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Die „Fortentwicklung der StPO“ im Bundestag, oder: Nachts um 00.20 Uhr in Berlin

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Ich erinnere: In der Pipeline des Gesetzgebungsverfahrens befindet sich für diese Legislaturperiode noch das „„Gesetz zur Fortentwicklung der StPO u.a.. Ich habe über dieses Gesetzesvorhaben schon mehrfach berichtet (vgl. Nach der “Effektivierung” und der “Modernisierung” kommt die “Fortentwicklung” der StPO, oder: Warum?und Aktueller Stand der “Fortentwicklung der StPO” oder: “Mehr, mehr, mehr schrie der kleine Häwelmann”.

Stand des Verfahrens war zuletzt, dass im Bundestag am 14.04.2021 im Rechtsausschuss die Anhörung der Experten stattgefunden hatte mit einem Teilverriss der geplanten Neuerungen. Danach war dann Ruhe.

Nun, inzwischen ist dann aber der Gesetzgeber wieder erwacht und hat gemeint, diese „Fortentwicklung“ auf jeden Fall noch in dieser Legislaturperiode durchpeitschen zu müssen. Ja, anders kann man m.E. nämlich das, was da in dieser Woche gelaufen ist, nicht nennen. Es hat nach fast acht Wochen Stillstand – zumindest nach außen – am Mittwoch (09.06.2021) dann eine Sitzung des Rechtsausschusses stattgefunden, in der eine Beschlussempfehlung beschlossen worden ist (vgl. BT-Drucks 19/30517). Und dann hat man das „Gesetz zur Fortentwicklung der StPO u.a.“ eben noch im  Bundestag beschlossen, und zwar in der vergangenen Nacht (10.06.2021) um 00.20 Uhr als „ZP 24“ der Tagesordnung (ZP = Zusatzpunkt), angesiedelt zwischen der „Rechtsdienstleistung“ und der „Tabaksteuermodernisierung“. Es hat natürlich fulminante Reden gegeben J – Ironiemodus aus. Nein, die hat es natürlich gegeben, sondern die sind zu Protokoll gegeben worden (vgl. die Tagesordnung). Das bedeutet: Die wird wahrscheinlich nie jemand lesen.

Was mich an dem Verfahren so ärgert. Da meint man, die StPO „fortentwicklen“ zu müssen – was m.E. nicht seine. Und das macht man dann aber mal eben so nebenbei nachts um 00.20 Uhr. Das zeigt, welchen Stellenwert das Strafverfahren hat. Nämlich keinen. Denn wie anders soll man es deuten, wenn nachts um 00.20 Uhr die StPO, an der man ja nun schon seit vier Jahren herumdoktert, fortentwickelt. Dafür hatte man doch Zeit genug. Aber nein. Das muss man jetzt noch durchpeitschen. Ebenso wie die Änderungen im Wiederaufnahmerecht der StPO – Stichwort: Wiederaufnahme zu ungusten des Beschuldigten -, die dann noch für heute mal eben auf der Tagesordnung stehen.

In der Sache sind die Änderungen in etwa so gekommen, wie sie in der BT-Drucksache 19/27654 vorgesehen waren. Über einige kleinere Änderungen kann man hinwegsehen. Allerdings wird es eine weitere Änderung geben, die nicht ganz unwesentlich ist. Denn man hate – mal eben so – § 104 StPO noch einmal – über die Defintion der „Nachtzeit“ hinaus – erweitert, nämlich um einen Abs. 2, in dem es dann demnächst heißt:

„1) Zur Nachtzeit dürfen die Wohnung, die Geschäfts-räume und das befriedete Besitztum nur in folgenden Fällen durchsucht werden:

1.bei Verfolgung auf frischer Tat,

2.bei Gefahr im Verzug,

3.wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass während der Durchsuchung auf ein elektronisches Speichermedium zugegriffen werden wird, das als Beweismittel in Betracht kommt, und ohne die Durchsuchung zur Nachtzeit die Auswertung des elektronischen Speichermediums, insbesondere in unverschlüsselter Form, aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre oder

4.zur Wiederergreifung eines entwichenen Gefangenen.“

Zur Begründung dieser Erweiterung siehe S. 19 des Entwurfs. Da heißt es u.a.:

