Schlagwort-Archive: Strafverteidigungskosten

Strafverteidigerkosten in der ESt-Erklärung, oder: War mein Strafverteidiger eine „außergewöhnliche Belastung“?

© nmann77 – Fotolia.com

Zum (eigentlichen) Wochenauftakt passt dann – im Nachgang zum 41. StV-Tag – m.E. ganz gut das BFH, Beschl. v. 13.12.2016 – VIII R 43/16, das schon etwas länger bei mir schlummert. Es behandelt die immer wieder bedeutsame – und auch häufig gestellte – Frage – der Abzugsfähigkeit von Strafverteidigungskosten als Werbungskosten oder außergewöhnliche Belastung. Es ging um die Strafverteidigungskosten aus einem Strafverfahren, in dem dem angeklagten – einem (stellvertretenden) Schulleiter  vorgeworfen worden ist, durch zwei Handlungen in den Jahren 2006 und 2009 jeweils eine Untreue und im Jahr 2007 eine Urkundenfälschung begangen zu haben. Der Schulleiter soll 2006 durch Schreiben an den Leiter des Zentralen Fahrdienstes die Bestellung eines PKW für die Schule ausgelöst haben, welchen der Schulleiter dann entgegengenommen, auf die Schule an- und danach auf sich umgemeldet habe. Er habe den Kaufpreis aus privaten Mitteln auf das Konto des Autohauses gezahlt. Dem Schulleiter ging es bei dieser Vorgehensweise darum, eine erhebliche Reduzierung des Kaufpreises durch Gewährung eines sog. “Behördenrabattes” zu erreichen. Weiterer Gegenstand des Verfahrens war der Vorwurf, der Schulleiter habe im Jahr 2009 durch ein Schreiben an den Leiter des Zentralen Fahrdienstes die Bestellung noch eines anderen PKW für die Schule auslösen und diesen nach Inanspruchnahme eines “Behördenrabattes” aus eigenen Mitteln bezahlen und ebenfalls privat nutzen wollen. Schließlich ist dem Angeklagten eine Urkundenfälschung vorgeworfen worden. Das AG hatte die Anklage nur insoweit zugelassen, als dem Schulleiter eine Urkundenfälschung nach § 267 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 4 des Strafgesetzbuchs zur Last gelegt wurde. Hinsichtlich der Fahrzeugbestellungen habe es für die Annahme einer Untreue jeweils an einem (Gefährdungs-)Schaden der Schule gefehlt. Hinsichtlich des verbleibenden Vorwurfs ist das Verfahren gemäß § 153a StPO eingestellt.

Der Schulleiter hatte die ihm entstandenen Strafverteidigungskosten als Werbungskosten geltend gemacht. Finanzamt und dann das FG Thüringen hatten den Abzug verneint, der BFH hat das bestätigt:

2. Auch den Abzug der Strafverteidigungskosten als Werbungskosten des Klägers hat das FG zutreffend verneint.

a) Nach der gefestigten Rechtsprechung des BFH (s. z.B. BFH-Urteile vom 17. August 2011 VI R 75/10, BFH/NV 2011, 2040; vom 18. Oktober 2007 VI R 42/04, BFHE 219, 197, BStBl II 2008, 223; BFH-Beschluss vom 20. Oktober 2016 VI R 27/15, Der Betrieb 2016, 3014) müssen für die Begründung eines Veranlassungszusammenhangs der Strafverteidigungskosten mit den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit die vorgeworfenen Handlungen in Ausübung der beruflichen Tätigkeit (und nicht nur bei Gelegenheit) begangen werden. Auch eine „in Ausübung der beruflichen Tätigkeit“ begangene Tat kann keinen Veranlassungszusammenhang der Strafverteidigungskosten mit den Einkünften begründen, wenn die Handlungen nicht im Rahmen der beruflichen Aufgabenerfüllung liegen oder ein beruflicher Veranlassungszusammenhang durch einen überlagernden privaten Veranlassungszusammenhang ausgeschlossen wird. Letzteres liegt insbesondere vor, wenn eine persönliche Bereicherung des Steuerpflichtigen durch die Tat angestrebt wird. Die dem Steuerpflichtigen vorgeworfene Tat muss ausschließlich und unmittelbar aus seiner betrieblichen oder beruflichen Tätigkeit heraus erklärbar sein (BFH-Urteil vom 16. April 2013 IX R 5/12, BFHE 241, 355, BStBl II 2013, 806). Im Übrigen ist auch eine private Mitveranlassung der Aufwendungen für den Abzug schädlich, weil gemischt veranlasste Strafverteidigungskosten nicht objektiv aufteilbar sind (s. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 21. September 2009 GrS 1/06, BFHE 227, 1, BStBl II 2010, 672, sowie die Bezugnahme im BFH-Urteil in BFHE 241, 355, BStBl II 2013, 806 auf das BFH-Urteil vom 12. Juni 2002 XI R 35/01, BFH/NV 2002, 1441, m.w.N.).

