Schlagwort-Archive: Verlesung durch den Richter

StPO II: Urkundenverlesung nicht vom Richter, oder: Aber Staatsanwältin war/als Zeugin vom Hörensagen

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Und dann im zweiten Posting hier der BGH, Beschl. v. 17.01.2024 – 4 StR 168/23.

Das LG hatte den Angeklagten wegen Verstoßes gegen das BtMG verurteilt. Dagegen die Revieion, die unbegründet war.

„1. Die Verfahrensrügen dringen nicht durch.

a) Der Rüge, das Landgericht habe gegen § 261 StPO in Verbindung mit § 249 Abs. 1, § 250 Satz 2, § 251 Abs. 1 und 4 StPO verstoßen, indem es den Inhalt einer Urkunde verwertet habe, obwohl diese nicht nach § 249 Abs. 1 StPO verlesen worden sei, bleibt der Erfolg versagt.

aa) Dem liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde: Der Mittäter des Angeklagten, der gesondert verfolgte   G.  , hatte sich in dem gegen ihn geführten Verfahren eingelassen. In der hiesigen Hauptverhandlung verweigerte er als Zeuge gemäß § 55 StPO die Auskunft. Das Landgericht hörte daraufhin die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft aus dem Verfahren gegen   G.   als Zeugin. Nach deren Angaben hatte   G.   in der gegen ihn geführten Hauptverhandlung im Rahmen einer schriftlichen Einlassung unter anderem zugegeben, dass bestimmte Encrochat-Namen benutzt wurden. Diese schriftliche Einlassung wurde ausweislich der Urteilsgründe „in die hiesige Hauptverhandlung eingeführt, indem die Zeugin u. a. das Dokument verlesen hat“ (UA 19). Das Protokoll der Hauptverhandlung weist aus, dass die Zeugin Angaben zur Sache machte und „dabei“ die schriftliche Einlassung des gesondert Verfolgten G. in dem gegen ihn geführten Verfahren verlas.

bb) Bei dieser Sachlage erweist sich die Rüge als unbegründet.

Zwar wurde die schriftliche Einlassung des anderweitig verfolgten Zeugen G. als Urkunde nicht prozessordnungsgemäß in die Hauptverhandlung eingeführt. Denn die Verlesung einer Urkunde gemäß § 249 Abs. 1 Satz 1 StPO hat durch den Vorsitzenden oder einen von ihm beauftragten beisitzenden Richter oder Ergänzungsrichter und nicht durch andere Prozessbeteiligte zu erfolgen. Eine Verlesung von Urkunden durch die Staatsanwältin ist daher rechtsfehlerhaft (vgl. BGH, Urteil vom 2. März 2023 – 4 StR 298/22 Rn. 13 mwN). Auch war diese Urkunde weder Gegenstand eines Selbstleseverfahrens nach § 249 Abs. 2 StPO noch wurde sie der Zeugin ‒ nach dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen des Beschwerdeführers – vorgehalten.

Die Angaben in der schriftlichen Erklärung des gesondert verfolgten Zeugen   G.  waren aber ausweislich der Urteilsgründe und des Hauptverhandlungsprotokolls auch Gegenstand der Bekundungen der Staatsanwältin als Zeugin vom Hörensagen. Die Formulierung im Urteil, wonach die Zeugin die schriftliche Einlassung dabei „u.a.“ auch verlas, stellt dies ebenso wenig in Frage wie der entsprechende Protokollvermerk. Die Zeugin konnte als Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft in der Hauptverhandlung in dem gegen den Zeugen G. geführten Verfahren ohne weiteres aus eigener Wahrnehmung über den Inhalt der dort angebrachten schriftlichen Einlassung berichten. Damit ist auch der Unmittelbarkeitsgrundsatz (§ 250 StPO) nicht verletzt (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Januar 2012 – 4 StR 493/11 Rn. 1).“