönlich auf die Geschäftsstelle gebracht.

Nach Wegfall des Hindernisses muss das Urteil mit größtmöglicher Beschleunigung zu den Akten gebracht werden (vgl. BGH NStZ, 1982, 519; StV 1995, 514). Nach dieser Rechtsprechung des BGH sind insoweit Verzögerungen von vier Arbeitstagen nicht  mehr zu rechtfertigen. Im vorliegenden Fall waren es von der Wiederaufnahme der Dienstgeschäfte des Vorsitzenden am 01.11.2023 bis zum Eingang des unterschriebenen Urteils auf der Geschäftsstelle am 16.11.2023 zwölf Arbeitstage (16 Kalendertage). Im Hinblick darauf, dass auf der einen Seite die Hauptverhandlung fünf Tage in Anspruch nahm, der Angeklagte jede Tatbeteiligung bestritt, eine umfassende Beweiswürdigung unter Auswertung auch eines Sachverständigengutachtens vorzunehmen war und das fertige Urteil 19 Seiten füllt, auf der anderen Seite der Vorsitzende seiner dienstlichen Stellungnahme vom 14.02.2024 zufolge nur mit einem Arbeitskraftanteil von 0,5 eingesetzt ist, nach Wiederaufnahme seiner Tätigkeit am 01.11.2023 und Durchsicht sämtlicher aufgelaufener von insgesamt 37 in der Kammer anhängigen Sachen die vorrangig zu bearbeitenden Verfahren gesichtet und sodann unverzüglich mit der Bearbeitung der vorliegenden Sache begonnen, eine auf den 06.11.2023 terminierte Hauptverhandlung aufgehoben und zudem trotz seiner halben Stelle das Urteil am 07.11.2023 ganztägig zu Ende diktiert sowie unter „Eilt sehr! Haft!“ persönlich zur Geschäftsstelle gebracht hat, wo es um 16:53 Uhr zur weiteren Bearbeitung durch die Phonokanzlei ins Netz gestellt wurde, erscheinen die vom Vorsitzenden für das vollständige Diktieren des Urteils insgesamt benötigten fünf Arbeitstage (sieben Kalendertage) nicht als unangemessen lang.

Unangemessen lang war hingegen die Zeit von sieben weiteren Arbeitstagen (neun Kalendertagen) vom Eingang des Diktats auf der Geschäftsstelle am 07.11.2023 bis zum Eingang des unterschriebenen Urteils dort am 16.11.2023. Die dienstliche Stellungnahme des Vorsitzenden vom 14.02.2024 führt dazu aus, dass die zuständige Justizangestellte der Phonokanzlei, die auf 5-Stunden-Basis täglich beschäftigt sei, sowohl für den Straf- als auch für den Zivilbereich zu schreiben habe und zusätzlich eine seit Oktober 2023 erkrankte Kollegin vertreten müsse, das Schreiben des Diktats nach ihrer Erinnerung entweder am 08.11.2023, eher aber am 09.11.2023 begonnen und ihm das geschriebene Diktat am 13.11.2023 zugeleitet habe. Er habe den Urteilsentwurf am Morgen des 14.11.2023 auf seinem Schreibtisch vorgefunden und neben der Sitzungsvorbereitung für die auf den 16.11.2023 angesetzte Hauptverhandlung mit Fortsetzungstermin am 20.11.2023 unverzüglich weiterbearbeitet.

Angesichts des Urteilsumfangs von 19 Seiten war sowohl die Verweildauer des Diktats von vier Arbeitstagen (sechs Kalendertagen) bei der Phonokanzlei, als auch die Verweildauer beim Vorsitzenden von drei weiteren Arbeitstagen zu lang. Da Strafsachen stets Zivilsachen vorgehen und nicht ersichtlich ist, dass die zuständige Kanzleikraft am 08.11.2023 Diktate in vorrangigen Strafsachen zu schreiben hatte, hätte sie die vorliegende, als solche gekennzeichnete Haftsache gleich am 08.11.2023 bearbeiten müssen und hätte das Schreiben des 19-seitigen Urteils auch gut im Rahmen ihrer fünfstündigen Arbeitszeit an diesem Tag bewältigen können, so dass der Entwurf dem Vorsitzenden bereits am nächsten Tag (09.11.2023) hätte wieder vorliegen können. Auch dieser hätte den Entwurf noch am Tag des Vorfindens auf seinem Schreibtisch (14.11.2023) sowie – im Hinblick auf seine halbe Stelle auch noch – am Folgetag (15.11.2023) korrekturlesen, fertigstellen, unterschreiben und zu den Akten bringen müssen, anstatt dies wegen der parallelen Vorbereitung auf eine nicht vorrangige neue Hauptverhandlung am 16.11.2023, die er vielmehr – wie zuvor schon die Sitzung vom 06.11.2023 – hätte aufheben müssen, um einen weiteren Tag (bis zum Morgen des 16.11.2023) zu verschieben. Dann wären es von der Wiederaufnahme der Dienstgeschäfte des Vorsitzenden bis zum Eingang des unterschriebenen Urteils auf der Geschäftsstelle insgesamt nur acht statt zwölf Arbeitstage (zehn statt 16 Kalendertage) gewesen. Die Vorbereitung einer Nichthaftsache hat gegenüber der raschen Absetzung eines überfälligen Urteils zurückzutreten (KG StV 2016, 798).