b) Die tatsächliche und rechtliche Würdigung des FG, die Aufwendungen für die Strafverteidigung nicht zum Abzug zuzulassen, lässt keinen Rechtsfehler erkennen.

Das FG hat die dem Kläger vorgeworfenen Handlungen mangels Bezugs zum beruflichen Pflichtenkreis (Rz 55, 57 bis 61 des FG-Urteils in EFG 2014, 1662) nicht als „Ausübung einer beruflichen Tätigkeit“ des Klägers angesehen. Es hat zudem in der Absicht des Klägers, den Behördenrabatt bei Erwerb der Fahrzeuge in Anspruch zu nehmen und Regressansprüche der Schule abwehren zu wollen, private Beweggründe gesehen, die den beruflichen Zusammenhang der Aufwendungen überlagern (Rz 58, 60, 61 des FG-Urteils in EFG 2014, 1662). Diese Feststellungen des FG zum Umfang des beruflichen Aufgabenkreises und zur Motivlage des Klägers sind möglich, nicht mit Verfahrensrügen angefochten und für den Senat bindend (§ 118 Abs. 2 FGO). Sie kollidieren auch nicht mit der Unschuldsvermutung, sondern stellen eine eigenständige und notwendige Würdigung des Veranlassungszusammenhangs durch das FG dar, da es auf die Frage, ob der strafrechtliche Vorwurf zu Recht erhoben wurde, für dessen Prüfung nicht ankommt (BFH-Beschluss vom 30. Juni 2004 VIII B 265/03, BFH/NV 2004, 1639, m.w.N.). Nach den unter II.2.a dargestellten Rechtsgrundsätzen hat das FG somit zu Recht einen Abzug der jedenfalls gemischt veranlassten Strafverteidigungskosten versagt.

c) Die Würdigung des FG ist auch nicht aufgrund des neuen Vortrags der Kläger im Revisionsverfahren zu beanstanden, dass das zuständige AG nach Erfüllung einer Auflage mit Beschluss vom … das Verfahren gegen den Kläger gemäß § 153a der Strafprozessordnung (StPO) eingestellt hat. Neuer tatsächlicher Vortrag ist im Revisionsverfahren unbeachtlich (§ 118 Abs. 2 FGO). Ob der strafrechtliche Vorwurf zu Recht erhoben wurde, ist wie unter II.2.b ausgeführt für die Prüfung des Veranlassungszusammenhangs nicht entscheidend (BFH-Beschluss in BFH/NV 2004, 1639, m.w.N.). Der Umstand, dass nach Einstellung des Verfahrens weder eine Verurteilung noch ein Freispruch des Klägers erfolgen wird, ändert daher nichts an der rechtlichen Beurteilung des Veranlassungszusammenhangs. 

