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„Sperrberufung“ ist schon schlimm, aber eine „versteckte, bedingte Berufung“ m.E. ist noch schlimmer

Wir hatten vor einiger Zeit eine Diskussion über die sog. Sperrberufung der StA, wovon gerne Gebrauch gemacht wird (vgl. hier und hier). Heute berichtet im Forum bei LexisNexis Strafrecht (manchmal eine Fundgrube für Blog-Beiträge, aber nicht nur dafür 🙂 über einen anderen Fall betreffend die staatsanwaltschaftliche (Sperr)Berufung, der m.E. noch „schlimmer“ ist und ein – vorsichtig ausgedrückt – bedenkliches Licht auf das Vorgehen des handelnden StA wirft. Ich zitiere:

„Mdt. ist wegen Diebstahls angeklagt, die Beweislage ist dünn. Ich führe eine Freispruchverteidigung. Die StA beantragt in der HV 4 Monate oB.
Das Gericht verurtelit zu 90 TS. Die mündliche Urteilsbegründung ist schwammig.
Morgen läuft die Rechtsmittelfrist ab.
Heute rufe ich bei der Geschäftsstelle an, um zu fragen, ob ein Rechtsmittel der StA vorliegt. Die Antwort: Jein. Unter der Hand wird mir gesagt, dass eine Rechtsmittelschrift vorliege, jedoch nur für den Fall, dass der Angekl. Rechtsmittel einlege.
Das Urteil ist objektiv wohl richtig. Mit der Geldstrafe kommt Mdt. (15 Eintragungen im BZR, davon 11 einschlägig wg. § 242) extrem gut weg.
Ich habe Mdt. geraten, kein Rechtsmittel einzulegen. Bloß: Wäre es taktisch sinnvoll, Berufung einzulegen, um ein Argument für eine spätere gegenseitige Rücknahme zu haben? Wenn ich kein Rechtsmittel einlege und die StA sich doch noch unabhängig von einem Rechtsmittel des Angekl. dazu entschließt, schaue ich recht dumm.“

Lassen wir mal die Taktikfrage außen vor. Interessanter ist m.E. die Frage, welches Verständnis der StA eigentlich vom Rechtsstaat hat. Oder übersehe ich etwas und es gibt inzwischen in der StPO eine Vorschrift, wonach eine versteckte bedingte Berufung der StA möglich/zulässig ist.

Es tun sich auch interessante 🙂 🙁 Fragen auf. Wie soll das denn ablaufen?. Die Berufungsschrift der StA hat doch einen Eingangsstempel (?; sollte sie zumindest haben) und ist eingegangen und damit Aktenbestandteil. Oder nicht bzw. wo wird sie (dann) verwahrt?. Wenn der Kollege jetzt eine Minute vor Ablauf der Berufungsfrist Berufung einlegt, dann muss doch die Berufung in die Akte, oder? Und dann mit welchem Eingangsstempel? Wird keine Berufung eingelegt, dann wird der Aktenbestandteil wieder entfernt? Ist das dann § 274 Abs. 1 Nr. 1 StGB (habe ich jetzt nicht zu Ende geprüft). Die Sache schreit auf jeden Fall nach einer dicken Dienstaufsichtsbeschwerde. M.E darf man das nicht durchgehen lassen. Wehret den Anfängen…! Lässt man es nämlich durchgehen, dann können wir die StPO gleich abschaffen.