„In Deliktsbereichen, die vorwiegend durch die Nutzung von Computern und Ähnlichem begangen werden, stehen die Ermittlungsbehörden vermehrt vor dem Problem, dass die Täter ihre Datenträger durch den Einsatz von Verschlüsselungstechnologien vor dem Zugriff durch die Strafverfolgungsbehörden schützen. Gelingt die Entschlüsselung nicht und zeigt sich der Beschuldigte auch nicht kooperativ, hat dies zur Folge, dass eine digital-forensische Auswertung nicht erfolgen kann. Daher ist es für die Ermittlungsbehörden zur effektiven Aufklärung von Straftaten von großer Bedeutung, Datenträger möglichst dann zu beschlagnahmen, wenn sie sich in unverschlüsseltem Zustand befinden. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sie während der Durchsuchung vom Beschuldigten genutzt werden. Diese Problematik stellt sich gerade bei Ermittlungen im Bereich der Kinderpornographie und des sexuellen Missbrauchs von Kindern immer wieder. ……

Positiv anzumerken ist, dass es dabei bleibt, dass das in § 163g StPO-E neu geschaffene Instrument der Automatischen Kennzeichenlesesysteme (AKLS) zunächst dann vorrangig nur zu Zwecken der Fahndung geregelt werden soll. Der Bundesrat hatte zwar um Prüfung gebeten, ob der Einsatz von AKLs darüber hinaus in Rahmen von Ermittlungen wegen besonders schwerer Straftaten auf weitere Ermittlungszwecke erweitert werden und insbesondere eine vorübergehende ungefilterte Speicherungsbefugnis von Kennzeichen aller Verkehrsteilnehmer geschaffen werden könne. Dieser Vorschlag war von einigen Sachverständigen in der Anhörung vom 14. April 2021 aus Sicht der staatsanwaltschaftlichen Praxis (sic!!) unterstützt worden. Daran hat man sich dann aber doch wohl wegen des damit verbundenen intensiven Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung sämtlicher Verkehrsteilnehmer nicht in einem Schnellverfahren getraut.

Wie geht es weiter? Nun, das Gesetz wird am 25.06.2021 im Bundesrat beraten werden und den passieren. Und dann haben wir sicherlich noch im Juli die StPO „fortentwickelt“.

Und dazu dann: Es wird zu den Änderungen wieder ein Ebook von mir geben. Und zwar wie gehabt zum Download unter dem Titel: „Fortentwicklung der StPO u.a. Die Änderungen in der StPO 2021 – ein erster Überblick“. Das kann man dann ab jetzt hier vorbestellen. Das Buch/PDF kommt dann nach Inkrafttreten des „Gesetz zur Fortentwicklung der StPO u.a.“ automatisch.

Aktueller Stand der „Fortentwicklung der StPO“ oder: „Mehr, mehr, mehr schrie der kleine Häwelmann“.

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Ich hatte vor einiger Zeit über den sich im Gesetzgebungsverfahren befindenden Entwurf für ein „Gesetz zur Fortentwicklung der StPO u.a.“ berichtet (vgl. Nach der “Effektivierung” und der “Modernisierung” kommt die “Fortentwicklung” der StPO, oder: Warum?).

Das Gesetzgebungsverfahren hat inzwischen Fortgang genommen. Nachdem der Bundesrat in seiner Sitzung vom 05.03.2021 Stellung genommen hat (vgl. BR-Drucks. 57/21 Beschluss)  – Tenor: (Fast) alles gut, aber wir wollen noch mehr – ist das Gesetz bzw. die BT-Drucksache 19/27654 dann bereits am 25.03.2021 im Bundestag beraten worden. Nun ja, „beraten“? Kann man nicht sagen, denn der Gesetzesentwurf ist – ohne Aussprache – warum auch? – den Ausschüssen zugewiesen worden (vgl. BT-PlPr 19/218 , S. 27516D – 27521D ).

Und inzwischen hat am vergangenen Mittwoch, dem 14.04.2021, im Rechtsausschuss die Anhörung stattgefunden. Das Ergebnis: Die Vertreter der Anwaltschaft haben den Entwurf kritisiert/verrrissen, die Vertreter der Staatsanwaltschaften – man hatte schweres Geschütz/Sachverständige aufgefahren – ihn gelobt und Forderungen nach noch mehr neuen Kompetenzen und Ermittlungsmöglichkeiten erhoben. Wie heißt es doch so schön in dem Märchen der „Der kleine Häwelmann“ von Theodor Storm: „Mehr, mehr, mehr schrie der kleine Häwelmann.

