Schlagwort-Archive: Gerichtsvollzieher

beA II: Übermittlung von Willenserklärungen an den GV, oder: Das geht

© kostsov – Fotolia.com

Bei der zweiten beA-Entscheidung handelt es ich um den OLG Köln, Beschl. v. 07.05.2019 – 7 VA 3/19. Das OLG hat sich – soweit ersichtlich bundesweit zum ersten Mal – mit der Frage befasst, ob die Übermittlung von Willenserklärungen – hier waren es Abmahnungen –  elektronisch an den Gerichtsvollzieher erfolgen darf. Die Frage führte, wie der Einsender S. Weinberger aus München, schreibt immer wieder zu Diskussionen mit Gerichtsvollziehern, ob ein Zustellauftrag über diesen Weg erteilt werden darf.

Das OLG Köln hat die Frage nun bejaht:

1. Der Zustellungsauftrag des Antragstellers vom 13.02.2019 hätte nicht mit der Begründung zurückgewiesen werden dürfen, dass die Übermittlung der zuzustellenden Urkunde per elektronisches Dokument über das elektronische Gerichtspostfach unzureichend sei.

Nach § 29 der Geschäftsanweisung für Gerichtsvollzieher (GVGA NRW) hat der Gerichtsvollzieher Zustellungsaufträge nach den Vorschriften der ZPO über die Zustellung auszuführen. Daher konnte die Antragsgegnerin sich nicht auf § 754a ZPO berufen, um zu begründen, dass die Zustellung im vorliegenden Fall nicht erfolgen könne. § 754a ZPO zählt nicht zu den Zustellungsvorschriften der ZPO, sondern regelt vielmehr die Frage, unter welchen (eingeschränkten) Voraussetzungen ein Vollstreckungsauftrag elektronisch eingereicht werden kann. Maßgeblich für die Frage der Zustellung ist § 192 ZPO, der die Zustellung durch den Gerichtsvollzieher auf Betreiben der Parteien regelt. Nach § 192 Abs. 2 ZPO „übergibt die Partei dem Gerichtsvollzieher das zuzustellende Schriftstück mit den erforderlichen Abschriften. Der Gerichtsvollzieher beglaubigt die Abschriften und führt die Zustellung anschließend durch. Für die Frage, auf welche Weise bzw. in welcher Form das zuzustellende Schriftstück dem Gerichtsvollzieher zur Verfügung zu stellen ist, enthält § 192 ZPO selbst keine konkrete Aussage. Allerdings kann nach § 174 Abs. 2 und Abs. 3 ZPO ein Schriftstück bestimmten besonders vertrauenswürdigen Empfängern — unter anderem auch Gerichtsvollziehern — grundsätzlich sowohl durch Telekopie (Fax) als auch als elektronisches Dokument zugestellt werden. Das elektronische Dokument wird, sofern die Zustellung an den Gerichtsvollzieher betroffen ist, von § 174 ZPO genauso behandelt wie ein Fax.

Aus § 174 Abs. 3 ZPO ist zu folgern, dass (jedenfalls) ein Schriftstück, das vom Auftraggeber der Zustellung selbst herrührt, von diesem dem Gerichtsvollzieher auch dadurch im Sinne von § 192 Abs. 2 ZPO übergeben werden kann, dass er es dem Gerichtsvollzieher als elektronisches Dokument zustellt.