Der Umstand, dass drei der insgesamt vier und damit der Großteil der zu viel benötigten Arbeitstage nicht vom Vorsitzenden selbst, sondern von der gleichzeitig mit Straf- und Zivilsachen sowie einer Krankheitsvertretung belasteten Teilzeitkraft der Phonokanzlei verursacht wurden, vermag nicht zu einer anderen Würdigung führen, weil es sich um Umstände handelt, die die Organisation des Gerichts betreffen, und solche Umstände in der Regel schon eine Fristüberschreitung nicht zu rechtfertigen vermögen (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, a. a. O., § 275 Rn. 14 m. w. N.), was dann erst recht für die Zeit nach Wegfall des Hindernisses gelten muss. Auch aus Sinn und Zweck der Vorschrift lässt sich nichts Anderes ableiten. Die Urteilsabsetzungsfrist, die das Beschleunigungsgebot konkretisiert, soll verhüten, dass ein längeres Hinausschieben der Urteilsabfassung die Zuverlässigkeit der Erinnerung der erkennenden Richter beeinträchtigt und zu einer Darstellung der Sach- und Rechtslage in den Urteilsgründen führt, bei der nicht mehr gesichert ist, dass sie der das Urteil tragenden Ansicht der Richter bei der Beratung entspricht (vgl. Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Auflage, § 275 Rn. 2 m. w. N.). Dieser Gesetzeszweck ist auch dann verletzt, wenn zwischen dem vollständigen Diktieren des Urteils und der abschließenden Unterschrift unangemessen viel Zeit verstreicht. Das gilt im vorliegenden Fall umso mehr, als zusätzlich das besondere Beschleunigungsgebot in Haftsachen zu beachten war.

Die unangemessen lange Zeit zwischen dem Fertigstellen des Diktats und dem Eingang des Urteils auf der Geschäftsstelle von sieben Arbeitstagen kann im vorliegenden Fall schließlich auch nicht dadurch als kompensiert angesehen werden, dass der Vorsitzende etwa das Urteil mit überobligatorischer Beschleunigung vollständig diktiert hätte. Letzteres gilt zwar für den 07.11.2023 selbst, als der Vorsitzende das Urteil trotz seines Arbeitskraftanteils von nur 0,5 ganztägig zu Ende diktiert hat, genügt aber nicht, um die insgesamt vier zu viel benötigten Arbeitstage zu kompensieren.“

Urteil I: Erneut: „es fehlt die Unterschrift der Richter“, oder: Der BGH erklärt es noch einmal…

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Und dann auf in die 12 KW./2024, und zwar mit zwei Entscheidungen, die sich mit Entscheidungen – Beschlüssen und Urteilen – befassen.

Die erste Entscheidung kommt vom BGH; es handelt sich um den BGH, Beschl. v. 20.02.2024 – 3 StR 428/23. Der behandelt die Anhörungsrüge des Verurteilten gegen einen Beschluss des Senats und den Rechtsbehelf gegen die darin getroffene Kostenentscheidung werden verworfen. Da die Ausführungen des BGH – zumindest teilweise – auch auf Urteile passen, läuft der Beitrag unter dem Stichwort: „Urteil“.

Der 3. Strafsenat hatte die Revision des Verurteilten gegen ein Urteil des LG Koblenz mit Beschluss vom 09.01.2024 gemäß § 349 Abs. 2 StPO verworfen und ihm die Kosten des Rechtsmittels auferlegt. Mit Schreiben vom 23.01.2024 hat der Verurteilte beantragt, „alle Beschlüsse, die meine grundsätzliche geschützte Freiheit einschränken(,) aufzuheben“. Der Senat habe ihm weder in angemessenem Umfang rechtliches Gehör gewährt noch den Beschluss korrekt unterschrieben. Mit weiterem Schreiben vom 31.01.2024 hat der Verurteilte sein Begehr dahin präzisiert, seine „Beschwerde vom 23.01.2024“ umfasse auch die Entscheidung über die Kosten für das Revisionsverfahren.

Der BGH hat das als Anhörungsrüge gewertet und das Vorbringen zurückgewiesen:

„2. Das erste Schreiben des Verurteilten ist als Anhörungsrüge (§§ 300, 356a StPO) auszulegen. Diese ist zulässig, jedoch unbegründet, weil der Anspruch des Verurteilten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) nicht verletzt ist. Der Senat hat zu berücksichtigendes entscheidungserhebliches Vorbringen des Verurteilten im Revisionsverfahren nicht übergangen. Ebenso wenig hat er Verfahrensstoff verwertet, zu dem der Verurteilte nicht gehört worden ist, oder in sonstiger Weise dessen Anspruch auf rechtliches Gehör missachtet. Sollte der Verurteilte eine Auseinandersetzung mit bestimmtem Revisionsvorbringen vermissen, kann daraus nicht auf einen Verstoß gegen den Grundsatz rechtlichen Gehörs geschlossen werden, weil § 349 Abs. 2 StPO eine Begründung des die Revision verwerfenden Beschlusses nicht vorsieht. Auch verfassungsrechtlich ist eine solche bei letztinstanzlichen Entscheidungen grundsätzlich nicht erforderlich (s. BVerfG, Beschluss vom 30. September 2022 – 2 BvR 2222/21, NJW 2022, 3413 Rn. 27 mwN; BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2021 – 3 StR 170/21, juris Rn. 3).

