Archiv für den Monat: März 2017

Ich habe da mal eine Frage: Gibt es gegen die Nichtzulassung noch ein Rechtsmittel?

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Ziemlich frisch ist die Frage, die ich hier heute mal „weiterleite“. Sie ist erst im Laufe dieser Woche gestellt worden, und zwar wie folgt:

„Guten Tag Herr Kollege Burhoff,

ich wende mich mal wieder an Sie als „letzte Instanz“, in der Hoffnung, Sie haben noch einen Tipp abzugeben.

Wir wehren uns hier – wie es einige andere Kollegen auch tun oder getan haben – gegen die Erhebung der AVP bei Versendung der Akten vom Gericht über Servicedienstleister, die wir als Anwälte ja teuer bezahlen.

Wir sind nun beim LG angekommen. Die Strafkammer hat die Beschwerde als unbegründet verworfen und die weitere Beschwerde nach 66 IV GKG nicht zugelassen, „ da die Sache keine grundsätzliche Bedeutung mehr hat, da bereits zahlreiche obergerichtliche Entscheidungen zur hiesigen Thematik vorliegen“. Mit letzterem hat die Kammer ja recht, aber es gibt ja auch Entscheidungen, die besagen, dass die AVP nicht erhoben werden darf, bzw. wo das LG die weitere Beschwerde zugelassen hat z.b. LG Saarbrücken 2 Qs 27/15. Sie haben selbst darüber im Blog geschrieben.

Langer Rede kurzer Sinn: Habe ich irgendeine Möglichkeit gegen die Nichtzulassung der weiteren Beschwerde etwas zu unternehmen? Ich finde nichts – außer die Möglichkeit zum BVerfG zu rennen – und bin ratlos.“

Das mit der „letzten Instanz“ fand ich schön 🙂 .

Auslagenpauchale und AVP bei der Beratungshilfe, oder: Was Bezirksrevisoren meinen, ist nicht Gesetz

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Viel Lärm um Nichts? Nun ja. Nicht um Nichts, aber um wenig. Aber auch Kleinvieh macht eben Mist. Und das gilt eben gerade auch im Rahmen der Beratungshilfe, wo dem Rechtsanwalt/Verteidiger nun ja nicht gerade besonders hohe Gebühren zustehen. Und dann soll er noch auf eine Auslagenpauschale Nr. 7000 VV RVG und auch die Erstattung der Kosten der Aktenversendung verzichten müssen. Das meinten jedenfalls Bezirksrevisor und ihm folgend die Rechtspflegerin in einem Verfahren. Anders dann das AG Germersheim auf die Erinnerung. Das hat im AG Germersheim, Beschl. v. 02.03.2017 – 1 UR II 461/16 – festgesetzt:

„Die Auffassung des Bezirksrevisors, wonach die Auslagenpauschale und die Gebühr für die Aktenversendung im Rahmen der Akteneinsicht nur dann zu erstatten sei, wenn der Rechtsanwalt im Einzelfall die Notwendigkeit darlege, ist nicht haltbar. Auch dann, wenn der Rechtsanwalt, nicht als Verteidiger, sondern lediglich im Rahmen der Beratungshilfe tätig wird, handelt es sich um ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren, in dem er tätig wird. Eine ordnungsgemäße Beratung des Mandanten ist ohne vorherige Akteneinsicht sinnvoll nicht möglich, zumal der Rechtsanwalt trotz der nur sehr kärglichen Entlohnung der Beratungshilfe für die Richtigkeit der Beratung haftet.

