Beweiswürdigung II: Freispruch, oder: „unzureichenden Würdigung der festgestellten objektiven Umstände“

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Die zweite Entscheidung kommt mit dem BGH, Urt. v. 14.10.2020 – 5 StR 279/20 – erneut vom BGH. Es geht um den Freispruch des Angeklagten vom Vorwurf der Beihilfe zur versuchten unerlaubten Durchfuhr von Kriegswaffen. Den hat der BGH aufgehoben:

„1. Der Freispruch des Angeklagten Z. hält sachlichrechtlicher Überprüfung nicht stand.

a) Spricht der Tatrichter einen Angeklagten frei, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, ist dies vom Revisionsgericht zwar in der Regel hinzunehmen. Denn die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters (§ 261 StPO). Ihm obliegt es, sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden. Allerdings darf die Beweiswürdigung nicht rechtsfehlerhaft sein. Das ist in sachlichrechtlicher Hinsicht der Fall, wenn sie widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt. Zudem muss das Urteil erkennen lassen, dass der Tatrichter solche Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat. Dabei dürfen die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet werden, sondern müssen in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt worden sein. Schließlich unterliegt der revisionsgerichtlichen Überprüfung auch, ob der Tatrichter überspannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt hat (st. Rspr.; vgl. zuletzt BGH, Urteil vom 30. Juli 2020 – 4 StR 603/19 mwN).

b) Diesen Maßstäben genügt die Beweiswürdigung des Landgerichts nicht.

aa) Die Auffassung der Strafkammer, der Angeklagte Z. habe im Rahmen der Kommunikation mit dem Kurier keinen die Tat fördernden Beitrag und damit keine Beihilfe begangen, beruht auf einer unzureichenden Würdigung der festgestellten objektiven Umstände.

Denn danach liegt überaus nahe, dass der telefonische Kontakt zwischen dem Kurier und dem Empfänger in der sich ergebenden Notsituation vom Angeklagten Z. hergestellt wurde. Da durch den Empfänger der Durchfuhrversuch anschließend mit Rat und Tat weiter gefördert wurde, könnte dies eine objektive Beihilfehandlung zur Haupttat darstellen (vgl. zur sogenannten Förderungsformel der Rechtsprechung nur BGH, Beschluss vom 20. September 2016 – 3 StR 49/16, BGHSt 61, 252, 257 f. mwN; vgl. zur möglichen Beihilfe zur Haupttat durch Beihilfe zur Beihilfe auch BGH, Beschluss vom 25. November 2014 – 2 StR 608/12).

bb) Ein Erörterungsmangel besteht, soweit das Landgericht DNA-Spuren des Angeklagten Z. auf einem Handtuch nicht als belastendes Indiz angesehen hat. Denn ohne Mitteilung, wo genau das Handtuch gefunden wurde, ist diese Wertung nicht nachvollziehbar.

cc) Erörterungsdefizite bestehen auch in Bezug auf die dem Angeklagten Z. zugeordneten DNA-Spuren, die auf sichergestellten Handgranaten gefunden wurden. Insoweit referiert die Strafkammer lediglich Angaben des Sachverständigen, ohne ihre eigene Überzeugungsbildung darzulegen.

Wie diese Spuren ohne Beteiligung des Angeklagten Z. „indirekt“ angetragen worden sein sollen, erschließt sich aus den Ausführungen des Landgerichts nicht. Ebenso wenig ist nachvollziehbar, weshalb es keinen belastenden Rückschluss auf eine Mitwirkung des Angeklagten an der Haupttat zulassen soll, dass – so die zweite Überlegung des Sachverständigen, dem die Kammer folgt – die DNA durch den dort angebrachten Klebestreifen auf die Handgranaten gelangt sein kann. Der Zweifelssatz gebietet es nicht, zu Gunsten des Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (vgl. BGH, Urteil vom 16. Dezember 2015 – 1 StR 423/15 mwN).“

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