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OWi I: Die PTB „untersagt“ wegen „missbräuchlicher Verwendung“ die Erhebung von Hilfsgrößen, oder: Wie Pippi Langstrumpf?

Bild von Lenalensen auf Pixabay

Heute dann noch einmal ein OWi-Tag. An sich wollte ich andere Entscheidungen vorstellen, aber der Kollege M. Wandt aus Essen hat mir gestern Abend einen Beschluss des OLG Frankfirt am Main geschickt, den ich dann doch schnell hier bringen möchte.

Es handelt sich um den OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 23.03.2020 – 2 Ss-OWi 256/20. An sich zunächst mal nichts Besonderes. Es geht um die Rechtsbeschwerde in einem OWi-Verfahren wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung. Gemessen worden ist mit Poliscan. Der Verteidiger hat offenbar (Akten)Einsichtsanträge usw. gestellt, die abgelehnt worden sind. Das wird zum Gegenstand der Rechtsbeschwerde gemacht. Die wird – was beim OLG Frankfurt am Main auch nichts Besonderes ist – zurückgewiesen.

„Aber die Begründung, die ist dann schon etwas Besonderes:

Auf die Gegenerklärung bemerkt der Senat, dass die Entscheidung des Saarländischen Verfassungsgerichts keine Rechtswirkung in Hessen entfaltet und die Ausführungen bereits in rechtlicher Hinsicht in der Sache nicht überzeugen.

Aus technischen Gründen hat die PTB gestützt auf Anlage 2. 7.1. MessEV am
28. Februar 2020 in der neuen Baumusterprüfbescheinigung DE-17-M-PTB0033, Revision 1 für die hier streitgegenständliche Messanlage Poliscan FM 1 die Speicherung von sog. Hilfsgrößen untersagt (Zif. 1.2.3. S. 23 und Zif. 5.1. S. 32 der Baumusterprüfbescheinigung). Hintergrund ist die mißbräuchliche Verwendung dieser gespeicherten Hilfsgrößen in sog. Gutachten.
Gleichlautende Formulierungen finden sich auch in der Baumusterprüfbescheinigung DE-17-M-PTB-0017, Revision 3 für das Messgerät ES 8.0.

In beiden Baumusterprüfbescheinigung ist eine entsprechen Umrüstklausel für Altgeräte vorgesehen.

Die rechtliche Folge dieser Entscheidung durch die PTB ist, da die Messgeräte außer dem Falldatensatz keine „Hilfsgrößen“ mehr speichern, dass allfällige Beiziehungsanträge und Einsichtsanträge gegenstandslos sind. Die sog. „Parität des Wissens“ zwischen Verfolgungsbehörde und Betroffenen ist damit sichergestellt. Es existieren nur noch die Daten (Falldaten), die die Verwaltungsbehörde zur Begründung ihres Vorwurfs verwenden darf. Die Frage, ob das rechtliche Gehör dadurch verletzt wird, dass mögliche weitere Daten aus dem Messgerät dem Betroffenen nicht zugänglich gemacht werden bzw. werden können, hat sich damit erledigt.“

Also man kann Festhalten: Die PTB erlässt mal eben eine neue Baumusterprüfbescheinigung, in der „die Speicherung von sog. Hilfsgrößen untersagt“ wird. Grund: „mißbräuchliche Verwendung dieser gespeicherten Hilfsgrößen in sog. Gutachten“. Ah, da liegt also der Hase im Pfeffer. Der PTB – und den ihr folgenden OLG – passen die „sog. Gutachten“ nicht, mit denen Betroffenen versuchen, die sie belastenden Messergebnisse überprüfen zu lassen. Und da schafft man dann eben diese „Hilfsgrößen“ ab bzw. „untersagt“ deren Erhebung. Das erinnert mich ein wenig an Pippi Langstrumpf. Macht die sich nicht auch die Welt so, wie sie ihr gefällt?

Und das OLG? Nun, die klammheimliche Freude des Einzelrichters – natürlich!! – ist aus dem Beschluss deutlich abzuleiten. Das wundert beim OLG Frankfurt am Main nun wirklich nicht. Wie war das noch mit dem PTB-Magazin: 60 „Blitzer“ in Deutschland? Nun ja, muss jeder selber wissen. Und der VerfGH Saarland bekommt dann natürlich auch gleich noch einen mit. Ätsch-Effekt, oder: Mit Euch müssen wir jetzt gar nicht mehr diskutieren. Denn: Die Frage, ob das rechtliche Gehör dadurch verletzt wird, dass mögliche weitere Daten aus dem Messgerät dem Betroffenen nicht zugänglich gemacht werden bzw. werden können, hat sich damit erledigt.“ So kann man Diskussionen auch beenden. Für mich unfassbar. Es macht einfach keinen Spaß mehr.