Wegen der Einzelheiten verweise ich auf die online gestellten Stellungnahmen der Sachverständigen, die man hier findet. Und eine teilweise Zusammenfassung der Meinungen gibt es dort auch, und zwar wie folgt:

„„Rechtsstaatlich untauglich“

Stefan Conen, Mitglied des Strafrechtsausschusses des Deutscher Anwaltvereins (DAV), sieht den Entwurf äußerst kritisch. Es handele sich in kurzer Abfolge um den dritten Entwurf dieser Legislaturperiode, der dem Titel nach den Anschein zu erwecken suche, eine kohärente Fortschreibung der Strafprozessordnung für künftige Herausforderungen in Angriff zu nehmen, erklärte Conen in seiner Stellungnahme. Wie den vorhergehenden, gelinge dies auch dem vorliegenden nicht.

Konkret lehne der DAV die geplante Anpassung der Belehrungsvorschriften ab, weil sie rechtsstaatlich untauglich sei und dem Beschuldigten nicht den europäischen Mindeststandard garantiere. Ebenfalls abzulehnen sei die vorgesehene Regelung der Geheimhaltung und Zurückstellung von Benachrichtigungen bei Beschlagnahme und Durchsuchung. Änderungen seien bei der Einführung automatisierter Kfz-Kennzeichenabgleichsysteme sowie bei der Ausdehnung des Verletztenbegriffes erforderlich.

Verbesserung des Zeugenschutzes begrüßt

Dilken Çelebi vom Deutscher Juristinnenbund (djb) nahm Stellung zu den gleichstellungspolitisch relevanten Teilen des Entwurfs. Die Einführung einer Legaldefinition des Begriffs der „Verletzten“ in der StPO sei ein weiterer wichtiger Schritt zur Umsetzung der EU-Opferschutzrichtlinie. Ebenfalls begrüßt werde die Verbesserung des Schutzes der Zeugen und Zeuginnen, die zugleich Verletzte und deshalb potenziell in größerer Gefahr seien, durch die Änderungen bezüglich der Angaben zu Wohn- und Aufenthaltsort.

Der djb bedauere, so Çelebi, dass die Gelegenheit verpasst worden sei, die erwachsenen Verletzten eines sexuellen Übergriffs und von Partnerschaftsgewalt mit einem Anspruch auf kostenfreie anwaltliche Vertretung und psychosoziale Prozessbegleitung im Strafverfahren auszustatten.

„Großer Wurf bleibt aus“

Auch Prof. Dr. Christoph Knauer, Vorsitzender des Ausschusses Strafprozessrecht der  Bundesrechtsanwaltskammer, sprach sich für Änderungen am Entwurf aus. Er sei „Flickwerk“, und der ursprünglich angedachte große Wurf, den es gebraucht hätte, bleibe aus. Knauer betonte die Notwendigkeit der Wahrung der Beschuldigtenrechte. Eingriffe und Gesetzentscheidungen seien gegen diese Rechte abzuwägen.

Die StPO bleibe Magna Carta des Beschuldigten; einseitige, verkürzte und unterkomplexe Begründungen für Änderungen verböten sich vor diesem Hintergrund. So begegne die Einführung der Zurückstellung der Benachrichtigung des Beschuldigten erheblichen Bedenken. Damit werde mit dem Prinzip gebrochen, dass spätestens mit einer Zwangsmaßnahme das Ermittlungsverfahren dem Beschuldigten transparent zu machen ist, um ihm Rechtsschutz zu ermöglichen.

„Revisionsbegründungspflicht einziger Lichtblick“

Dr. Ali Norouzi, wie Conen Mitglied des DAV-Strafrechtsausschusses, schickte seinem Statement voraus, dass er angesichts des Entwurfs für ein „Pizza-mit-allem-Gesetz“ nicht in Rechtsstaatspessimismus verfallen wolle.

Viele Kritikpunkte seien bereits angesprochen worden, deshalb wolle er die Regelung zur Revisionsbegründungspflicht hervorheben, die der einzige Lichtblick des Entwurfs sei. Hier nähere sich der Entwurf dem Vorschlag des DAV an, berge aber Risiken.

