Schlagwort-Archive: BtM-Verfahren

Strafzumessung: Die Anwendung des § 31 BtMG – drei Macken im Urteil…

© Sublimages – Fotolia.com

Die Vorschrift des § 31 BtMG spielt in BtM-Verfahren für die Angeklagten ggf. eine große Rolle im Hinblick auf die Höhe der Strafe, also die Strafzumessung. Im Grunde steht immer die Frage im Vordergrund: Reicht das, was der Angeklagte zur Aufklärung beigetragen hat, für die Anwendung des § 31 BtMG und damit für eine geringere Strafe?

Wie mit dem § 31 BtMG umzugehen ist, zeigt sehr schön der BGH, Beschl. v. 23.04.2013 – 1 StR 131/13. Das LG hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Die Strafe hat es dem Strafrahmen des § 30 Abs. 1 BtMG entnommen. Das Vorliegen eines minderschweren Falls gemäß § 30 Abs. 2 BtMG hat es geprüft und dabei auch erwogen, ob ein solcher sich aus dem Eingreifen des vertypten Milderungsgrunds gemäß § 31 Satz 1 BtMG ergeben kann. Die Anwendung dieser Vorschrift hat es dann allerdings mit der Erwägung abgelehnt, der Angeklagte habe „zumindest versucht, Aufklärungshilfe zu leisten, indem er vor der Zeugin KHK’in S. der KPI Hof aussagte“; dies reiche „zur Bejahung der Voraussetzungen des § 31 BtMG nicht aus, da hierdurch keine weiteren Taten aufgedeckt werden konnten“.

Der BGH findet gleich „mehrere Haare in der Suppe“ bzw. Macken im Urteil und hebt auf, und zwar weil:

b) Diese Ausführungen genügen nicht, um die Anwendbarkeit von § 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG auszuschließen. Liegen Angaben eines Angeklagten vor, die möglicherweise Grundlage der Annahme eines Aufklärungserfolges im Sinne der genannten Vorschrift sein können, ist der Tatrichter gehalten, diese in nachvollziehbarer Weise darzulegen, um dem Revisionsgericht die Prüfung zu ermöglichen, ob ein Aufklärungserfolg zutreffend angenommen oder abgelehnt wurde (Senat, Beschluss vom 28. August 2002 – 1 StR 309/02, NStZ 2003, 162 f. mwN). Dem wird das angefochtene Urteil weder mit der Bemerkung von der „versuchten Aufklärungshilfe“ noch mit dem Hinweis auf das Ausbleiben der Aufdeckung von „weiteren Taten“ gerecht. Auf welche tatsächlichen Umstände sich das Tatgericht dabei stützt, kann dem Urteil auch in seinem Gesamtzusammenhang nicht entnommen werden. Die bloße Wertung, es habe keine Aufklärungshilfe festgestellt werden können, genügt zur Ermöglichung der revisionsgerichtlichen Überprüfung ersichtlich nicht (BGH, Beschluss vom 1. März 2011 – 3 StR 496/10).

c) Das angefochtene Urteil lässt zudem eine rechtsfehlerhafte Ablehnung der Anwendung des § 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG auch insoweit besorgen, als das Landgericht auf das Ausbleiben der Aufdeckung „weiterer Taten“ abgestellt hat. Darauf kommt es jedoch nicht an. Es genügt vielmehr für den erforderlichen Aufklärungserfolg, dass ein Angeklagter wesentlich zur Aufdeckung der Tat über seinen eigenen Tatbeitrag hinaus beigetragen hat (BGH, Beschlüsse vom 5. Oktober 2010 – 3 StR 339/10 und vom 28. Dezember 2011 – 2 StR 352/11, StV 2013, 160). Der in § 31 BtMG verwendete Begriff der „Tat“ ist da-bei weder mit dem materiell-rechtlichen Begriff der Tat gemäß §§ 52, 53 StGB noch mit dem prozessualen Tatbegriff (§§ 155, 264 StPO) identisch (vgl. Maier in Münchener Kommentar zum StGB, Band 6, 2. Aufl., § 31 BtMG Rn. 107 f. mwN). Tat gemäß § 31 BtMG ist vielmehr der geschichtliche Vorgang, der das strafbare Verhalten des Angeklagten und strafrechtlich relevante Beiträge an-derer Personen umfasst (BGH, Urteil vom 20. Februar 1991 – 2 StR 608/90, NStZ 1991, 290 f.). Es genügt daher bereits ein auf die verfahrensgegenständ-liche Tat in dem vorgenannten Sinne bezogener Aufklärungserfolg, was das Landgericht möglicherweise verkannt hat.

