Ende im Streit um Erledigungspensum des Richters?, oder: Verfassungsbeschwerde jedenfalls unzulässig

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Im „Kessel Buntes“ stelle ich dann heute zwei Entscheidungen vor, die nun wirklich wenig miteinander zu tun haben. Die eine kommt vom BVerfG, die andere von einem AG.

Ich starte mit dem BVerfG, Beschl. v. 11.11.2021 – 2 BvR 1473/20. Das ist/war das Verfahren, in dem jahrelang um ein richterliche Ermahnung gestritten worden ist. Ermahnt worden ist ein Richter am OLG. Nach entsprechender Ankündigung und vorangegangenem Gespräch hatte die Präsidentin des zuständigen OLG im Januar 2012 (!) einen Bescheid erlassen, mit dem sie dem Richter im Rahmen der Dienstaufsicht die ordnungswidrige Art der Ausführung seiner Amtsgeschäfte gemäß § 26 Abs. 2 DRiG vorhielt und ihn zu ordnungsgemäßer, unverzögerter Erledigung der Amtsgeschäfte ermahnte. Sie führte aus, dass der Richter das Durchschnittspensum seit Jahren „ganz erheblich und jenseits aller großzügig zu bemessender Toleranzbereiche“ unterschreite.

Der vom Richter gegen den Bescheid erhobene Widerspruch sowie der Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit des Bescheids vor dem Dienstgericht blieben ebenso ohne Erfolg wie die anschließend eingelegte Berufung. Auf die Revision des Beschwerdeführers hat der BGH – Dienstgericht des Bundes – das Berufungsurteil aufgehogen und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an den Dienstgerichtshof zurück verwiesen. Der Vorhalt und das Anhalten zu einer unverzögerten Erledigung beeinträchtigten den Richter nach Auffassung des BGH zwar grundsätzlich nicht in seiner richterlichen Unabhängigkeit. Die Grenze zu einer solchen Beeinträchtigung werde erst überschritten, wenn ein Pensum abverlangt werde, welches sich allgemein, also auch von anderen Richtern, sachgerecht nicht mehr bewältigen lasse. Der Dienstgerichtshof hätte jedoch den Einwendungen des Richters zur Ermittlung der Durchschnittszahlen nachgehen müssen. Nach Einholung weiterer Stellungnahmen zu den erhobenen Zahlen hat der Dienstgerichtshof die Berufung dann im Mai 2019 erneut zurück gewiesen. Die dagegen gerichtete Revision beim BGH blieb erfolglos. Der Dienstgerichtshof habe den Prüfungsantrag nunmehr ohne Rechtsfehler für unbegründet erachtet. Dem Beschwerdeführer werde mit dem angefochtenen Bescheid nach der Auslegung des Dienstgerichtshofs keine bestimmte, sondern nur eine insgesamt höhere, sich mehr dem Durchschnitt annähernde Arbeitsleistung abverlangt. Der Vorhalt beeinträchtige den Beschwerdeführer unter Zugrundelegung der ergänzenden Feststellungen nicht in seiner richterlichen Unabhängigkeit.

Dagegen dann die Verfassungsbeschwerde, mit der insbesondere eine Verletzung der richterlichen Unabhängigkeit von Art. 33 Abs. 5 in Verbindung mit Art. 97 Abs. 1 GG gerügt worden ist.

Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Wegen der Einzelheiten verweise ich auf den verlinkten Volltext. Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerde als unzulässig angesehen, sie sei nicht hinreichend substantiiert begründet. Dazu aus der PM des BVerfG:

„Dem Beschwerdevorbringen lässt sich eine Verletzung der richterlichen Unabhängigkeit nicht mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen.