Dabei verkennt der Senat nicht, dass § 174 Abs. 2 und Abs. 3 ZPO zunächst einmal lediglich die Frage regeln, wie ein Dokument an einen Gerichtsvollzieher zugestellt werden kann und damit nicht automatisch auch die Frage, wie ein Dokument, das der Gerichtsvollzieher seinerseits an einen Dritten zustellen soll, dem Gerichtsvollzieher zur Verfügung zu stellen ist. Ob letzteres auch durch eine Telekopie oder ein elektronisches Dokument geschehen kann, wird in der Rechtsprechung und Kommentarliteratur nicht einheitlich beantwortet. Während Zöller-Schultzky (32. Aufl. 2018, § 192 Rn. 7) meint, das Erfordernis der Übergabe der Urschrift schließe die Übermittlung mittels Telefax aus, wollen andere dies unter Berufung auf § 174 Abs. 2 ZPO ohne weiteres für zulässig halten (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22.08.2003, DGVZ 2004, 125; Thomas-Putzo/Hüßtege § 192 Rn. 4). Das OLG Düsseldorf hat seine Entscheidung mit der Erwägung begründet, es sei nicht recht einleuchtend, dass der Gerichtsvollzieher eine förmliche Zustellung per Fax erhalten könne, dieser Kommunikationsweg ihm aber für die Weiterleitung eines Schriftstücks, welches er selbst zustellen solle, nicht zur Verfügung gestellt werde. Auch müsse der Gerichtsvollzieher im Hinblick auf die novellierten Vorschriften der ZPO nicht mehr überprüfen, ob die von ihm beglaubigte Kopie der Urkunde, die er dem Empfänger zu übermitteln habe, tatsächlich mit der Urschrift übereinstimme. Dies ergebe sich aus einem Rückschluss aus § 174 Abs. 2 ZPO; wenn sich der Reformgesetzgeber bei der Zustellung an bestimmte privilegierte Empfänger mit einer eingeschränkten Identitätsprüfung begnüge, müsse es möglich sein, auch die bloße Übermittlung eines Schriftstücks an den Gerichtsvollzieher zwecks Ausführung der Zustellung per Fax vorzunehmen. Sonst würde die mit der Zulassung des Telefax-Verkehrs bei der Zustellung bezweckte Beschleunigung teilweise wieder vereitelt.

Der Senat schließt sich diesen Überlegungen. die er im Hinblick auf § 174 Abs. 2 und 3 ZPO auf elektronisch zugestellte Dokumente unmittelbar für übertragbar hält, jedenfalls im Hinblick auf Fälle der vorliegenden Art an, in denen der Auftraggeber der Zustellung das zuzustellende Dokument selbst erzeugt hat. Speziell in dieser Fallkonstellation erschließt es sich nicht, warum dem Gerichtsvollzieher ein Original der Erklärung mit handschriftlicher Unterschrift hätte per Post überlassen werden müssen. Hinsichtlich der Identität des Verfassers der (Abmahnungs-) Erklärung bietet die elektronische Zustellung nach § 174 Abs. 3 ZPO aus Sicht des Gesetzgebers eine ausreichende Gewähr. Weitere Echtheitsüberprüfungen muss der Gerichtsvollzieher nicht vornehmen. Letztlich ist er lediglich für die Dokumentation der Übermittlung eben dieser Erklärung eingeschaltet worden. Daher hat die Gerichtsvollzieherin auch zu Recht die beantragte Zustellung im zweiten Anlauf ausgeführt.

2. Das von § 28 Abs. 1 S. 4 EGGVG geforderte berechtigte Interesse des Antragstellers an der Feststellung der Rechtswidrigkeit (Fortsetzungsfeststellungsinteresse) ergibt sich vorliegend aus dem Umstand, dass der Antragsteller nach eigenen Angaben bereits wiederholt Rückfragen und Schwierigkeiten bei der Zustellung seiner Abmahnungen beobachtet hat. Seine diesbezüglichen Angaben werden durch die Stellungnahme der Gerichtsvollzieherin plausibilisiert, sie habe im Vorfeld ihrer Entscheidung vom 22.02.2019 im Rahmen einer Rücksprache mit der Verwaltung des Amtsgerichts Köln keine eindeutige Auskunft im Hinblick auf die Zulässigkeit des vorliegenden Zustellungsantrags erhalten können und bitte um eine Bekanntgabe im Kollegenkreis, ob eine Übermittlung der Willenserklärung per EGGVG möglich sei.

Daraus ergibt sich, dass die begehrte Feststellung für die weitere einheitliche Gerichtspraxis von Bedeutung sein kann.

