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Fahrtenbuch II: Unmöglichkeit der Täterermittlung, oder: Kein Ermittlungsdefizit der Behörde

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Und dann als zweite Entscheidung der OVG Münster, Beschl. v. 30.05.2023 – 8 A 464/23 -, auch zur Fahrtenbuchauflage, und zwar zur Unmöglichkeit der Täterermittlung.

Das VG hatte eine Klage des Betroffenen gegen eine Fahrtenbuchauflage abgewiesen. Dagegen dann der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung, der keinen Erfolg hatte:

„… Die Anordnung der Fahrtenbuchauflage findet ihre rechtliche Grundlage in § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO. Danach kann die nach Landesrecht zuständige Behörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuchs anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war.

Die Feststellung des Fahrzeugführers ist im Sinne des § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO unmöglich, wenn die Bußgeldbehörde nach den Umständen des Einzelfalls nicht in der Lage war, den Täter einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen hat. Dazu gehört grundsätzlich, dass der Fahrzeughalter möglichst umgehend – im Regelfall innerhalb von zwei Wochen, wobei es sich aber nicht um eine starre Grenze handelt – von dem mit seinem Fahrzeug begangenen Verkehrsverstoß benachrichtigt wird, damit er die Frage, wer zur Tatzeit sein Fahrzeug geführt hat, noch zuverlässig beantworten und der Täter Entlastungsgründe vorbringen kann. Eine verspätete Anhörung schließt eine Fahrtenbuchauflage allerdings dann nicht aus, wenn feststeht, dass die Verzögerung für die unterbliebene Ermittlung des Täters nicht ursächlich gewesen ist.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. Juni 1987 – 7 B 139.87 -, juris Rn. 2; OVG NRW, Urteil vom 30. November 2005 – 8 A 280/05 -, juris Rn. 25.

Hiervon ausgehend darf der ausgebliebene Ermittlungserfolg jedenfalls nicht maßgeblich auf ein Ermittlungsdefizit der zuständigen Behörde zurückzuführen sein. Die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage setzt insbesondere nicht voraus, dass die Unmöglichkeit der Feststellung des Fahrers auf einer fehlenden Mitwirkung des Fahrzeughalters beruht oder der Halter seine Mitwirkungsobliegenheiten schuldhaft nicht erfüllt hat oder die Unmöglichkeit der Feststellung des Fahrzeugführers sonst zu vertreten hat.

Vgl. Schl.-H. OVG, Urteil vom 8. Dezember 2022 – 5 LB 17/22 -, juris Rn. 28.

Im Einklang mit diesen Maßstäben hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass das Ermittlungsverfahren im vorliegenden Fall „möglicherweise nicht optimal verlaufen“ sei; der vom Kläger bestrittene Zugang des nach Aktenlage zwei Wochen nach dem Verkehrsverstoß vom 6. Januar 2022 zur Post gegebenen Anhörungsschreibens lasse sich jedenfalls nicht feststellen. So sei der Kläger erst am 4. März 2022 durch einen Außendienstmitarbeiter des Beklagten – möglicherweise ohne Nennung des Datums und ohne Vorlage des Beweisfotos – darüber informiert worden, dass mit dem auf ihn zugelassenen Fahrzeug in E.  ein Rotlichtverstoß begangen worden sei. Ein behördliches Ermittlungsdefizit, das für die letztlich erfolglos gebliebenen Ermittlungsbemühungen ursächlich gewesen sei, hat das Verwaltungsgericht jedoch nicht erkannt. Hierzu hat es ausgeführt: Nach Befragung des Klägers stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, dass dieser nicht bereit gewesen sei, an der Aufklärung des Verkehrsverstoßes mitzuwirken, obwohl ihm dies möglich gewesen wäre. Selbst wenn der als Zeuge vernommene damalige Außendienstmitarbeiter des Beklagten dem Kläger das Datum des Verkehrsverstoßes nicht genannt haben sollte, hätte es diesem oblegen, danach zu fragen, wenn er diese Information zur Eingrenzung des Täterkreises benötigt hätte. Auf die verspätete Information und den genauen Inhalt des Gesprächs mit dem Außendienstmitarbeiter des Beklagten komme es aber auch nicht an, weil der Kläger nach seinen eigenen Angaben im Klageverfahren ohnehin wusste, dass seine Tochter die verantwortliche Fahrzeugführerin war. Aus welchen Gründen der Kläger keine Angaben gemacht habe, insbesondere, ob ihm ein Aussageverweigerungsrecht zustehe und ob ihm bei seiner Entscheidung, an der Aufklärung des Verkehrsverstoßes nicht im Rahmen des ihm Möglichen mitzuwirken, die Befugnis der Behörde zum Erlass einer Fahrtenbuchanordnung bewusst gewesen sei, sei unerheblich.