d) Das Tatgericht durfte auch nicht im Hinblick auf die in § 31 Satz 2 BtMG in Verbindung mit § 46b Abs. 3 StGB angeordnete Präklusion einer erst nach Eröffnung des Hauptverfahrens geleisteten Aufklärungshilfe von der gebotenen Erörterung der Voraussetzungen des § 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG absehen. § 31 Satz 2 BtMG ist zwar vorliegend grundsätzlich anwendbar, weil sowohl die Tat als auch der Eröffnungsbeschluss nach dem aufgrund § 316d EGStGB maßgeblichen 1. September 2009 (zum anwendbaren Recht bei vor diesem Zeitpunkt begangenen Taten und danach ergangenem Eröffnungsbeschluss siehe BGH, Beschlüsse vom 17. April 2012 – 3 StR 79/12 und vom 3. Mai 2011 – 3 StR 123/11, NStZ 2012, 44 f.) erfolgten. Die Feststellungen bieten jedoch Anhaltspunkte für eine durch den Angeklagten vor der Eröffnung des Hauptverfahrens möglicherweise erbrachte Aufklärungshilfe. Das Landgericht teilt näm-lich im Zusammenhang der Ablehnung der Anwendung von § 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG mit, der Angeklagte habe bereits gegenüber einer Polizeibeamtin der Kriminalpolizeiinspektion in Hof ausgesagt. Das lässt eine Aufklärungshilfe während des vorbereitenden Verfahrens möglich erscheinen.“

 

Anfängerfehler: Strafzumessung im BtM-Verfahren ohne Wirkstoffgehalt?

© Gina Sanders – Fotolia.com

Der BGH war mit des Strafzumessung in einem landgerichtlichen Urteil, das den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zwölf Fällen, davon in einem Fall in nicht geringer Menge, und wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt hatte, nun gar nicht zufrieden und er es hat im BGH, Beschl. v. 24.10.2012 – 4 StR 377/12 mit dürren Worten aufgehoben.

In den Fällen 1 bis 11 der Urteilsgründe fehlen Feststellungen zum Wirk-stoffgehalt des gehandelten bzw. im Besitz des Angeklagten aufgefundenen Marihuanas. Ohne diese Angabe vermag das Revisionsgericht nicht zu prüfen, inwieweit die Einzelstrafen rechtsfehlerfrei bemessen sind, da die Wirkstoff-menge einen wesentlichen Umstand für die Beurteilung der Schwere der Tat und die Bestimmung des Schuldumfangs darstellt (vgl. BGH, Beschlüsse vom  22. Oktober 2002 – 4 StR 345/02 – und vom 27. April 2004 – 3 StR 116/04, StV 2004, 602).