Das Amtsgericht Mannheim (AG Mannheim, Beschl. v. 05.06.2012 – 1 BHG 380/11) hat in einem ähnlich gelagerten Falle zu Gunsten desselben Rechtsanwaltes ausgeführt:

Zusätzlich ist vorliegend die Postpauschale gemäß VV RVG Nr. 7002 in Höhe von 6,00 Euro angefallen. Denn Rechtsanwalt S. hat Schriftverkehr mit dem Polizeipräsidium Mannheim geführt und die Anforderung der Ermittlungsakte war auch sachgerecht und notwendig, da – wie Rechtsanwalt Sorge zu Recht ausführt, eine Beratung in einem Strafverfahren ohne Kenntnis des Inhalts der Ermittlungsakte in aller Regel nicht möglich ist. Die Akteneinsichtnahme selbst mag zwar durch die Beratungsgebühr abgegolten sein, die Anforderung der Akte aber nicht.

In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, dass aus der negativen Fassung des Gesetzestextes („Auslagen … werden nicht vergütet, wenn …, zu schließen ist, dass wenn dies nicht geschehen soll, die Beweislast für die Tatsache, dass die Auslagen zur sachgemäßen Wahrnehmung der Aufgaben des Rechtsanwaltes nicht erforderlich waren, bei der Staatskasse liegt (Schoreit/Groß a. a. O. Rdnr. 3; Mayer/Kroiß a. a. O. Rdnr. 121 mit weiteren Nachweisen).

Dieser Nachweis ist vorliegend nicht erbracht, es ist vielmehr vom Gegenteil auszugehen.

Dem schließt sich das erkennende Gericht vollumfänglich an.

Dass die Ergebnisniederschrift der Tagung der Bezirksrevisoren im Außenverhältnis nicht bindet, sondern allein die Gesetzeslage maßgeblich ist, ist selbstverständlich.“

Der letzte Satz ist wohltuend. Denn manchmal hat man schon den Eindruck, dass Bezirksrevisoren meinen: Wir sind das Gesetz. 🙂

Fahren mit gefälschten Kfz-Kennzeichen, oder: Eine oder mehrere Taten?

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Immer wieder muss der BGH „regelnd eingreifen“, wenn es im Zusammenhang mit dem Gebrauchen/Fahren von/mit gefälschten Kraftfahrzeugkennzeichen um die Konkurrenzverhältnisse und die für die Strafzumessung ggf. wichtige Frage: Eine oder mehrere Taten geht? So dann auch im BGH, Beschl. v. 26.10.2016 – 4 StR 354/16. Das LG war bei zwei Fahrten mit einem Kfz, an dem gefälschte Kennzeichen angebracht waren, von zwei Taten ausgegangen. Der BGH sieht es anders:

„Zwar trifft es zu, dass der Angeklagte den Tatbestand des Gebrauchmachens von einer unechten Urkunde gemäß § 267 Abs. 1, 3. Alt. StGB verwirklicht hat, indem er in den Fällen II. 5 und 6 der Urteilsgründe sein mit falschen amtlichen Kennzeichen versehenes Fahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr nutzte (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Mai 2015 – 4 StR 164/15, Rn. 10; Beschluss vom 28. Januar 2014 – 4 StR 528/13, NStZ 2014, 272). Die Strafkammer hat jedoch nicht bedacht, dass nur eine Urkundenfälschung vorliegt, wenn eine gefälschte Urkunde mehrfach gebraucht wird und dieser mehrfache Gebrauch dem schon bei der Fälschung bestehenden konkreten Gesamtvorsatz des Täters entspricht (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Juli 2015 – 4 StR 279/15, Rn. 5; Beschluss vom 21. Mai 2015 – 4 StR 164/15, Rn. 10; Beschluss vom 30. Oktober 2008 – 3 StR 156/08, BGHR StGB § 267 Abs. 1 Konkurrenzen 3). Nach den Feststellungen nutzte der Angeklagte sein mit falschen Kennzeichen versehenes Fahrzeug am 18. Februar 2015 um 20.15 Uhr (Fall II. 5 der Urteilsgründe) und am 19. Februar 2015 um 9.00 Uhr (Fall II. 6 der Urteilsgründe) im öffentlichen Straßenverkehr. Aus der zugrunde liegenden Beweiswürdigung ergibt sich, dass er dazu am 19. Februar 2015 um 9.00 Uhr gegenüber einem Angehörigen des kommunalen Vollzugsdienstes angab, die (falschen) Kennzeichen am Vorabend selbst angebracht zu haben. Danach ist es nicht ausgeschlossen und bei der Beurteilung der Konkurrenzen auch zugunsten des Angeklagten anzunehmen, dass er schon beim Anbringen der Kennzeichen den Vorsatz zu einer zeitnahen Mehrfachnutzung des Fahrzeugs mit den falschen Kennzeichen hatte. Das hat zur Folge, dass der in der Fahrzeugnutzung liegende mehrfache Gebrauch einer unechten Urkunde und deren vorangegangene Herstellung als tatbestandliche Handlungseinheit eine Tat der Urkundenfälschung bildeten (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Juli 2015 – 4 StR 279/15, Rn. 5; Beschluss vom 21. Mai 2015 – 4 StR 164/15, Rn. 10).“

