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Außer Spesen nichts gewesen – der zweite Teil

Wir hatten ja neulich schon unter dem Titel „Außer Spesen nichts gewesen – das haben wir im Revisionsverfahren häufiger“ über den Beschl. des BGH v. 15.09.2010 – 2 StR 281/10 berichtet. Dieser ist noch aus einem weiteren Grund eine Erwähnung wert. Im Verfahren war auch eine Verfahrensrüge erhoben worden; nämlich Rüge des § 338 Nr. 5 StPO – Abwesenheit einer Person bei einem wesentlichen Teil der Hauptverhandlung, deren Anwesenheit in der Hautpverhandlung erforderlich ist. Diese Rüge hat der BGH als unbegründet angesehen und dazu ausgeführt:

Die Verfahrensrüge eines Verstoßes gegen § 247 Satz 1 i.V.m. § 338 Nr. 5 StPO ist unbegründet. Soweit das Landgericht nach Entfernung des Angeklagten während der Vernehmung der Nebenklägerin in seiner Abwesenheit ein mündliches Gutachten des anwesenden Sachverständigen zur Frage deren weiterer Vernehmungsfähigkeit an diesem Tag eingeholt hat, hat es nicht gegen den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO verstoßen, da nur die Abwesenheit bei einem wesentlichen Teil der Hauptverhandlung die Revision begründet. Die Frage der Vernehmungsfähigkeit eines Zeugen unterliegt dem Freibeweisverfahren (vgl. BGHR StPO § 247 Abwesenheit 22; BGH, Beschluss vom 30. Juli 1992 – 1 StR 271/92). Da die Klärung der Vernehmungsfähigkeit damit auch außerhalb der Hauptverhandlung hätte erfolgen können, erstreckte sich die Abwesenheit des Angeklagten nicht auf einen wesentlichen Teil der Hauptverhandlung (vgl. BGHR StPO § 247 Abwesenheit 17, 24). .Auf die von der Revision mit beachtlichen Gründen angezweifelte Wirksamkeit der Protokollberichtigung kommt es damit nicht an.“

Also auch insoweit: Außer Spesen nichts gewesen. Allerdings: Mich würde ja interessieren, warum die offenbar vorgenommene Protokollberichtigung mit „beachtlichen Gründen“ angezweifelt werden konnte. In der Terminologie eines Revisionsgerichts schon ein deutlicher Hinweis.

Auf zum Großen Senat für Strafsachen

Wir werden sicherlich bald mal wieder eine Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen des BGH bekommen. Der 5. Strafsenat hatte mit Beschluss vom 10.03.2009 (5 StR 460/08) mitgeteilt, dass er zu § 247 StGB wie folgt entscheiden wolle: „Die fortdauernde Abwesenheit des nach § 247 StPO während einer Zeugenvernehmung entfernten Angeklagten bei der Verhandlung über die Entlassung des Zeugen begründet nicht den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO.“ Er hatte daher bei den anderen Strafsenaten angefragt, ob diese an entgegenstehender Rechtsprechung festhalten. Der 4. Strafsenat hat jetzt mitgeteilt, dass er an seiner abweichenden Rechtsprechung festhalte (vgl. Beschl. v. 25.08.2009, 4 Ars 6/09). Der Weg zum Großen Senat ist damit „frei“.

Vorlagebeschlüsse des 5. Strafsenats des BGH

Die Rechtsprechung des BGH verschärft sich weiter: Der 5. Strafsenat hat gestern zwei Vorlagebeschlüsse gefasst, die sinngemäß lauten: 
1. Der Senat beabsichtigt zu entscheiden: Die fortdauernde Abwesenheit des nach § 247 StPO ausgeschlossenen Angeklagten auch während der Verhandlung über die Entlassung begrüdnet nicht mehr den absoluten Revisonsgrund nach § 338 Nr.5 StPO.
2. Ein ähnlicher Beschluß ist zur Inaugenscheinsnahme während des Auschlusses nach § 247 StPO ergangen. Hier soll die protokollierungspflichtige Information des Angeklagten ausreichen.

Fahrradentfernung in Münster vor dem HBF nicht rechtens

Nur hat auch das OVG Münster, das Entfernen von Fahrrädern vor dem HBF Münster gerügt. (vgl. Beschl. v. 30. 01. 2009, 5 A 2239/08)  und damit ein entsprechendes Urteil des Verwaltungsgerichts Münster vom 11.07. 2008 bestätigt. Der Kläger hatte sein Fahrrad auf dem Gehweg unmittelbar an der südlichen Seiten­wand des Treppenabgangs zur Fahrradstation am HBF Münster abgestellt. Im Laufe des Tages verbrachten Mitarbeiter des Ordnungsamtes der Stadt Münster das Rad zu einer Sammelstelle, wo der Kläger es einige Tage später abholte. Auf seine Klage stellte das Verwaltungsgericht fest, dass das Entfernen des Fahrrads rechtswidrig war Den Antrag der beklagten Stadt auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des VG hat das OVG mit dem o.g. Beschluss abge­lehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt: Das Fahrrad des Klägers habe andere Verkehrsteilnehmer nicht behindert. Es habe nur ca. 70 cm in den am Abstellplatz über 6 m breiten Gehweg hineingeragt und damit jedem Fußgänger – auch in der Gruppe, mit Gehhilfe oder mit Gepäck – und jedem Rollstuhlfahrer genügend Raum gelassen, den Bereich zügig zu passieren. Der Kläger habe durch das Abstellen des Fahrrads auch nicht gegen brandschutzrechtliche Vorschriften verstoßen, nach denen Rettungs- und Fluchtwege ständig freizuhalten seien. Die Beklagte habe nicht dargetan, dass die durch das Fahrrad belegte Fläche als Rettungs- und Fluchtweg benötigt werde. Die Fläche sei weder entsprechend beschildert gewesen noch gebe es – bislang – ein Brandschutzkonzept, aus dem sich eine Freihaltepflicht entneh­men lasse.

Ein Hoffnungsschimmer für die Stadt: Nach Auffassung des OVG ist es der Stadt  unbenommen, eine Freihaltepflicht auf der Grundlage eines Brandschutzkonzepts künftig anzuordnen.

Quelle: PM des OVG Münster