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Fahrstreifenwechsel auf der Autobahn, oder: Dashcam und Haftungsabwägung

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Und als zweite Entscheidung des Tages dann das AG Duisburg Ruhrort, Urt. v. 05.03.2019 – 9 C 434/18, das (noch einmal) zur Zulässigkeit der Verwertung einer Dashcamaufnahme im Zivilprozess Stellung nimmt. Gegenstand des Verfahrens war ein Verkehrsunfall, der sich im Baustellenbereich einer BAB ereignet hat. Zwischen den Parteien war streitig, welcher der beiden Fahrzeugführer durch ein Abkommen auf die jeweilige Fahrbahn des anderen die entscheidende Unfallursache gesetzt hatte. Im Verfahren wurde dann erstmalig von der Beklagtenseite eine entsprechende Aufnahme aus der Dashcam zu Beweiszwecken vorgelegt, auf der ein Abkommen der Klägerin von der eigenen Fahrbahn in die linke Fahrspur gut erkennbar war, welche der Beklagte zu 2) für ein Überholmanöver genutzt hat. Die Klägerin stellte nach der vorgelegten Aufnahme ein Verlassen der eigenen Fahrspur und einen damit verbundenen Fahrstreifenwechsel unstreitig, behauptete aber, der Beklagte zu 1) habe durch eine schnelle Reaktion die Kollision noch vermeiden können.

Das AG hat die Klage abgewiesen:

1. Die Klägerin hat gegen die Beklagten keinen Anspruch aus §§ 7 StVG, 115 VVG, 823 BGB i.V.m. §§ 249 ff. BGB auf Ausgleich von Bruttoreparaturkosten in Höhe von 3.000,20 EUR, einer merkantilen Wertminderung von 150,00 EUR, Sachverständigenkosten von 577,75 EUR, einer allgemeinen Unkostenpauschale von 25,00 EUR sowie vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 413,64 EUR aufgrund des Verkehrsunfalls vom 05.12,2017. Denn sie ist selbst in vollem Umfang einstandspflichtig für die aus dem Unfall entstandenen Schäden.

Die grundsätzliche Haftung der Parteien dem Grunde nach als Halter und Versicherer des beteiligten Fahrzeugs folgt aus §§ 7 Abs. 1 StVG, 115 VVG. Denn die Schäden am klägerischen Fahrzeug sind bei Betrieb der beiden Fahrzeuge entstanden. Ein Fall höherer Gewalt im Sinne des § 7 Abs, 2 StVG lag nicht vor. Jedenfalls für die Klägerin war der Unfall zudem nicht unabwendbar im Sinne des § 17 Abs. 3 StVG. Denn sie ist mit ihrem Fahrzeug aus Unachtsamkeit pflichtwidrig in die Fahrspur des Beklagten zu 2) hineingeraten. Inwieweit der Unfall für den Beklagten zu 2) unabwendbar war, kann dahinstehen. Denn im Rahmen der gern. § 17 Abs. 1, Abs. 2 StVG vorzunehmenden Abwägung der Verursachungsbeiträge tritt ein etwaiger Mitverursachungsbeitrag des Beklagten zu 1) vollständig hinter dem groben Verkehrsverstoß der Klägerin zurück.

Die Verpflichtung der Parteien zum Schadensersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes hängt im Verhältnis der Parteien zueinander hängt gemäß § 17 Abs. 1, 2 StVG von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Teil verursacht worden ist. Für das Maß der Verursachung ist ausschlaggebend, mit welchem Grad von Wahrscheinlichkeit ein Umstand allgemein geeignet ist, Schäden der vorliegenden Art herbeizuführen. Neben der Verursachung ist auch der Grad eines etwaigen Verschuldens eines Beteiligten bei der Schadensverteilung zu berücksichtigen. Bei der nach Maßgabe der § 17 StVG, § 254 BGB vorzunehmenden Abwägung dürfen allerdings zu Lasten einer Partei nur solche unfallursächlichen Umstände berücksichtigt werden, auf die sie sich beruft, die unstreitig oder bewiesen sind (BGH, NJW 2000, 3069; NZV 1995, 145). Ist das Maß der Verursachung auf der einen Seite so groß, dass demgegenüber die von der anderen Partei zu verantwortende Mitverursachung nicht ins Gewicht fällt, kann die Pflicht zum Ersatz des Schadens der einen Partei zur Gänze auferlegt werden. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.

Unstreitig ist die Klägerin entgegen § 39 Abs. 5 S. 2 StVO nicht den gelben Fahrbahnmarkierungen gefolgt, sondern den durch die gelbe Fahrbahnmarkierung aufgehobenen weißen Markierungen und ist hierdurch entgegen § 7 Abs. 5 StVO ohne auf den Verkehr auf der linken Fahrbahn zu achten und unter Überfahren einer durchgezogenen Linie entgegen § 41 Abs. 1 StVO i.V.m. lfd. Nr. 68 Anlage 2 zur StVO (Zeichen 295) in die Fahrspur des Klägers hineingefahren. Aufgrund der im Parallelverfahren 9 C 321/18 durch das Gericht, die Klägerin und den Klägervertreter in Augenschein genommenen und auch dem Beklagtenvertreter bekannten Dash­Cam-Aufnahme, die das Gericht im Streitfall unter Berücksichtigung der Ausführungen des Bundesgerichts im Urteil vom 15.05.2018, Aktenzeichen VI ZR 233/17, für verwertbar hält, ist partei- und gerichtsbekannt, dass das Klägerfahrzeug unmittelbar vor dem Beklagtenfahrzeug in die linke Fahrspur gefahren ist. Anhaltspunkte für einen Verstoß des Beklagten zu 2) gegen § 1 Abs. 2 StVO liegen nicht vor. Dass der Beklagte zu 2) die Kollision durch leichtes Abbremsen hätte vermeiden können, ist offenkundig nicht der Fall. Doch selbst wenn der Beklagte zu 2) die Kollision durch eine sofortige Reaktion und schärferes Abbremsen und/oder Ausweichen nach links noch hätte vermeiden können, wiegt der Verkehrsverstoß der Klägerin so schwer, dass der Mitverursachungsbeitrag des Beklagten zu 2) mit Blick auf das grobe Verschulden der Klägerin hinter deren Mitverursachungsbeitrag vollständig zurücktreten würde, Der von Klägerseite beantragten Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache, dass der Beklagte zu 2) die Kollision durch Abbremsen oder Ausweichen nach links hätte vermeiden können, bedurfte es insoweit nicht.“