Neue Ermittlungsinstrumente

Dr. Gerwin Moldenhauer, Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof, begrüßte das mit dem Regierungsentwurf verfolgte Ziel, das Strafprozessrecht in einer Vielzahl von Einzelaspekten behutsam zu modernisieren. Hervorzuheben sei, dass der Entwurf insbesondere wichtige neue Ermittlungsinstrumente wie beispielsweise die retrograde Auskunft von Postdienstleistern oder die automatische Kennzeichenerfassung biete und bestehende Instrumente nachjustiere.

Ausdrücklich zu begrüßen sei, dass der Gesetzgeber im Begriff sei, die Benachrichtigungspflicht auf richterliche Anordnung zurückstellen zu lassen, sofern der Untersuchungszweck gefährdet wäre, eine Straftat von erheblicher Bedeutung vorliegt und die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise wesentlich erschwert oder aussichtslos wäre.

„Praktischer Anwendungsbereich begrenzt“

Oberstaatsanwalt Dr. Alexander Ecker von der Generalstaatsanwaltschaft München bemängelte, dass die Schaffung einer Befugnisnorm für die Abfrage von Sendungsdaten bei Postdienstleistern zur Bekämpfung des organisierten Handels mit illegalen Waren nicht weit genug gehe.

Die Einführung einer Befugnis der Strafverfolgungsbehörden zur automatischen Erhebung von Fahrzeugkennzeichen sei viel zu eng gefasst und der praktische Anwendungsbereich damit äußerst begrenzt.

Verfolgung von Kinderpornografie und Drogenhandel

Auch Bernard Südbeck, Leitender Oberstaatsanwalt bei der Staatsanwaltschaft Osnabrück, unterstützte die geplante Zurückstellung der Benachrichtigung des Beschuldigten. Durch die angestrebte Neuregelung werde eine Regelungslücke, die bisher zu großen Problemen bei der Ermittlung von Straftaten der Kinderpornografie, dem Drogenhandel und zahlreichen Delikten im Darknet führe, sachgerecht geschlossen, erklärte er in seiner Stellungnahme.

Zu begrüßen seien auch die weiteren Regelungen zur Verbesserung der Arbeit der Ermittlungsbehörden. Aus der Sicht von Dr. Axel Isak, Leitender Oberstaatsanwalt bei der Staatsanwaltschaft Baden-Baden, sind einige dieser Regelungen noch diskussionsbedürftig.“

Wenn ich das alles so lese, befürchte ich, dass angesichts der derzeitigen Stimmung die Rufe/Mahnungen der Anwaltschaft ungehört verschallen werden, man aber denen aus dem Lage der Strafverfolgungsbehörden zumindest teilweise folgen wird. Mir schwant nichts Gutes.

Effektivere Bekämpfung von Nachstellungen, oder: Bessere Erfassung des Cyberstalkings?

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Und dann gleich noch ein Gesetzentwurf zur „Effektivierung“ bestehender Regelungen, auf den ich hinweisen kann. Nämlich:

Veröffentlicht worden ist der Referentenentwurf zum „Gesetzentwurf zur effektiveren Bekämpfung von Stalking„.  Danach soll der Straftatbestand der Nachstellung (§ 238 StGB) ausgeweitet werden und digitales Stalking im Netz und über Apps erfassen.

Dazu das BMJV und die allseits beliebte Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz in einer PM:

“ Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat heute den Entwurf eines „Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – effektivere Bekämpfung von Nachstellungen und bessere Erfassung des Cyberstalkings“ veröffentlicht. Länder und Verbände können hierzu nun bis zum 1. März 2021 Stellung nehmen.

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht erklärt:

„Stalking ist für Betroffene oft schrecklicher Psychoterror – mit traumatischen Folgen. Stalker verfolgen, belästigen und bedrohen Menschen oft Tag und Nacht, und das über lange Zeit. Die Übergriffe reichen bis hin zu körperlicher und sexualisierter Gewalt.