Das Antragsvorbringen begründet keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit dieser Sachverhaltswürdigung.

Der Kläger macht geltend, das Verwaltungsgericht hätte in Anlehnung an den Beschluss des Senats vom 14. November 2013 – 8 A 1668/13 – (juris) maßgeblich auf die von der Behörde ergriffenen Maßnahmen zur Täterermittlung abstellen müssen. Diese seien unzureichend gewesen, weil der Zeuge den Kläger in dem Gespräch am 4. März 2022 nur unvollständig informiert habe und es nicht dem Kläger oblegen hätte, von sich aus nach dem Datum des Verkehrsverstoßes und dem Fahrerfoto zu fragen.

Diese Argumentation greift jedoch nicht durch. In der genannten Entscheidung hat der Senat ausgeführt, § 31a Abs. 1 S. 1 StVZO setze nicht voraus, dass Grund für die Nichtfeststellbarkeit des verantwortlichen Täters einer Verkehrsordnungswidrigkeit ein rechtswidriges (oder gar schuldhaftes) Verhalten des Halters sei; es genüge vielmehr, dass der begangene Verkehrsverstoß nicht aufklärbar gewesen sei, obwohl die Behörde alle nach den Umständen des Einzelfalles angemessenen und zumutbaren Maßnahmen zur Täterermittlung getroffen habe. Davon ist jedoch auch das Verwaltungsgericht ausgegangen. Ein Rechtsgrundsatz des Inhalts, dass ein behördliches Ermittlungsdefizit, das sich nicht ursächlich auf den letztlich ausgebliebenen Ermittlungserfolg ausgewirkt hat, der Annahme, dass die Feststellung des verantwortlichen Fahrzeugführers nicht möglich gewesen sei, entgegenstehe, ist der genannten Entscheidung jedoch nicht zu entnehmen und existiert auch nicht. Ausgehend von der im Zulassungsverfahren nicht mit beachtlichen Rügen angegriffenen und im Übrigen auch nachvollziehbar begründeten Sachverhaltswürdigung des Verwaltungsgerichts, dass der Kläger zur Mitwirkung an der Aufklärung nicht bereit war, bedurfte er der ergänzenden Informationen über den Tag des Verkehrsverstoßes und der Vorlage des Fotos nicht. Er wusste nach eigenen Angaben ohnehin, dass seine Tochter den Rotlichtverstoß begangen hat. Das stellt die Antragsbegründung auch nicht in Frage.

Ergänzend ist anzumerken, dass – abgesehen von den vom Verwaltungsgericht gewürdigten Umständen – auch sonst keine Anhaltspunkte für ein relevantes Ermittlungsdefizit vorliegen. Da das Fahrzeug am Tattag von einer Frau geführt wurde, kam der Kläger selbst als Täter nicht in Betracht. Der Lichtbildabgleich mit dem Ausweisfoto der Ehefrau des Klägers ergab keine Übereinstimmung. Dass sich bei dieser Sachlage für die Behörde weitere erfolgversprechende Ermittlungsansätze ergeben hätten, macht der Kläger nicht geltend und ist auch nicht ersichtlich…..“