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„For religious only“, oder: Fronleichnam ist ein Grund, Familienfreizeit ist kein Grund für Terminsverlegung…

Der Kollege Winter aus Kornwestheim – Verteidiger und Betroffener in einem straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren – hat mir den LG Gera, Beschl. v. 29.05.2013 – 1 Qs 183/13 – zugesandt mit der Bitte, ihn bekannt zu machen. Tue ich gerne, da er eine allgemein interessante Problematik behandelt und der Kollege auch gleich einen Kommentar in Reimform beigefügt hat.

Im Verfahren ging es um die Verlegung eines Termins in einem Bußgeldverfahren, das gegen den Kollegen anhängig war. Terminiert war beim AG Stadtroda – gelegen in Thüringen – auf den 3o.05.2013. Der Kollege wohnt in Kornwestheim, das ist Baden-Württemberg. In Baden-Württemberg ist/war der 30.05.2013 arbeitsfreier (kirchlicher) Feiertag, nämlich der katholische Feiertag „Fronleichnam„. In Thüringen ist der Tag kein Feiertag (gewesen). Der Kollege hat nun Terminsverlegung beantragt mit der Begründung: Der 31.05.2013 ist hier Feiertag und ich möchte den freien Tag mit meiner Familie verbringen, die hat eh schon kaum etwas von mir. Das AG Stadtroda lehnt ab, der Kollege geht in die Beschwerde. Und: Das LG Gera weist die Beschwerde zurück:

„Die Beschwerde des Betroffenen ist unzulässig, da die Ablehnung des Terminsverlegungsantrages des Betroffenen durch das Amtsgericht nicht grob ermessensfehlerhaft erfolgt ist.

Die Prozessbeteiligten haben grundsätzlich keinen Anspruch auf Verlegung eines Termins. Über einen Terminsverlegungsantrag entscheidet der Vorsitzende vielmehr nach pflichtgemäßem Ermessen. Dabei hat er auch unter Beachtung der prozessualen Fürsorgepflicht die Interessen der Beteiligten, das Gebot der Verfahrensbeschleunigung und die Terminsplanung — unter Berücksichtigung der Belastung angemessen zu berücksichtigen und alle Belange entsprechend gegenüber abzuwägen.

Für die Festsetzung des Terminstages sind auch die örtlichen Feiertage — am Sitz des Prozessgerichts -, auch wenn sie gesetzlich nicht anerkannt sind, von Bedeutung. Grundsätzlich können auch bei Personen, die außerhalb des Sitzungsortes wohnen, die dort örtlichen Feiertage berücksichtigt werden, insbesondere dann, wenn sie durch religiöse Konfessionen gebunden sind. Als bekannt vorausgesetzt, ist in Baden-Württemberg der 30. Mai Fronleichnam, ein katholischer Feiertag. Der Betroffene hat nicht vorgetragen, dass er wegen seiner religiösen Konfession an den kirchlichen Feierlichkeiten teilnehmen möchte, sondern trägt vielmehr vor, dass er den Feiertag nutzen wolle, den geringen Freizeitanspruch, der seiner Familie zugutekommen solle, durch die Terminierung völlig zu Nichte gemacht werde.

Unter dem Gesichtspunkt, dass in Thüringen der 30.05. ein regulärer Arbeitstag ist, hat das Amtsgericht in seinem Beschluss unter Abwägung der Interessen des Betroffenen einerseits und der Terminsplanung und Belastung des Gerichts andererseits, nicht grob ermessensfehlerhaft gehandelt.“

Was lernt man daraus? Nun, der Kollege hat es falsch gemacht. Er hätte nicht vortragen sollen, dass er den Feiertag mit seiner Familie verbringen will, sondern: „Ich möchte an den „kirchlichen Feierlichkeiten“ teilnehmen.“ Dann hätte es wahrscheinlich gereicht für die Verlegung. Also: „For religous only…“, oder: Mit der Wahrheit kommt man dann doch nicht weiter…

Der Kollege hat es allerdings mit Fassung ertragen, wie seine nachfolgenden Gedanken zeigen:

For religious only…

 Wand´rer kommst du nach Stadtroda,

egal, ob du wohnst fern, ob nah,

beachte, dass man dort verhandelt,

auch zu Zeiten, an denen wandelt,

der Normalbürger in Freizeit.

Denn dort übt man Gerechtigkeit,

auch an auswärtig´ Feiertagen…,

gegen die, welche es nicht wagen,

 zu lügen und zu Gottes Hohn,

vorschieben die Religion.

 Wer ehrlich ist, hat nichts zu lachen,

nein- er muss auf den Weg sich machen,

trotz Feiertag zum Amtsgericht

woanders gibt es sowas nicht.

Merk´also, Gerichte im Osten,

sind jederzeit auf ihrem Posten.

Ist dies gerecht, wird mancher fragen

ich lächle und werde nichts sagen.

Michael Winter, Rechtsanwalt und Betroffener

 

Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Symbole – ja, nein oder vielleicht doch?

Der BGH hat gestern das Urteil des LG Gera, das einen Angeklagten wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§ 86 a StGB) zu einer Geldstrafe von 4.200 Euro veruteilt hatte aufgehoben.

Das LG Gera hatt den fremdsprachigen Gebrauch einer NS-Parole als auch unter § 86a StGB fallend angesehen. Der Senat hat – anders als das Landgericht – entschieden, dass der fremdsprachige Gebrauch einer NS-Parole nicht dem Straftatbestand des § 86 a StGB unterfällt. Diese Vorschrift stelle nicht jedes Bekenntnis zu einer NS-Organisation – was fraglos vorliege – unter Strafe, sondern nur die Verwendung von Kennzeichen dieser Organisationen, etwa ihrer Parolen, Abzeichen, Fahnen etc.. Gleichermaßen strafbar ist auch der Gebrauch von Symbolen, die den Originalen zum Verwechseln ähnlich sind. Eine Verwechslungsgefahr liege jedoch nur dann vor, wenn die Nachahmung und das Original in wesentlichen Vergleichspunkten übereinstimmen, was bei leichten Abwandlungen des Originalsinnbilds regelmäßig der Fall ist. Durch die Übersetzung in eine andere Sprache erfahre eine NS-Parole, die nicht nur durch ihren Sinngehalt sondern ebenso durch die deutsche Sprache ihre charakteristische Prägung erfahren hat, jedoch eine grundlegende Verfremdung, die der Tatbestand des § 86 a StGB nicht erfasst.

Nach Auffassung des BGH kann der Angeklagte kann sich jedoch gleichwohl wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen strafbar gemacht haben, wenn er nämlich den Namen der in Deutschland verbotenen Vereinigung „Blood & Honour“ symbolhaft verwendet hat.  Diese Frage muss jetzt in der neuen Hauptverhandlung geklärt werden.

BGH, Urt. v. 13.08.2009 – 3 StR 228/09