Ich möchte die Betroffenen besser schützen. Es müssen mehr Stalking-Fälle vor Gericht kommen und die Täter konsequent zur Verantwortung gezogen werden. Der Straftatbestand der Nachstellung hat bisher zu hohe Hürden. Der Straftatbestand greift bisher nur bei beharrlichem Täterverhalten und schwerwiegenden Eingriffen in das Leben der Betroffenen. Ich möchte die Anwendung der Strafvorschrift erleichtern und die Strafbarkeitsschwellen senken. Auch im Netz und über Apps werden Menschen immer wieder ausgeforscht und eingeschüchtert, falsche Identitäten vorgetäuscht und Betroffene diffamiert. Auch diese Taten möchten wir ausdrücklich als digitales Stalking unter Strafe stellen.“

Stalking richtet sich meist gegen Frauen, seltener aber auch gegen Männer. Nach wissenschaftlichen Untersuchungen werden 11 Prozent der Bevölkerung mindestens einmal im Leben Opfer von Stalkern.

Nachgewiesen werden muss derzeit ein „beharrliches“ Nachstellungsverhalten, das geeignet ist, die Lebensgestaltung des Opfers „schwerwiegend“ zu beeinträchtigen. Diese Hürden sollen abgesenkt werden. Im Gesetzestext soll das Wort „beharrlich“ durch „wiederholt“ und das Wort „schwerwiegend“ durch „nicht unerheblich“ ersetzt werden.

Der Strafrahmen soll weiter eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe vorsehen. Zugleich soll der Gesetzentwurf aber eine Neuregelung für besonders schwere Fälle vorsehen, bei denen eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren ausgesprochen werden kann. Hierzu sollen u.a. Fälle von Nachstellungen über lange Zeiträume oder Taten gehören, durch die der Täter eine Gesundheitsschädigung des Opfers oder einer dem Opfer nahestehenden Person verursacht.

Beispiele für Stalking sind:

  • Anrufe oder Nachrichten zu allen Tages- und Nachtzeiten
  • Verfolgen und Auflauern vor der Wohnung oder dem Arbeitsplatz
  • Veranlassen von Dritten, Kontakt zum Opfer aufzunehmen (zum Beispiel durch Erstellung von Fake-Profilen auf Single-Portalen)
  • Warenbestellungen unter dem Namen der Opfer
  • Beleidigungen, Bedrohungen, Nötigungen“

Etwas Gutes hat das Ganze ja: Die Zeitschriften haben Stoff zum Berichten 🙂 .

Nach der „Effektivierung“ und der „Modernisierung“ kommt die „Fortentwicklung“ der StPO, oder: Warum?

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Es ist mal wieder so weit. Nachdem die StPO 2017 effektiviert worden ist, man sie 2019 modernisiert hat und auch das Recht der Pflichtverteidigung neu geregelt hat, gibt es nun das nächste Gesetzgebungsvorhaben. Man höre und staune: Die StPO wird „fortentwickelt“.

Im Gesetzgebungsverfahren befindet sich nämlich auf Initiative der Bundesregierung ein „Gesetz zur Fortentwicklung der Strafprozessordnung und zur Änderung weiterer Vorschriften  Initiative:Bundesregierung“ (BR-Drs. 57/21). Das steht für kommenden Freitag auf der Tagesordnung der 1.001-Bundesratssitzung. Das spricht dafür, dass man das Gesetz noch in dieser Legislaturperiode durch den Bundestag bringen will.

Folgende Änderungen kommen da auf uns zu:

Änderungen im Recht des Ermittlungsverfahrens

  • Die Befugnis zur Postbeschlagnahme nach § 99 StPO soll um ein „Auskunftsverlangen“ in einem neuen Abs. 2 ergänzt werden.
  • In 104 Abs. 3 StPO soll der Begriff der Nachtzeit vereinheitlicht werden, und zwar einheitlich auf die Zeit zwischen neun Uhr abends und sechs Uhr (dazu BVerfG, Beschl. v. 12.03.2019 – 2 BvR 675/14, NJW 2019, 1428).
  • In 114b StPO soll in S. 1 die Belehrung des verhafteten Beschuldigten an die Hinweispflichten in §§ 136 Abs. 1, 163a StPO und in S. 3 an die in §§ 186 Abs. 1 S. 3, Abs. 2 GVG angepasst werden. In § 114b Abs. 2 StPO werden die Belehrungspflichten betreffend Bestellung eines Pflichtverteidigers und der Akteneinsicht erweitert.
  • Bei den Vernehmungen sind folgende Änderungen vorgeschlagen.
    • Die Belehrungspflicht des 136 StPO wird ebenfalls erweitert. Der Beschuldigte soll nicht mehr nur vor der ersten Vernehmung, über den Tatvorwurf, die Aussagefreiheit und die Verteidigerkonsultation hingewiesen, sondern bei jeder Vernehmung.
    • In einem neuen 136 Abs. 3 StPO soll auf § 58b StPO verwiesen und damit ausdrücklich geregelt werden, dass im Ermittlungsverfahren für polizeiliche, staatsanwaltschaftliche wie auch richterliche Vernehmungspersonen die Möglichkeit besteht, einen Beschuldigten in geeigneten Fällen im Wege der Bild- und Tonübertragung zu vernehmen.
  • Schließlich soll in 163a Abs. 5 StPO klargestellt werden, dass hör- oder sprachbehinderten Beschuldigten das Recht zusteht, auch im Rahmen ihrer staatsanwaltschaftlichen oder polizeilichen Vernehmung im Ermittlungsverfahren die in § 186 GVG vorgesehenen Kommunikationshilfen in Anspruch zu nehmen.
  • In einem neuen 163g StPO will man die Befugnis zur „Automatischen Kennzeichenerfassung zu Fahndungszwecken“ im öffentlichen Verkehrsraum schaffen.

Sonstige „Nachjustierungen“/Anpassungen/Ergänzungen

  • Im Recht der Vermögensabschöpfung (§§ 73 ff. StGB) sind etliche Ergänzungen/Klarstellungen vorgesehen.
  • Im Zusammenhang mit der Einführung der elektronischen Akte werden Klarstellungen als erforderlich angesehen. So soll z.B. durch eine Streichung in § 32b Abs. 1 S. 2 StPO klargestellt werden, dass auf lediglich schriftlich abzufassenden Dokumenten künftig keine qualifizierten elektronischen Signaturen angebracht werden müssen. Die nach § 32e Abs. 3 S. 2 StPO bei der Übertragung mit einer qualifizierten elektronischen Signatur zu versehenden Schriftstücke sollen künftig ausdrücklich auf handschriftlich unterzeichnete staatsanwaltschaftliche und gerichtliche Schriftstücke begrenzt werden. Zudem soll § 32f betreffend die Form der Gewährung von AE dahin ergänzt werden, dass künftig gleichrangig neben der Bereitstellung des Inhalts der Akten zum Abruf über ein Akteneinsichtsportal die Möglichkeit der Übermittlung des Inhalts der Akten auf einem sicheren Übertragungsweg i.S. des § 32a Abs. 4 StPO tritt.
  • In einem neuen 373b StPO soll in Umsetzung der EU-Richtlinie 2012/29/EU v. 25.10.2012 über Mindeststandards für die Rechte, die Unterstützung und den Schutz von Opfern sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2001/220/JI (Opferschutzrichtlinie, ABI. L 315 v. 14.11.2021, S. 57) der „Begriff des Verletzten“ definiert werden. Vorgesehen ist dort aber nur eine Definition des Verletzten für die StPO. Als Verletzte im Sinne der StPO sollen diejenigen anzusehen sein, „die durch die Tat, ihre Begehung unterstellt oder rechtskräftig festgestellt, in ihren Rechtsgütern unmittelbar beeinträchtigt worden sind oder unmittelbar einen Schaden erlitten haben“. Verletzten gleichgestellt werden der Ehegatte bzw. der Lebenspartner, der in einem gemeinsamen Haushalt lebende Lebensgefährte, die Verwandten in gerader Linie, die Geschwister und die Unterhaltsberechtigten und eine Person, deren Tod eine direkte Folge der Tat, ihre Begehung unterstellt oder rechtskräftig festgestellt, gewesen ist.
  • In 68 StPO wird in S. 1 und 2 klargestellt werden, dass bei der Vernehmung eines Zeugen im Ermittlungsverfahren grds. die vollständige Anschrift festzustellen ist, während in der Hauptverhandlung und in richterlichen Vernehmungen in Anwesenheit des Beschuldigten die vollständige Anschrift von Zeugen grds. nicht (mehr) abgefragt wird, sondern nur deren Wohn- oder Aufenthaltsort.
  • Neu gefasst werden soll in 168 S. 3 StPO bzw. in § 168a StPO die Art der Protokollierung richterlicher und/oder ermittlungsbehördlicher Untersuchungshandlungen).
  • In 68c Abs. 5 S. 3 StPO ist eine Stärkung des Anwesenheitsrechts des Verteidigers vorgesehen. Danach soll die Benachrichtigung des Verteidigers von der richterlichen Vernehmung des Beschuldigten nur (noch) unterbleiben, wenn sie den Untersuchungserfolg erheblich gefährden würde.
  • Schließlich ist in 74c Abs. 1 Nr. 5a GVG eine Erweiterung der Zuständigkeit der Wirtschaftsstrafkammer auf die Fälle der Bestechlichkeit im Gesundheitswesen, der Bestechung im Gesundheitswesen, der Bestechlichkeit und der Bestechung ausländischer und internationaler Bediensteter sowie nach dem Gesetz zur Bekämpfung internationaler Bestechung erweitert.