Gebracht hat es im Ergebnis hinsichtlich der Strafe aber  (mal wieder) nichts. Denn der BGH konnte – wie häufig – „ausschließen“, dass der Wegfall der einen Tat beim LG zu einer niedrigeren Strafe geführt hätte. Was die alles wissen 🙂 .

Hohe THC-Konzentration = vorsätzliche Drogenfahrt, oder: Teurer Joint

Und dann habe ich noch eine AG-Entscheidung, nämlich den AG Landstuhl, Urt v. 13.03.2017 – 2 OWi 4286 Js 809/17 – betreffend eine Drogenfahrt anch § 24a Abs .2 OWiG. Das AG hat den Betroffenen wegen Vorsatz verurteilt. Angetreoffen wurde der Betroffen am 16.07.2016 um 00:50 Uhr. In einer um 02:28 Uhr entnommenen Blutprobe wurde THC in einer Höhe von 10 ng/ml nachgewiesen, wobei die THC-Carbonsäure mit 45 ng/ml gemessen wurde. Zum Vorsatz führt das AG aus:

„Nachdem der Betroffene vor der Hauptverhandlung die vorsätzliche Begehensweise, die bereits im Bußgeldbescheid vorgeworfen wurde, bestritten hat, hat das Gericht in der Hauptverhandlung noch eine ergänzende mündliche Erläuterung des Gutachtens durch die Sachverständige Dr. pp.. in Auftrag gegeben. Diese erläuterte, dass – nachdem allgemeines und konkretes Konsumverhalten des Betroffenen nicht bekannt sind – die gemessenen Werte auf die wahrscheinlichste und auch im Gutachten festgehaltene Interpretation hinauslaufen, nämlich einen zeitlich engfristigen Konsum von Cannabisprodukten, d.h. ca. ein bis zwei Stunden vor der Blutabnahme. Weder seien der genaue Zeitpunkt noch die Menge dogmatisch bestimmbar. Die gemessenen Werte enthielten zudem keinen Hinweis auf regelmäßigen Konsum. Bei solchem Konsum würden die Werte der THC-Carbonsäure über die Zeit akkumuliert werden und wären mit dem hier gemessenen Wert nicht vereinbar. Vielmehr spreche die höchste Wahrscheinlichkeit für eine bewusste, aktive Aufnahme von Cannabisprodukten in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Autofahrt. Andere Konstellationen könnten aus medizinischer Sicht zwar nicht ausgeschlossen, aber nicht als wahrscheinlich bewertet werden. Bei regelmäßigem Konsum und hohen Dosen wäre zudem ein niedrigerer THC-Wert zu erwarten gewesen. Das Gericht hat sich diesen Ausführungen nach eigener Prüfung angeschlossen, nachdem das bereits verlesene schriftliche Gutachten bereits die wesentlichen Informationen enthalten hatte.

Ergebnis: Geldbuße ist nach § 3 Abs. 4a BKatV verdoppelt worden. Teurer Joint.

