Kosten einer Telefonüberwachung, oder: Auch Kosten des Verfahrens?

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Heute am „Brückenfreitag“ stelle ich zunächst einen kostenrechtlichen Beschluss vor. Es handelt sich um den  LG Cottbus, Beschl. 08.04.2020 – 22 Qs 203/19. Es geht – man könnte fast schreiben: mal wieder – um die Kosten einer Telefonüberwachung. Im Einzelnen:

Im Rahmen eines gegen den ehemaligen Angeklagten und weitere Beschuldigte wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge geführten Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft ordnete das AG gegen den ehemaligen Angeklagten und die weiteren Mitbeschuldigten gemäß §§ 100 a, 100 b Abs. 1 S. 1 StPO i.V.m. § 7 TKÜV eine Telefonüberwachung an. Zur Begründung ging das AG von einem Verstoß gegen das BtMG – Handelt/Beschaffung mit/von Kokain – aus. Sodann erfolgte die Überwachung der Telekommunikation des ehemaligen Angeklagten.

Mit einem weiteren Beschluss ordnete das AG dann wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das BtMG die Durchsuchung der Wohn-, Geschäfts- und Nebenräume des ehemaligen Angeklagten an. Die Durchsuchung führte gemäß Durchsuchungs-/Sicherstellungsprotokoll zur Auffindung von insgesamt 14 Ampullen Testosteron in 3 Packungen verpackt, welche in dem Protokoll als Zufallsfund bezeichnet wurden.

Aufgrund des Testosteronfundes erließ das AG gegen den ehemaligen Angeklagten einen Strafbefehl wegen Verstoßes gegen § 4 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 2 Abs. 3 i.V.m. § 6 Abs. 1, § 5 Anti-Doping-Gesetz, wobei es gegen ihn eine Geldstrafe verhängte. Der Strafbefehl erwuchs in Rechtskraft.

Mit ihrer Kostenrechnung stellte die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) dem Verurteilten neben der Geldstrafe eine Gebühr für das Strafbefehlsverfahren i.H.v. 70,00 EUR gemäß Nr. 3118 KV GKG sowie die Auslagen für Telefonüberwachung/Verbindungsdaten gemäß Nr. 9005 KV GKG i.H.v. 1.024,11 EUR in Rechnung. Das AG hat die Erinnerung des ehemaligen Angeklagten zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Beschwerde hatte beim LG Erfolg:

„Die Beschwerde ist darüber hinaus auch begründet. Entgegen der von dem Amtsgericht in der angefochtenen Entscheidung vertretenen Auffassung, ist der Beschwerdeführer nicht verpflichtet, die Kosten der Überwachung seines Telefonanschlusses zu tragen, welche in dem gegen ihn und weitere Beschuldigte wegen des Verdachts des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge geführten Ermittlungsverfahren entstanden sind.

Zwar ist dem Amtsgericht und dem Bezirksrevisor zuzugeben, dass zu den von § 464a StPO erfassten Kosten des Verfahrens, welche dem Beschwerdeführer vorliegend in Strafbefehl vom 17. Januar 2019 unter Bezugnahme auf § 465 StPO auferlegt worden sind, grundsätzlich auch die im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens bei der Staatsanwaltschaft, Polizei, Finanz- und Verwaltungsbehörden angefallenen Kosten zu zählen sind. Dazu gehören unter anderem auch Kosten, welche durch die Überwachung der Telekommunikation entstanden sind. Zudem werden von dieser Vorschrift, worauf Amtsgericht und Bezirksrevisor ebenfalls zutreffend verwiesen haben, auch solche Auslagen erfasst, welche im Rahmen von Ermittlungen in eine sich letztlich nicht bestätigende Verdachtsrichtung entstanden sind.