a) Da der Beschwerdeführer die Regelung des § 26 Abs. 2 DRiG verfassungsrechtlich nicht in Zweifel zieht, hätte er sich näher mit ihrem Inhalt auseinandersetzen und darlegen müssen, welcher Anwendungsbereich noch bliebe, wenn, wie er meint, die „Sachgerechtigkeit“ der Erledigung allein durch die subjektive Überzeugung und persönliche Arbeitsweise des einzelnen Richters bestimmt wird. Er führt zwar aus, dass der Vorhalt einer „unzureichenden Arbeitsleistung“ nur insoweit zulässig sei, als damit keine Einflussnahme auf die richterliche Arbeit verbunden sei; dies könnte beispielsweise bei einer unzureichenden Arbeitszeit oder bei der willkürlichen Nichtbeachtung einer gesetzlichen Frist möglich sein. Diese Ausführungen setzen sich jedoch nicht mit dem Wortlaut des § 26 Abs. 2 DRiG und der vom Gesetzgeber ausdrücklich vorgesehenen Befugnis der Dienstaufsicht auseinander, nicht nur zu „ordnungsgemäßer“, sondern auch zu „unverzögerter“ Erledigung der Amtsgeschäfte zu ermahnen. Der Beschwerdeführer berücksichtigt auch nicht, dass das Abstellen auf ein an Durchschnittswerten orientiertes Verständnis von Sachgerechtigkeit unter Wahrung „großzügiger Toleranzbereiche“ die richterliche Unabhängigkeit möglicherweise eher schützt als einengt.

b) Ungeachtet dessen legt der Beschwerdeführer auch eine Verletzung seiner richterlichen Unabhängigkeit durch die konkrete Anwendung des § 26 Abs. 2 DRiG in Gestalt der angegriffenen Entscheidungen nicht substantiiert dar.

Soweit er geltend macht, er sei von der Präsidentin durch Bescheid vom Januar 2012 zur Erzielung bestimmter Durchschnittszahlen aufgefordert worden, zeigt er nicht auf, dass auch die – anderslautende – Auslegung, die dieser Bescheid durch die späteren Entscheidungen der Dienstgerichte erfahren hat, unvertretbar sein könnte. So hat der Dienstgerichtshof ausgeführt, dass dem Beschwerdeführer mit dem Bescheid eine quantitativ unbefriedigende Arbeitsleistung vorgehalten und nicht nur ein statistischer Zahlenvergleich vorgenommen werde. Der Vorhalt verlange bei zutreffender Auslegung nur eine insgesamt höhere, sich dem Durchschnitt annähernde Arbeitsleistung. Mit dieser vom Dienstgericht des Bundes revisionsrechtlich nicht beanstandeten tatrichterlichen Würdigung setzt sich der Beschwerdeführer nicht auseinander. Zudem hat der Dienstgerichtshof ausgeführt, der Vorhalt sei so zu verstehen, dass der Beschwerdeführer selbst seine Arbeitsweise reflektieren könne auf etwaige Vorgehensweisen, die ihn unnötig viel Zeit kosteten, ohne dass sich dies auf die Prüfung der einzelnen Fälle oder allgemein die Qualität der Rechtsprechung auswirken könnte. Dies betreffe nicht die eigentliche Rechtsprechung oder Sorgfalt bei der Bearbeitung der Verfahren, sondern beispielsweise organisatorische Aspekte. Auch das Dienstgericht des Bundes hat festgestellt, dass die in dem Vorhalt enthaltene Aufforderung, die Arbeitsweise zu ändern, gerade nicht bedeute, in einem bestimmten Sinn zu entscheiden oder das Amt in einer bestimmten Richtung auszuüben.

Darüber hinaus lässt der Beschwerdeführer unberücksichtigt, dass er zuletzt vor den Dienstgerichten und auch im vorliegenden Verfassungsbeschwerdeverfahren wiederholt vorgetragen hat, er ziehe nicht in Zweifel, dass seine Kolleginnen und Kollegen am Oberlandesgericht ihre Entscheidungen im vorerwähnten Sinne sachgerecht und an das Gesetz gebunden träfen. Im Hinblick auf den Umstand, dass sich der vom Beschwerdeführer beanstandete Vorhalt an der Erledigungsleistung dieser Kolleginnen und Kollegen orientiert, gelingt es dem Beschwerdeführer nicht, nachvollziehbar zu begründen, dass er selbst ? anders als seine Kolleginnen und Kollegen ? dem Vorhalt nur durch eine Änderung der Rechtsanwendung nachkommen könnte, die von ihm nur unter Verletzung seiner richterlichen Unabhängigkeit verlangt werden könnte…..“

Vielleicht ist ja jetzt Ruhe 🙂 .

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