Und noch einmal: Die Untreue des Gerichtsvollziehers im Wohnungsräumungsverfahren

Ich versuche es dann mit diesem Beitrag noch einmal – irgendwie war beim ersten Posting ein Fehler:

Ich räume ein, ich bin über den Tatbestand der Untreue (§ 266 StGB) bzw. über das, was alles als Untreue strafbar sein kann, überrascht. So dann auch über den KG, Beschl. v. 19. 02. 2013 – (4) 121 Ss 10/13 (20/13). Das AG hatte den Angeklagten – einen Gerichtsvollzieher – wegen Untreue verurteilt. Das KG verwirft die Revision nach § 349 Abs. 2 StPO und nimmt – kurz – zur Untreue und zum Nachteil Stellung. Leider hat der Beschluss keinen Sachverhalt, so dass man sich mit den knappen rechtlichen KG-Ausführungen begnügen muss.

„Die so getroffenen Feststellungen tragen auch den Schuldspruch. Die Angeklagte M war als Gerichtsvollzieherin allen an der Zwangsvollstreckung Beteiligten gegenüber verpflichtet, die Kosten möglichst gering zu halten (vgl. OLG Hamburg MDR 2000, 602; LG Stuttgart DGVZ 1990, 172, 173; LG Saarbrücken DGVZ 1985, 92). Dies bedeutet zwar nicht, dass sie die von ihr zu erteilenden Speditionsaufträge jeweils an den günstigsten Unternehmer vergeben musste. Vielmehr durfte sie bei der Auftragsvergabe weitere Aspekte wie die Arbeitsqualität der Transportunternehmen und deren Erfahrung mit Zwangsräumungen berücksichtigen (vgl. LG Düsseldorf DGVZ 1987, 76, 77; LG Saarbrücken a.a.O.). Dass die Angeklagte M bei der Beauftragung des Angeklagten B und damit mittelbar der Speditionsfirma D Umzüge derartige Ermessenserwägungen angestellt hätte, ist jedoch weder festgestellt noch ausweislich der mitgeteilten Einlassung von ihr behauptet worden. Nach den Feststellungen der Strafkammer war das Motiv der Angeklagten M, den Angeklagten B zu beauftragen, allein ihr Wunsch, dem mit ihr zumindest befreundeten Angeklagten eine Einnahmequelle zu eröffnen, ohne dass dieser hierfür substantielle Arbeitsleistungen – mit den Worten der Revision: als „Generalunternehmer“ – erbringen musste. Dass dies kein Gesichtspunkt ist, der bei einer pflichtgemäßen Ermessensausübung in Bezug auf die Auftragsvergabe Berücksichtigung finden kann, bedarf keiner Erörterung. Hielt die Angeklagte M jedoch die die Speditionsarbeiten tatsächlich ausführende Firma D Umzüge für geeignet, so hätte sie sich im Kosteninteresse der Beteiligten ihrer unmittelbar bedienen müssen. Die durch die pflichtwidrige Einbindung des Angeklagten B in die Auftragsvergabe erzeugten vermeidbaren Mehrkosten stellen damit auch einen Nachteil im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB dar (vgl. BGH NStZ 2010, 502, 503 m.w.N.).“

Der ungetreue Gerichtsvollzieher

Noch sind offenbar in der Rechtsprechung nicht alle Fragen geklärt, auch wenn man das manchmal glaubt. So hat der 4. Strafsenat des BGH sich in seinem Beschl. v.07.01.2011 – 4 StR 409/10 mit der Frage auseinander gesetzt, ob der Gerichtsvollzieher in dieser Eigenschaft Täter einer Untreue in Betracht kommt. Er hat das mit folgendem Leitsatz bejaht:

„Den Gerichtsvollzieher trifft kraft seiner gesetzlichen Stellung als Vollstreckungsorgan im Rahmen des ihm erteilten Vollstreckungsauftrags eine Vermögensbetreuungspflicht gegenüber dem Vollstreckungsgläubiger“.