3. Die in der Revision von den Klägern nicht mehr aufgeworfene, aber gemäß § 118 Abs. 3 Satz 2 FGO zu prüfende Frage, ob ein Abzug der Aufwendungen wegen einer außergewöhnlichen Belastung gemäß § 33 EStG in Betracht kommt, hat das FG ebenfalls zutreffend verneint.

a) Es ist in der Rechtsprechung des BFH geklärt, unter welchen Voraussetzungen Strafverteidigungskosten als außergewöhnliche Belastung i.S. des § 33 EStG anzuerkennen sind (s. BFH-Beschluss vom 10. Juni 2015 VI B 133/14, BFH/NV 2015, 1247). Im Strafprozess entstehen Kosten nur einem sanktionierten Straftäter oder demjenigen, der für seine erfolgreiche Verteidigung mehr ausgegeben hat, als er vom Staat erstattet bekommt (vgl. FG Münster, Urteil vom 19. August 2011  14 K 2610/10 E, EFG 2011, 2059). Ein Abzug von Strafverteidigungskosten als außergewöhnliche Belastung scheidet danach aus, wenn der Steuerpflichtige verurteilt wird und die Kosten des Verfahrens einschließlich seiner eigenen Auslagen zu tragen hat (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 355, BStBl II 2013, 806; BFH-Beschluss in BFH/NV 2015, 1247). Soweit dem Steuerpflichtigen aufgrund eines Freispruchs gemäß § 467 Abs. 1 StPO ein Anspruch auf Erstattung der Kosten der Strafverteidigung zusteht, fehlt es für einen Abzug nach § 33 EStG schon an einer Belastung des Steuerpflichtigen (BFH-Urteil in BFHE 219, 197, BStBl II 2008, 223).

Aufwendungen für die Strafverteidigung sind zudem nicht zwangsläufig (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG), wenn der Steuerpflichtige mit seinem Verteidiger ein Honorar vereinbart hat, das über den durch die Staatskasse erstattungsfähigen Kosten liegt (BFH-Urteil in BFHE 219, 197, BStBl II 2008, 223).

b) Für die im Streitjahr abgeflossenen Aufwendungen steht fest, dass diese nicht zu einer zwangsläufigen und endgültigen Belastung des Klägers führen.“

Der BFH hat im Übrigen auch die Entscheidung des FG, die Aufwendungen nicht als außergewöhnliche Belastung anzusehen, nicht beanstandet.

Sind Strafprozesskosten nach einem Verkehrsunfall steuerlich absetzbar?

© yvon52 - Fotolia.com

© yvon52 – Fotolia.com

Die Frage der steuerlichen Absetzbarkeit der Kosten eines Strafprozesses beschäftigt die FG und/oder den BFH immer wieder. Dazu liegt dann jetzt auch ein neueres FG-Urteil vor, nämlich das FG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 22.1.2016 – 4 K 1572/14. Nach dem Sachverhalt hatte der Kläger, ein Angestellter, mit seinem Sportwagen, den er für eine Dienstreise nutzte, aufgrund erheblich überhöhter Geschwindigkeit einen schweren Verkehrsunfall verursacht. Infolge des Unfalls verstarb eine junge Frau, eine weitere erlitt eine Querschnittslähmung. Der Kläger wurde deshalb (u.a.) wegen fahrlässiger Tötung (§ 222 STGB) und vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung (§ 315c StGB) angeklagt und n zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Kosten seines Strafverteidigers von 66.449 € wollte er steuerlich geltend machen. Das Finanzamt hat das abgelehnt. Das FG hat das bestätigt und sagt:Die Strafverteidigungskosten weisen

„….keinen hinreichenden Veranlassungszusammenhang zu der Tätigkeit des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit auf.

Das Gericht kann offen lassen, ob sich der Kläger – in Ansehung des Unfallortes – überhaupt auf einer durch die Dienstreise bedingten Fahrstrecke befand.

Entscheidend ist jedenfalls, dass die in Rede stehende Straftat des Klägers nicht allein aus seiner beruflichen Tätigkeit heraus erklärbar ist. Die Straftat wurde nur bei Gelegenheit der beruflichen Tätigkeit begangen und hätte sich in gleicher Weise auf einer Privatfahrt ereignen können. Das Fahren des Klägers mit erheblich überhöhter Geschwindigkeit an teilweise unübersichtlicher Stelle (Bl. 89 PA), das den Tod eines Menschen und die Querschnittslähmung einer weiteren Person zur Folge hatte, gehörte nicht zum Pflichtenkreis seiner Tätigkeit als Geschäftsführer, sondern findet seine Ursache in einer – seinerzeit – in der Persönlichkeit des Klägers liegenden rücksichtslosen Verkehrsgesinnung.