In den Fällen 12 und 13 der Urteilsgründe rügt die Revision zu Recht, dass das Landgericht den Umstand, dass das Amphetamin und das Kokain sichergestellt worden sind, nicht strafmildernd berücksichtigt hat. Zwar braucht der Tatrichter im Urteil nur diejenigen Umstände anzuführen, die für die Bemes-sung der Strafe bestimmend gewesen sind (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO). Es stellt aber grundsätzlich einen gewichtigen und deshalb erörterungsbedürftigen Strafmilderungsgrund dar, wenn die Betäubungsmittel sichergestellt werden und es deshalb nicht zu einer Gefährdung von Drogenkonsumenten kommen kann (vgl. BGH, Beschlüsse vom 28. März 2006 – 4 StR 42/06, NStZ-RR 2006, 220, und vom 7. Februar 2012 – 4 StR 653/11, NStZ-RR 2012, 153). Im Fall 12 der Urteilsgründe kommt hinzu, dass der Drogenversand den Ermittlungsbe-hörden aus der Telefonüberwachung bekannt war.

Zumindest hinsichtlich der fehlenden Feststellungen zum Wirkstoffgehalt m.E. ein Anfängerfehler. Und auch die anderen beanstandeten Punkte sollte man wissen und beachten. Und dann kommt das auch noch vom LG Münster :-(.

 

Strafzumessung in BTM-Verfahren –

© yellowj – Fotolia.com

Strafzumessung in BtM-Verfahren hat manche Klippen. Eine davon ist der Umstand, dass der Täter ggf. nicht wegen einer Drogenabhängigkeit gehandelt hat. Damit dann zu argumentieren ist gefährlich, wie der BGH, Beschl. v. 24.10.2012 – 4 StR 392/12 – zeigt:

a) Das Landgericht hat bei der Verneinung eines minder schweren Falls nach § 29a Abs. 2 BtMG zum Nachteil des Angeklagten gewertet, dass er „nicht aus einer Abhängigkeit heraus Handel trieb und das Handeltreiben unterstützte“ (UA 9). Diese Erwägung ist – wie sich aus der allgemeinen Bezugnahme ergibt (UA 10) – auch in die Bemessung der dem Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG i.V.m. den §§ 27, 49 StGB entnommenen Strafe mit gleicher Bewertungsrichtung eingeflossen (UA 10). Da die vorhandene Gewinnorientierung des Angeklagten zusätzlich straferschwerend berücksichtigt worden ist, handelt es sich bei dieser Formulierung nicht lediglich um die negative Beschreibung der fest-gestellten Beweggründe (vgl. BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 350), sondern um eine eigenständige – für den Angeklagten nachteilige – Wertung. Dabei beschränkt sich das Landgericht nicht mehr auf die von ihm festgestellten Tatsachen, sondern misst die Tatmotivation des An-geklagten an einem hypothetischen Sachverhalt, der zu dem zu beurteilenden keinen Bezug hat. Dies ist rechtsfehlerhaft (vgl. BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 350; vom 20. August 1982 – 3 StR 283/82, NStZ 1982, 463; vom 19. November 1992 – 4 StR 549/92, StV 1993, 132; vom 24. September 2009 – 3 StR 294/09, NStZ-RR 2010, 24, 25). Aus den gleichen Gründen ist es auch bedenklich, dass das Landgericht mit negativer Bewertungsrichtung angeführt hat, dass der Angeklagte dem zweiten von ihm unterstützten Auftraggeber „keinen Gefallen“ schuldete (UA 10).

Beweiswürdigung – so einfach ist das nicht

© Sublimages – Fotolia.com

Beweiswürdigung – so einfach ist das nicht, ist der Schluss, den man aus dem BGH, Beschl. v. 26.09.2012 – 5 StR 402/12 ziehen kann. Es handelt sich um eine BtM-Sache, in der der Angeklagte vom LG durch die Aussage eines selbst tatbeteiligten Zeugen, dem eine Strafmilderung gewährt worden ist, als überführt angesehen wurde. Der BGH erinnert an die Anforderungen an die Beweiswürdigung in solchen Fällen:

