NSU-Verfahren: Hat der GBA eine andere StPO?

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Sorry, selbst auf die Gefahr, dass ich den ein oder anderen Leser unseres Blogs langweile, aber dieses Posting kann ich mir dann doch nicht verkneifen. Ich wühle mich gerade durch die Blogbeiträge des heutigen Tages und stoße beim Terorrismus-Blog auf den Beitrag: NSU: Diskussion um den guten Ton im Gericht. Der Kollege Schmidt berichtet dort über den noch immer andauernden Streit um die Reihenfolge von Wortmeldungen. Da heißt es:

„Über die Anträge der Rechtsanwälte Heer (Zschäpe) und Klemke (Wohlleben) zu den Wortmeldungen und ihrer Reihenfolge ist noch nicht entschieden worden. Oberstaatsanwalt beim BGH Jochen Weingarten nahm dazu Stellung und sagte, es sei vom Gesetz vorgesehen, dass nach dem Gericht zunächst die Staatsanwaltschaft die Gelegenheit zur Stellung habe, weil sie im Gegensatz zu anderen Beteiligten zur Objektivität verpflichtet sei. Wenn Rechtsanwalt Klemke besorge, dass ihm zu einem späteren Zeitpunkt keine Fragen mehr übrig blieben, so müsse er bedenken ”Sinn und Zweck des Fragerechts ist nicht, sich zu exponieren. Sinn und Zweck ist die Erforschung der Wahrheit”.“

Nun bin ich aber doch ziemlich erstaunt.

Denn: In meiner StPO steht – wenn es denn so gesagt worden ist – nicht, „dass nach dem Gericht zunächst die Staatsanwaltschaft die Gelegenheit zur Stellung habe„. Zur Reihenfolge von Erklärungen/Wortmeldungen/Fragen usw. finde ich nur den § 239 StPO, der allerdings einen Sonderfall behandelt, das sog. Kreuzverhör eines Zeugen, um das es hier und jetzt aber nun wahrlich (noch) nicht geht. Offenbar hat die GBA eine andere StPO (ich finde übrigens auch in meinem Handbuch zur HV dazu nichts :-).

In allen anderen Fällen als dem des § 239 StPO gibt es Übungen, die sich im Laufe der Jahre herausgebildet haben, wie geredet/gefragt wird, nämlich Gericht, StA, Nebenklage, Verteidiger. Aber in Stein gemeißelt sind die eben nicht, eben nur Übungen.

Entscheidungen über die Reihenfolge von Wortmeldungen trifft der Vorsitzende nach § 238 Abs. 1 StPO. Wem die vom Vorsitzenden angeordnete Reihenfolge nicht passt, der kann nach § 238 Abs. 2 StPO vorgehen, wobei nicht unstreitig ist, ob eine solche Beanstandung zulässig/möglich ist. Allerdings gelten die Regeln auch für den GBA, es sei denn in seiner StPO steht etwas anderes.

P.S. Ich sehe gerade: der Kollege Hoenig hat sich auch schon gemeldet, vgl. hier: Verbeamtete Arroganz. Nun ja: ”Sinn und Zweck des Fragerechts ist nicht, sich zu exponieren. Sinn und Zweck ist die Erforschung der Wahrheit” klingt, wenn nicht arrogant, aber dann doch unschön belehrend. Die „Stimmungsmachemaschine“ läuft also offenbar auf hoch Touren. So viel zur „Objektivität“.

8 Gedanken zu „NSU-Verfahren: Hat der GBA eine andere StPO?

  1. Michael Schulze

    Nun, das fragliche Gesetz ist wohl die OLGMStPO 😉 Aber StA-bashing bringt auch nicht weiter, jedenfalls nicht an der Stelle. Mein „Frühstücksfernsehen“ war heute dieser ausgewogene Beitrag zum Prozess und den Voreignissen auf Phoenix: http://www.phoenix.de/content/phoenix/die_sendungen/der_zschaepe_prozess/673520?datum=2013-05-16

    Nach diesem Beitrag möchte ich mich gern noch mehr mit der Frage beschäftigen, ob pflichtwidriges Unterlassen von Ermittlungsbeamten einschließlich Verfassungsschutz, Aktenunterdrückung u.a. zum Beginn und zur Fortsetzung der Mordserie beigetragen haben, ohne dass dies staatsanwaltliche Ermittlungen und Ergebnisse zur Verantwortlichkeit solcher Beamter oder V-Leute nach sich zieht. Ich befürchte, dort ist viel mehr „verbeamtete Arroganz“ versteckt.

  2. Detlef Burhoff

    Hallo, ich „bashe“ 🙂 die Verteidger auch, wenn Sie es verdienen.
    Die Frage, die Sie interessiert bringt m.E. für das Strafverfahren nichts. Das zu klären ist auch nicht Aufgabe dieses Verfahrens.

  3. Gast

    Und § 240 StPO ist in Ihrem Gesetzestext nicht drin??

    (Ja, der BGH hat vor 50 Jahren mal entschieden, dass die dortige Reihenfolge nicht bindend ist. Könnte man wissen als Bundesanwalt. Ist sooo schlimm aber aber auch nicht.)

  4. meine5cent

    So sehr der Terrorismusblog auch sonst durch Fachkunde glänzt, denke ich, dass der Autor und nicht der GBA hier ein paar Dinge durcheinanderwirft. Er vermischt das Thema „Reihenfolge der Zeugenbefragung“ und „Reihenfolge der Anhörung und Worterteilung“:
    Denn die zitierte Passage passt nicht so recht zu dem vorher genannten Thema:
    Es soll um die „Reihenfolge der Wortmeldungen“ gehen (also wer wann welche Anträge stellt oder Erklärungen zu Anträgen anderer abgibt). Dass dem GBA klar ist, dass der Vorsitzende Zeitpunkt der Antragstellung und Reihenfolge der Worterteilung sowie der Anhörung nach 33 StPO bestimmt, kann man wohl unterstellen.
    Das Zitat des GBA betrifft dann aber offenbar nicht die allgemeine Frage einer Reihenfolge, sondern das Thema der Zeugenvernehmung nach § 240 Abs. 2 StPO (sonst ergäbe der vorletzte Satz aus dem Zitat gar keinen Sinn, denn z.B. bei einer Anhörung nach 33 StPO etwa zur Abtrennung des Tatkomplexes Keupstraße geht es nicht darum, ob irgendwelche „Fragen für die Verteidigung“ übrig bleiben könnten.
    Zudem wäre es ja bei Entscheidungen der Verhandlungsleitung oder nach 33 StPO auch Quatsch, dass „NACH dem Gericht“ die StA eine „Stellungnahme“ abgibt.

    Dass der GBA auch beim Thema 240 Abs. 2 aus der dort genannten Reihenfolge fälschlich eine Bindung des Gerichts annimmt: geschenkt.

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