Soweit die Kläger einen hiervon abweichenden rechtlichen Ansatz vertreten, kann dem nicht gefolgt werden.

Der von ihnen angeführte Beschluss des Großen Senats des BFH vom 28. November 1977 (- GrS 2-3/77 -) ist hier nicht einschlägig, da er lediglich den Werbungskostenabzug von Unfallkosten betrifft. Der Entscheidung kann kein allgemeingültiger Rechtssatz des Inhalts entnommen werden, dass verkehrswidriges Verhalten den Veranlassungszusammenhang mit der beruflichen Sphäre (stets) unberührt lasse. Vielmehr ist ihr Aussagegehalt auf eine Wertung bei „Unfällen“ und den damit zusammenhängenden Unfallkosten beschränkt, wohingegen vorliegend für die Beurteilung an die „Straftat“ anzuknüpfen ist, der von vornherein eine deutliche Tendenz für das Vorliegen eines „privaten“ Hintergrundes innewohnt. Daraus erklärt sich das vom BFH bei der steuerlichen Berücksichtigung von Strafverteidigungskosten formulierte Regel-Ausnahme-Verhältnis.

Die Auffassung der Kläger, vorliegend könne auf den allgemeinen Werbungskostenbegriff in § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG zurückgegriffen werden, geht bereits aus systematischen Gründen fehl. Denn die oben genannte BFH-Rechtsprechung konkretisiert die Voraussetzungen eines beruflichen Veranlassungszusammenhangs speziell bei „Strafverteidigungskosten“. Die höchstrichterliche Rechtsprechung stellt insoweit allein auf das unmittelbare Ziel, die Verhinderung einer Bestrafung, ab. Ist bei der Straftat selbst keine hinreichende Verbindung zur beruflichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen gegeben, so wird der erforderliche Bezug nicht – mittelbar – durch mögliche strafrechtliche Folgen der Tat für dessen Berufstätigkeit, wie beispielsweise den Wegfall der Einnahmenquelle infolge einer Freiheitsentziehung, hergestellt.

2. Die streitigen Strafverteidigungskosten sind auch nicht als außergewöhnliche Belastungen abziehbar.

a) Nach § 33 Abs. 1 EStG wird auf Antrag die Einkommensteuer in bestimmtem Umfang ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen (außergewöhnliche Belastung). Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen dann zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG).

Kosten der Strafverteidigung, die einem wegen einer vorsätzlichen Tat verurteilten Steuerpflichtigen entstanden sind, sind nicht als außergewöhnliche Belastungen abziehbar (vgl. BFH, Urteil vom 14. Mai 2014 – X R 23/12 -, juris, Rdn. 89).

Die Strafverteidigungskosten sind nicht unabhängig von Gegenstand und Ausgang des Prozesses aus rechtlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Denn im Strafverfahren gilt die Unschuldsvermutung. Es fehlt auch an der Unausweichlichkeit der Aufwendungen. Denn die Strafverteidigungskosten hat der Täter wegen seiner rechtskräftigen Verurteilung zu tragen. Die Straftat war nicht unausweichlich. Der Täter durfte sie nicht begehen. Daher sind auch die Kosten, die ihm durch eine Einflussnahme auf seine Verurteilung entstanden, nicht unausweichlich (vgl. BFH, Urteil vom 16. April 2013 – IX R 5/12 -, juris, Rdn. 20 f.).

b) Nach diesen Grundsätzen sind die streitbefangenen Strafverteidigungskosten nicht als außergewöhnliche Belastung abziehbar.

Im Streitfall wurde der Kläger (auch) wegen vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung verurteilt. Daher sind ihm die – einheitlich und untrennbar für alle verwirklichten Delikte -angefallenen Strafverteidigungskosten nicht aus rechtlichen Gründen zwangsläufig erwachsen….“

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Wir hören dazu dann demnächst sicher etwas vom BFH….. allerdings: Wann?