„3. Bereits die unkonstanten Angaben des Zeugen D. aus den früheren Vernehmungen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 18. November 2010 – 2 StR 497/10 und vom 17. Januar 2002 – 3 StR 417/01, StV 2011, 524 und 2002, 470, 471), die das Landgericht über Vorhalte eingeführt hat, hätten ebenso wie die dem Zeugen D. gewährte Strafmilderung Anlass für eine besonders sorgfältige Würdigung seiner Aussage geben müssen. Hinzu kommt, dass in einem Fall, in dem ein Angeklagter zwar nicht allein, aber doch überwiegend durch die Angaben eines selbst tatbeteiligten Zeugen überführt werden soll, die Urteilsgründe erkennen lassen müssen, dass der Tatrichter alle Umstände, die die Entscheidung zu beeinflussen geeignet sind, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat. Dazu hätte die Strafkammer die Entstehung und den Inhalt der den Angeklagten belasten-den Angaben sowie deren Entwicklung näher darlegen und bewerten müssen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 14. Mai 2008 – 2 StR 147/08, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung, unzureichende 19, vom 17. März 2009 – 4 StR 662/08, NStZ-RR 2009, 212, und vom 4. August 2004 – 5 StR 267/04). Diesen Anforderungen wird das Urteil nicht gerecht.“

Und dann gibt es noch einen allgemeinen Hinweis:

4. Der Senat weist anhand erhobener Beweisantragsrügen darauf hin, dass Anträge auf Zeugenvernehmung von Vernehmungspersonen über bestimmt behauptete frühere Angaben von Belastungs- und Entlastungszeugen inhaltlich nach Maßgabe des § 244 Abs. 3 Satz 2, Abs. 6 StPO und nicht nach § 244 Abs. 2 StPO zu bescheiden sind.

BtM-Geschäft – Täterschaft oder Teilnahme?

© yellowj – Fotolia.com

Insbesondere für die Höhe der Strafe ist in BtM-Verfahren die Frage von Bedeutung: War der Angeklagte (Mit)Täter oder Teilnehmer? Die Antwort richtet sich nach ständiger Rechtsprechung des BGH nach den allgemeinen Abgrenzungskriterien für Täterschaft/Teilnahme. Mittäter ist, wer nicht nur fremdes Tun fördert, sondern einen eigenen Tatbeitrag derart in eine gemeinschaftliche Tat einfügt, dass sein Beitrag als Teil der Tätigkeit des anderen und umgekehrt dessen Tun als Ergänzung seines eigenen Tatanteils erscheint. Und ob ein Beteiligter ein so enges Verhältnis zur Tat hat, ist nach den gesamten Umständen, die von seiner Vorstellung umfasst sind, in wertender Betrachtung zu beurteilen. Darauf weist noch einmal der 3. Strafsenat des BGH im BGH, Beschl. v. 04.09.2012 – 3 StR 337/12 hin und kommt im entschiedenen Fall zunächst mal nur zur Beihilfe:

„b) Nach diesen Maßstäben rechtfertigen die bisherigen Feststellungen nur die Annahme einer Beihilfe des Angeklagten zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Er vermittelte und begleitete lediglich ein fremdes Umsatzgeschäft. Zur Höhe der Entlohnung, die ihm zugesagt war, hat die Kammer keine Feststellungen treffen können; jedoch spricht das in der Beweiswürdigung zitierte Gespräch mit seinem Lieferanten, nach dem im Wesentlichen andere an dem Geschäft verdienen würden, gegen einen hohen Grad des eigenen finanziellen Tatinteresses. Einen eigenen Einfluss auf das Betäubungsmittelgeschäft, die angefragte Menge, deren Preis sowie deren Weiter-verkauf hatte der Angeklagte nicht; ebenso wenig sollte er die gehandelten Betäubungsmittel in Besitz nehmen. Sein Beitrag bei dem Erwerb und der Über-gabe des Heroins beschränkte sich auf das Dolmetschen zwischen den Käufern und dem Lieferanten, so dass auch insoweit keine hinreichend gewichtigen Aktivitäten festgestellt sind, die eine Täterschaft des Angeklagten belegen könnten.