Strafzumessung III: Änderungen im Anti-Doping-Gesetz, oder: Kronzeugenregelung geplant

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Vor ein paar Tagen ist eine PM des BMJV über die Ticker gelaufen. Das dort angekündigte Gesetzesvorhaben hat, wenn es umgesetzt wird, Auswirkungen auf die Strafzumessung.

Geplant ist danach eine Kronzeugenregelung im Anti-Doping-Gesetz. In der PM heißt es:

Sichtbarer Anreiz, Informationen über dopende Leistungssportlerinnen und Leistungssportler, Hintermänner und kriminelle Netzwerke preiszugeben

Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) hat heute einen Gesetzentwurf veröffentlicht, mit dem eine Kronzeugenregelung im Anti-Doping-Gesetz eingeführt werden soll. Der Gesetzentwurf ist durch das Bundesministerium für Gesundheit, das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat und das BMJV gemeinsam erarbeitet worden. Länder und Verbände können bis zum 1. März 2021 dazu Stellung nehmen.

Bei Ermittlungen in Doping-Fällen sind die Ermittlungsbehörden in besonderer Weise auf Informationen von Sportlerinnen und Sportlern und ihrem Umfeld angewiesen. Meist handelt es sich um geschlossene Strukturen, in denen nur schwer ohne Hilfe von Insiderinformationen ermittelt werden kann. Das Ziel ist, einen sichtbaren Anreiz für Täterinnen und Täter zu schaffen, Informationen über dopende Leistungssportlerinnen und Leistungssportler, Hintermänner und kriminelle Netzwerke preiszugeben. Es soll, in Anlehnung an § 31 des Betäubungsmittelgesetzes, eine zusätzliche, bereichsspezifische Regelung zur Strafmilderung oder zum Absehen von Strafe bei Aufklärungs- und Präventionshilfe eingeführt werden.

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht:
„Doping hat ganze Sportarten an den Rand des Abgrunds gebracht. Das Anti-Doping-Gesetz ist ein deutliches Zeichen des Rechtsstaats, Betrüger und ihre Hintermänner zur Verantwortung zu ziehen. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass wir weitergehen müssen: Wir wollen eine spezifische Kronzeugenregelung schaffen, um die Insider zu ermutigen, mit ihrem Wissen Doping offenzulegen. Wir brauchen diesen sichtbaren Anreiz, um den Strafverfolgungsbehörden die Ermittlungen in diesem abgeschotteten Bereich zu erleichtern.“

Mit dem Anti-Doping-Gesetz wurde im Dezember 2015 erstmalig eine Strafbarkeit für Leistungssportlerinnen und Leistungssportler geschaffen, die Dopingmittel oder Dopingmethoden anwenden, um sich Vorteile in einem Wettbewerb des organisierten Sports zu verschaffen. Ihnen drohen bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafen. Die gewerbsmäßige Herstellung oder der Handel mit Dopingmitteln ist ebenso wie die Abgabe an Jugendliche ein Verbrechen mit einem Strafrahmen von einem bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe.“

Irgendwie merkt man, dass das Ende der Legislaturperiode naht. Es werden Ecken sauber gemacht 🙂 –

Den Entwurf des Gesetzes zur Änderung des Anti-Doping-Gesetzes findet man hier.