Bestellung von BtM via Internet, oder: Auch AG München stellt ein

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Ich hatte ja schon zweimal über Verfahrenseinstellung wegen des Vorwurfs eines Verstoßes gegen das BtMG berichtet, wenn die entsprechende Bestellung vom Beschuldigten über das Internet getätigt worden sein soll (vgl. dazu den AG Iserlohn, Beschl. v. 10.03.2017 – 16 Ds 139/17  und dazu Kauf von Kokain im Darknet, oder: Das kann man im Zweifel nicht nachweisen und den AG Köln, Beschl. v. 19.12.2016 – 543 Ds 437/16 und dazu Handel mit Amphetamin und MDMA aus den Niederlanden, oder: Wer hat bestellt?). Im Nachgang zu dem letzten Posting hat mir der Kollege Grasl aus München dann den AG München, Beschl. v. 17.03.2017 – 1112 Ds 362 Js 230003/15 – übersandt. In dem Verfahren wurde dem Angeschuldigten zur Last gelegt, über das Internet unter der Adresse „ www. Shiny-Flakes-com“ bei einem anderweitig Verfolgten 100 Ecstasy-Ta­bletten bestellt zu haben, um diese dann gewinnbringend zu verkaufen. Das AG hat eingestellt:

„Der Angeschuldigte bestreitet die Tat.

Nach Auffassung des Gerichts reichen die derzeitigen Beweise nicht aus, einen hinreichenden Tatverdacht im Sinne einer Verurteilungswahrscheinlichkeit zu begründen.

Aussagen des anderweitig Verfolgten pp.  gibt es nicht. Die Auswertung der Datei „Bestellun­gen.xlsx“ ergaben 13780 Einzelbestellungen vom 31.12.13 bis 24.2.15. Laut den Ermittlungen wurde die genannte Datei „ händig „ (vgl. BI. 41 d.A.) geführt, sodass „ Fehler, wie beispielsweise bei der (farblichen) Formatierung von Feldern .. nicht gänzlich“ ausgeschlossen werden kön­nen ( vgl. Ermittlungsbericht S. 2 = BI. 41 d.A.). Auch kann nicht aus der Tatsache, dass öfters bestellt wurde von der Zufriedenheit des Kunden in Bezug auf die vorherigen Bestellungen aus­gegangen werden; hier soll der Angeschuldigte am 20.09.2014 eine weitere Bestellung aufgegeben haben (BI. 33) , die offenbar nicht „weiter verfolgt“ wurden.

Aufgrund der Ermittlungen sind auch keine Nachweise über ein „Bitcoin“- Zahlung erfolgreich ge­wesen.

Eine Durchsuchung beim Angeschuldigten führte am 25.02.16 nicht zur Auffindung von Drogen. Verschlusstütchen und eine Feinwaage konnten aufgefunden werden, offenbar aber ohne irgend­welche Anhaftungen.

Auch enthält die Strafliste in Bezug auf den Angeschuldigten keine Eintragung.

Hinsichtlich des weiteren Verdachts des Handeltreibens mit Amphetamin wurde das Verfahren gern. § 154 StPO eingestellt. Bezüglich des anderweitig Verfolgten pp. soll es sich nicht um ein Handeltreiben mit Ecstasy gehandelt haben.

Abschließend ist noch darauf hinzuweisen, dass der Angeschuldigte in einem Wohnblock mit über 200 Wohnungen wohnt; gem. dem von der Verteidigung vorgelegtem Lichtbild der „Briefka­stenanlage“ ist zu ersehen, dass in die Briefkästen durch den Schlitz gefasst und theoretisch Post entnommen werden kann.

Die Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung war daher aus tatsächlichen Gründen abzuleh­nen und das Hauptverfahren nicht zu eröffnen. Es kann letztendlich nicht ausgeschlossen wer­den, dass eine andere unbekannte Person die Bestellung aufgebeben haben könnte.