„Leerfahrt“ und Heranziehung zu Abschleppkosten, oder: Anderweitiger Abschleppfahrzeugeinsatz

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Und heute im „Kessel Buntes“ mal wieder zwei Entscheidungen aus dem verkehrsverwaltungsrechtlichen Bereich.

Ich beginne mit dem VG Neustadt (Weinstraße), Urt. v. 13.11.2023 – 5 K 82/23.NW -, das sich noch einmal zur Heranziehung zu Abschleppkosten bei abgebrochenem Vollzug eines Abschleppfahrzeugeinsatzes äußert.

Der Kläger klagte gegen einen Kostenbescheid, mit dem ihm die Kosten eines abgebrochenen Abschleppvorgangs auferlegt wurden. Der Kläger hatte im Oktober 2021 seinen PKW in der Deidesheim auf einer Straße so geparkt, dass hierdurch eine Restfahrbahnbreite von nur noch 2,65m verblieb. Daraufhin kontaktierte ein Mitarbeiter der Beklagten einen Abschleppdienst, der um ca. 15:54 Uhr vor Ort eintraf. Im weiteren Verlauf kam der Kläger hinzu und fuhr sein Fahrzeug persönlich weg, sodass dieses nicht abgeschleppt wurde. Stattdessen schleppte derselbe Abschleppwagen ein hinter dem Fahrzeug des Klägers parkendes Fahrzeug ab. Der Kläger bezahlte die Rechnung des Abschleppunternehmers in Höhe von 297,50 EUR vor Ort.

Mit Schreiben seines Bevollmächtigten hat der Kläger dann Widerspruch eingelegt und hat die Rückerstattung des gezahlten Betrages verlangt, da im Falle einer Leerfahrt keine Kosten von ihm verlangt werden dürften, wenn wie hier geschehen mit demselben Abschleppfahrzeug unmittelbar im Anschluss ein anderes Fahrzeug abgeschleppt werde.

Die Beklagte trat der Darstellung des Klägers entgegen und erklärte, dass es sich keineswegs um eine Leerfahrt gehandelt habe, da bereits konkret mit den Arbeiten am Fahrzeug des Klägers begonnen worden sei. Das Abschleppfahrzeug sei bereits in Position gebracht, die Abschleppgabel heruntergelassen und unter das Fahrzeug des Klägers geschoben worden. Diese Kosten seien spezifisch für das Fahrzeug des Klägers entstanden und könnten nicht dem Folgefahrzeug auferlegt werden. Insbesondere dürfe die Ordnungsbehörde die Herausgabe des abgeschleppten Fahrzeugs gem. § 6 POG i.V.m. § 63 Abs. 2 LVwVG i.V.m. § 273 BGB analog von der Zahlung der Abschleppkosten abhängig machen.

Mit Bescheid vom 02.11.2021 legte die Beklagte dem Kläger die Kosten für den abgebrochenen Abschleppvorgang in Höhe von 297,50 EUR zzgl. Verwaltungsgebühren für die Durchführung in Höhe von 52,00 EUR, in Höhe von 18,00 EUR für den Erlass des Kostenbescheids und 4,00 EUR für die Postzustellungsurkunde, mithin 371,50 EUR auf.

Die dagegen gerichtete Klage hatte weitgehend Erfolg. Hier die Leitsätze des VG zu dem in der Sache ergangenen Urteil:

1. Dem Zustandsverantwortlichen können die Kosten der Abschleppmaßnahme auch im Falle einer sog. Leerfahrt oder eines abgebrochenen Abschleppvorgangs auferlegt werden.

2. Dies gilt jedoch im Falle einer Leerfahrt grundsätzlich dann nicht, wenn unmittelbar danach mit demselben Abschleppfahrzeug ein anderes Fahrzeug abgeschleppt wird und die Kosten hierfür dem anderen Verantwortlichen auferlegt werden.

3. Wurden im Falle eines abgebrochenen Abschleppvorgangs bereits spezifische auf die Entfernung des Fahrzeugs gerichtete Leistungen erbracht, die nicht dem für das ersatzweise abgeschleppte Fahrzeug Verantwortlichen in Rechnung gestellt werden können, ist die Geltendmachung der für diese spezifischen Aufwendungen entstandenen Kosten auch unter Berücksichtigung des Äquivalenzprinzips gerechtfertigt.

4. Für die Frage, ob solche abrechenbaren Leistungen entstanden sind, kommt es nicht in erster Linie auf das Bestehen einer technischen Verbindung zwischen dem abzuschleppenden Fahrzeug und dem Abschleppwagen an (so aber: OVG Hamburg, Urteil vom 28. März 2000, 3 Bf 215/98, juris, Rn. 46), sondern darauf, ob bereits so erhebliche Aufwendungen seitens des Abschleppunternehmers getätigt wurden, die eine Abrechnung dieser Leistungen rechtfertigen.

5. Den Ordnungsbehörden und erst recht dem Abschleppunternehmer steht kein Zurückbehaltungsrecht an dem im Abschleppen befindlichen Fahrzeug zu. Ein Zurückbehaltungsrecht wie dies gesetzlich für den Fall der Sicherstellung nach § 25 Abs. 3 Satz 3 POG ausdrücklich geregelt ist, findet für den Fall der unmittelbaren Ausführung nach § 6 Abs. 2 POG in den landesrechtlichen Regelungen weder im POG noch im LVwVG eine Stütze und kann auch nicht aus einer analogen Anwendung des § 273 BGB hergeleitet werden.

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