StPO III: Verlesung eines ärztlichen Attestes, oder: Wenn die eigenhändige Unterschrift fehlt

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Und als dritte und letzte Entscheidung stelle ich dann hier das BGH, Urt. v. 10.03.2021 – 6 StR 285/20 – vor. Er hat eine Verlesungsproblematik zum Gegenstand.

Das LG hat den Angeklagten wegen eines Raubüberfalls und u.a. auch wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt. In der Hauptverhandlung ist ein ärztliches Attest über die Untersuchung der Nebenklägerin zum Gegenstand der Beweisaufnahme gemacht worden. Das hat der Angeklagte mit der Verfahrensrüge beanstandet. Ohne Erfolg:

„1. Entgegen der Auffassung der Revision durfte das ärztliche Attest über die Untersuchung der Nebenklägerin zum Gegenstand der Beweisaufnahme gemacht werden.

a) Die fehlende eigenhändige Unterschrift unter das lediglich mit maschinenschriftlichen Namenszügen unterzeichnete ärztliche Attest hinderte dessen Verlesbarkeit nicht. Denn § 256 Abs. 1 Nr. 2 StPO verlangt keine besondere Form. Erforderlich ist lediglich, dass es sich um eine schriftliche Erklärung ärztlicher Herkunft handelt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 18. April 2007 ‒ 2 StR 111/07; vom 1. August 2018 ‒ 5 StR 330/18, BGHR StPO § 256 Abs. 1 Nr. 5 Ermittlungsmaßnahmen 4; vom 7. August 2019 ‒ 1 StR 57/19; MüKo StPO/Krüger, § 256 Rn. 30; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Auflage, § 256 Rn. 19; Alsberg/Dallmeyer, Der Beweisantrag im Strafprozess, 7. Aufl., Rn. 541). Diesen Anforderungen genügt das mit dem Briefkopf des Klinikums B. versehene Schreiben, in dem als für das Attest verantwortlicher Arzt neben dem Chefarzt des Klinikums der Zeuge R. genannt ist. Dieser wurde auch polizeilich zu seinen Feststellungen bei der Untersuchung der Nebenklägerin vernommen und das Vernehmungsprotokoll wurde in der Hauptverhandlung gemäß § 251 Abs. 1 Nr. 1 StPO verlesen. Aus Form und inhaltlicher Gestaltung des Attests sowie aus dem Inhalt des Vernehmungsprotokolls ist klar erkennbar, dass die Bescheinigung das Ergebnis der ärztlichen Untersuchung der Nebenklägerin durch den Zeugen zusammenfasst und dieser sowie der Chefarzt der Klinik die Verantwortung für die getroffenen Feststellungen übernommen haben.

b) Zwar durften die im Attest zusätzlich enthaltenen Ausführungen zu den Verletzungsursachen und damit zum Tathergang nicht nach § 256 Abs. 1 Nr. 2 StPO verlesen werden. Darauf beruht das Urteil jedoch nicht. Denn das Landgericht hat seine Überzeugung zu den verletzungsursächlichen Gewalttätigkeiten nicht auf das ärztliche Attest gestützt, sondern auf die Angaben der Nebenklägerin bei ihrer polizeilichen Vernehmung und auf diejenigen ihres Sohns in der Hauptverhandlung.“

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