Soweit der Verurteilte bemängelt, dass der ihm übersandte Beschluss lediglich von einer Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle unterzeichnet ist, gilt:

Die von den Richtern unterschriebenen Originale von Urteilen und Beschlüssen verbleiben bei den Akten. An die Verfahrensbeteiligten werden sogenannte Ausfertigungen herausgegeben. Das sind Abschriften oder Ablichtungen des Originals mit dem Ausfertigungsvermerk der Geschäftsstelle, der von einem Urkundsbeamten unterschrieben und mit einem Dienstsiegel versehen wird (§ 169 Abs. 2 ZPO). Nach diesen Vorgaben ist auch im vorliegenden Fall verfahren worden.

3. Die vom Verurteilten jedenfalls mit dem zweiten Schreiben zum Ausdruck gebrachte Beanstandung der Kostenentscheidung im Revisionsverfahren bleibt ebenfalls erfolglos.

a) Als (sofortige) „Beschwerde“ gegen den Kostenausspruch (vgl. § 464 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 StPO) verstanden, wäre sie unzulässig. Denn Entscheidungen eines Senats des Bundesgerichtshofs sind nach § 304 Abs. 4 Satz 1 StPO generell nicht beschwerdefähig.

b) Sofern die Schreiben des Verurteilten gemäß § 300 StPO als Gegenvorstellung auszulegen sein sollten, wäre eine solche jedenfalls unbegründet, weil die Kostenentscheidung im Beschluss des Senats vom 9. Januar 2024 der Sach- und Rechtslage entspricht. Deshalb kann dahinstehen, unter welchen Umständen eine Gegenvorstellung zulässig ist, mit der ein Revisionsführer beanstandet, das Revisionsgericht habe ihm zu Unrecht Kosten oder Auslagen auferlegt (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Juli 2022 – 3 StR 452/20, juris Rn. 6 mwN).“

Ich bitte an alle „Unterzeichnungskritiker“, also alle diejenigen, die immer wieder beanstanden, dass die ihnen zugestellte/übersandte Ausfertigung einer Entscheidung – hier war ein Beschluss, häufig sind es Urteile – nicht unterschrieben ist, die oben – entgegen der sonstigen Übung auch fett formatierte – Passage zu lesen und endlich mit den immer wieder kehrenden Angriffen: „Das Urteil ist nicht unterschrieben, also ist es nicht in der Welt“, aufzuhören. Die Ausfertigungen, die die Partei erhält, ist/wird nicht unterschrieben. Unterschrieben wird das Original, das in der Akte bleibt. Und um einem Einwand vorzubeugen: Ja, das Rechtsmittelgericht, prüft das Urteil/den Beschluss, ob er im Original unterschrieben ist, und zwar von Amts wegen. Davon kann man ausgehen.

Zur Info: Für Kommentare zu diesem Beitrag gilt: Ich habe die Kommentarfunktion offen gelassen. Sollten es allerdings zu viele und zu heftige Kommentare werden, wird sie geschlossen. Und ja, auch wenn das dem ein oder anderen nicht gefällt: was „zu viel“ und „zu heftig“ ist, bestimme ich, da es mein Blog ist. Das kann man nicht gut finden, ist aber so.

Sonntagswitz, zum Weltschlaftag zum/mit/um Schlafen

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Ich bin ja für den Sonntagswitz immer auf der Suche nach kuriosen Aktionstagen pp. Und da bon ich für heute fündig geworden. Denn es wird in jedem Jahr am 3. Freitag im März der Weltschlaftag „gefeiert“. Und das war gerade der vergangene Freitag. Das Bedeutet: Heute gibt es Witze zum/mit/über das „Schlafen“.

Sie: „Schatz, ich kann nicht schlafen!“

Er: „Das Böse schläft nie!“


„Ich schlafe abends sehr schlecht ein.“

„Kenne ich. Ich zähle dann immer bis drei.“

„Ach, und das hilft?“

„Na ja, manchmal zähle ich auch bis halb vier …“


Ein Schüler schläft im Unterricht.

Der Lehrer weckt ihn: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass das der richtige Platz zum Schlafen ist!“.

Darauf der Schüler: „Ach, es geht schon. Sie müssen nur leiser sprechen!“


Sagt der Lehrer:

„Wenn die Herrschaften in der dritten Reihe etwas leiser sein würden so wie die Comicleser in der mittleren Reihe, dann könnten die Schüler in der ersten Reihe ungestört weiterschlafen!“


„Donnerwetter“, entfuhr es dem Chef, als er den schlafenden neuen Kollegen sah, „der hat sich aber schnell bei uns eingearbeitet.“