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Sexualstraftaten des Rechtsanwalts, oder: Berufsbezogenheit

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Heute zum Auftakt mal eine – m.E. ganz interessante – berufsrechtliche Entscheidung, nämlich der AnwG Frankfurt, Beschl. v. 21.12.2016 – IV AG 55/16-4 EV 411/14, über den der Kollege Vetter auch schon berichtet hat. Das AnwG hat in dem Beschluss die Eröffnung des Hauptverfahrens vor dem Anwaltsgericht abgelehnt. RAK Frankfurt und die GStA hatten versucht, ein anwaltsgerichtliches Verfahren gegen einen Rechtsanwalt einzuleiten. Der war durch das AG Frankfurt mit Urteil vom 29.07.2015 wegen sexueller Nötigung gem. § 177 Abs. 1 Nr. 1 StGB in einem Fall sowie wegen sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen gem. § 182 Abs. 2 StGB in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 11 Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt worden. Im ersten Fall stellte er über eine Internetplattform zu einer volljährigen Frau einen Kontakt her, mit der er gegen Zahlung eines Geldbetrages sexuelle Handlungen vereinbarte. Zu diesem Zweck traf er sich mit ihr am 15.12.2014 in deren Wohnung in Köln. Nachdem die sexuellen Handlungen zunächst einvernehmlich erfolgten, setzte er dann seine sexuellen Wünsche gegen den nun eindeutig und unmissverständlich artikulierten Willen der Frau mit Gewalt durch. In den fünf Fällen des sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen bahnte er über Kontaktplattformen Kontakt zu jugendlichen Mädchen zwischen 15 und 17 Jahren an, denen er Geld für sexuelle Handlungen anbot. Diese Jugendlichen traf er jeweils in Hotels und veranlasste diese zu sexuellen Handlungen, für die er als Gegenleistung Beträge zwischen 40,00 € und 200,00 € zahlte.

Das AnwG hat das Vorliegen der Voraussetzungen des § 113 Abs. 2 BRAO verneint und die Eröffnung des Verfahrens abgelehnt. Begründung u.a.: Keinerlei Verbindung zwischen den rein auf privater Ebene erfolgten sexuellen Handlungen des Rechtsanwalts mit seinen Opfern mit einer anwaltlichen Tätigkeit im weitesten Sinne. Und weiter:  Eine anwaltsgerichtliche Ahndung wäre nur dann möglich, wenn das Verhalten nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, Achtung und Vertrauen des Rechtssuchenden in einer für die Ausübung der Anwaltstätigkeit bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Diese Voraussetzungen seien aber, was der Wortlaut nahelegt eng auszulegen:

„Vor dem Hintergrund dieser Grundsätze ist ein anwaltsgerichtliches Ahndungsbedürfnis i.S. des § 113 Abs. 2 BRAO zu verneinen. Die in den Straftaten zum Ausdruck kommenden Verhaltensdefizite des Rechtsanwalts tangieren nicht die allgemein an einen Rechtsanwalt zu stellenden charakterlichen Anforderungen, wie sie gerade für eine seriöse und zuverlässige Bearbeitung von Rechtsfällen gefordert ist. Die vom Rechtsanwalt begangenen Straftaten verlangen zwar eine sexualpsychologische Aufarbeitung, zeigen aber keine charakterlichen Defizite etwa im Bereich der Wahrheitspflicht oder des Umgangs mit Vermögenswerten, die im Rechtsverkehr eine erhebliche Rolle spielen. Auch spielte bei den Taten sein Beruf als Rechtsanwalt in keiner Weise eine Rolle. Den Entscheidungsgründen des strafgerichtlichen Urteils ist nicht zu entnehmen, dass die Opfer überhaupt wussten, dass der Täter Rechtsanwalt war. Insoweit hatte die berufliche Stellung als Rechtsanwalt auch nicht in irgendeiner Weise bei der Tatbegehung eine Funktion. Soweit der Rechtsanwalt in einem Fall dem Opfer nicht das erwartete gesamte Geld, sondern nur einen geringeren Betrag bezahlt hat, folgt hieraus keine andere Bewertung, da es sich hier nur um einen Nebenaspekt handelt, der dem Geschehen nicht das Gepräge gibt. Es erfolgte insoweit auch keine Verurteilung wegen Betruges, da der Sachverhalt nicht belegt, dass der höhere Betrag nicht lediglich von der Geschädigten erwartet wurde, sondern auch vereinbart war.

Ergänzend ist noch von Relevanz, dass auch ein sachlicher Bezug zwischen den begangenen Straftaten und der anwaltlichen Tätigkeit des Rechtsanwalts fehlt. Der Rechtsanwalt ist als Syndikusanwalt bei einer Bank im Bereich Compliance beschäftigt. Weshalb die vorliegende Tat seine Zuverlässigkeit in seinem Arbeitsbereich in Frage stellen soll, ist nicht ersichtlich. Die Eröffnung des Hauptverfahrens war deshalb abzulehnen. Aus diesem Grund sind die Kosten und notwendigen Auslagen des Rechtsanwalts von der Rechtsanwaltskammer zu tragen.“