Allerdings ergibt sich aus § 465 StPO, dass der Verurteilte eines Strafverfahrens die Verfahrenskosten nur insoweit zu tragen hat, als sie wegen der Tat, aufgrund derer er verurteilt worden ist, entstanden sind. Dabei entspricht der Tatbegriff des § 465 StPO demjenigen des § 264 StPO (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62. Aufl., § 465 Rn. 3). Dies hat zur Folge, dass der Verurteilte nur dann zur Kostentragung verpflichtet ist, wenn das Delikt, welches Gegenstand des Ermittlungsverfahrens war und dasjenige, hinsichtlich dessen er letztlich verurteilt worden ist, auf ein und demselben Geschehensablauf bzw. einem einheitlichen geschichtlichen Vorgang beruhten (Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 264 Rn. 1). Mithin ist der Beschwerdeführer vorliegend nur dann verpflichtet, der Überwachung seiner Telekommunikation zu tragen, wenn die gegen ihn geführten Ermittlungen wegen des erlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie die mit Strafbefehl vom 17. Januar 2019 erfolgte Verurteilung wegen des Verstoßes gegen das Anti¬Doping-Gesetz auf ein und demselben Lebenssachverhalt beruhten. Weder aus Inhalt der Strafakte noch der Kostenrechnung der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) ergibt sich jedoch, dass dies vorliegend der Fall war.

So wurde der Beschwerdeführer durch den hier gegenständlichen Strafbefehl des Amtsgerichts Königs Wusterhausen nicht wegen des ihm im Beschluss zur Anordnung Überwachung der Telekommunikation vorgeworfenen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln im Zeitraum vom Dezember 2015 bis Winter 2016, sondern wegen eines am 12. Dezember 2017 erfolgten Verstoßes gegen § 4 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 2 Abs. 3 i.V.m. § 6 Abs. 1, § 5 Anti-Doping-Gesetz verurteilt. Damit besteht zwischen der dem Beschwerdeführer bei Anordnung der Telekommunikation vorgeworfenen Straftat und der letztlich zu seiner Verurteilung führenden Tat schon kein zeitlicher Zusammenhang, was bereits gegen das Vorliegen einer einheitlichen Tat im strafprozessualen Sinn spricht. Darüber hinaus spricht gegen die Annahme, die dem Beschwerdeführer im Ermittlungsverfahren und im Strafbefehl vorgeworfenen Straftatbestände beruhten auf einem einheitlichen Lebenssachverhalt die Tatsache, dass die bei der Überwachung der Telekommunikation gewonnenen Erkenntnisse auch nicht als Beweismittel bei der Verurteilung des Beschwerdeführers durch den Strafbefehl herangezogen wurden. Dies beruht auf dem letztlich auch hier maßgeblichen Umstand, dass der dem Beschwerdeführer im Strafbefehl vorgeworfene Verstoß gegen das Anti-Doping-Gesetz in keinem Zusammenhang mit der Überwachung seiner Telekommunikation steht, er auch nicht durch diese Maßnahme aufgedeckt wurde. Vielmehr beruht, wie sich auch aus den im Strafbefehl aufgeführten Beweismitteln ergibt, das Ermittlungsverfahren und die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen dieses Deliktes allein auf den bei der Durchsuchung seiner Wohnung zufällig aufgefundenen Medikamenten. Weder war die Überwachung seiner Telekommunikation wegen des Verdachtes eines Verstoßes gegen das Anti-Doping-Gesetz angeordnet worden noch trat ein Verstoß gegen dieses Gesetz bei der Telekommunikationsüberwachung selbst zutage.

Auch aus der Kostenberechnung selbst lässt sich kein Zusammenhang zwischen der für die Grundlage der Anordnung der Telekommunikationsüberwachung im Ermittlungsverfahren bildenden Straftat und der letztlich zur Verurteilung des Beschwerdeführers führenden Straftat entnehmen, obwohl sowohl die Höhe als auch die Zusammensetzung der dem Beschwerdeführer auferlegten Kosten transparent zu erläutern gewesen wäre. So gelten insbesondere, wenn es – wie hier – dem Kostenschuldner ansonsten nicht einmal ansatzweise möglich wäre, die mit seiner Zahlungspflicht verknüpften Einzelheiten in allen Teilen nachzuprüfen, nach allgemeiner Ansicht besondere Konkretisierungspflichten. Danach sind alle in Ansatz gebrachten Kosten, welche in einem unter § 464a StPO fallenden Zusammenhang mit dem Strafverfahren des Betroffenen stehen, transparent darzulegen (vgl. OLG München, Beschluss vom 17. Oktober 2013, Az: 4 Ws 135/13; Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Aufl., § 100a Rn. 249 m.w.N.).“

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