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Mit der Sackkarre ins OLG, oder: Wie schaffe ich sonst 85.000 Blatt Kopien zum Senat?

entnommen wikimedia.org Urheber Priwo

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Im Moment mehren sich die Beschlüsse von OLG zu Fotokopiekosten von Pflichtverteidigern, zu – das räume ich ein – sehr hohen Fotokopiekosten, die im Wege des Vorschusses (§ 47 RVG) oder über § 46 Abs. 2 RVG geltend gemacht werden. Und wir wissen alle, wenn es um hohe Fotokopiekosten geht, dann sind die Hüter der Staatskassen – die Bezirksrevisoren – und die OLG besonders wachsam. Das haben wir schon im OLG Köln, Beschl. v. 18.12.2013 – 2 Ws 686/13  (vgl. dazu Bei 43.000 Blatt Kopien/6.500 € Kopierkosten reicht die anwaltliche Versicherung nicht (mehr)? ) gesehen/gelesen und das haben wir gerade auch erst beim OLG Düsseldorf lesen müssen. Da hat der 1. Strafsenat gleich eine ganze Serie von Beschlüssen produziert (vgl. Beschl. v. 22.09.2014 -III – 1 Ws 236/14Beschl. v. 22.09.2014 1 Ws 246+272/14; Beschl. v. 22.09.2014 – 1 Ws 247+283/14 und Beschl. v. 1 Ws 261/14; III – 1 Ws 307+312/14); und in die Serie passt dann auch noch OLG Rostock, Beschl. v. 04.08.2014 – 20 Ws 193/14, der schon seit einiger Zeit in meinem Blogordner hängt und auf den das OLG Düsseldorf sich u.a. bezieht.

Allen Beschlüssen ist gemeinsame, dass die von den Pflichtverteidigern geltend gemachten Fotokopiekosten nicht bzw. nur mit erheblichen Abschlägen festgesetzt worden sind. Ich will und kann jetzt hier – schon aus Platzgründen – nicht zu allen Einzelheiten Stellung nehmen – das werden dann sicherlich schon Kommentatoren tun 🙂  . Aber zwei Punkte aus den Entscheidungen des OLG Düsseldorf (vgl. z.B. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 1 Ws 247+283/14) will ich dann doch herausgreifen, und zwar:

  1. Das OLG hat m.E. eine etwas eigenartige Sicht von Akteneinsicht bzw. ich frage mich: Kann eigentlich das Gericht dem Verteidiger vorschreiben, wie er Akteneinsicht zu nehmen bzw. druchzuführen hat? Denn das tut m.E. das OLG, wenn es ausführt: „Angesichts der Tatsache, dass die elektronische Aktenbearbeitung mittlerweile in weiten Teilen der Wirtschaft und der öffentlichen Verwaltung –  auch der Gerichte – zum Alltag gehört und den gezielten Zugriff auf bestimmte Informationen – gerade bei umfangreichem Verfahrensstoff – erheblich erleichtert, ist es auch dem Verteidiger zuzumuten, sich zunächst mit Hilfe der e-Akte in den Sachverhalt einzuarbeiten und erst auf dieser Grundlage zu entscheiden, welche (zentralen) Aktenbestandteile für die weitere Verteidigung auch in Papierform benötigt werden. Ein grundsätzlicher „Anspruch“ auf Ausdruck der kompletten e-Akte zum Zwecke der sachgerechten Verteidigung ist daher nicht anzuerkennen“. Aber bitte, wo steht denn, dass ich „elektronisch“ lesen muss? Die elektronische Akte gibt es im Strafverfahren nicht. Ob es sie jemals geben wird, sei dahin gestellt. Und entscheidet das OLG, wie der Verteidiger sich einarbeitet? Ist ihm das zuzumuten? Das OLG Düsseldorf sieht es so. Ich möchte nicht erleben, wenn die Justizverwaltung so etwas Richtern zumuten würde…..
  2. Das OLG führt dann weiter noch aus: „Die in Nr. 7000 VV RVG (Nr. 1 Buchstabe a) vorgesehene Dokumentenpauschale entspricht bei Ausdrucken des hier zur Rede stehenden Volumens mehr als dem Dreifachen des Durchschnittspreises, der an kommerzielle Anbieter für Massenkopien ab 1.000 Blatt einschließlich Gewinnanteil gezahlt werden muss (0,05 € brutto/Blatt nach eigener Recherche des Senats). Dieses Missverhältnis ist angesichts der eindeutigen gesetzlichen Regelung jedoch im Grundsatz hinzunehmen…“. Das ist ja schön, dass das OLG die gesetzliche Regelung hinnimmt – lassen wir mal die Frage der Berechnungsgrundlage dahingestellt. Aber, zu früh gefreut, denn das OLG fährt fort, nachdem man auf „„massenhafter Produktion von Ablichtungen — eine zusätzliche „Verdienstmöglichkeit““ hingewiesen hat: „Ob „Aufwandsentschädigungen“ in dieser Höhe vom gesetzgeberischen Willen bei der Einführung und weiteren Ausgestaltung der Dokumentenpauschale — Insbesondere für Ausdrucke — erfasst waren und in welcher Weise eine diesbezüglich unter Umständen bestehende Gesetzeslücke seitens der Gerichte zu behandeln wäre, hat der Senat im hier vorliegenden Einzelfall (noch) nicht zu entscheiden.“ Ah, also dahin geht der Weg bzw. wie darf ich das denn bitte verstehen? Trotz einer „eindeutigen gesetzlichen Regelung“ will das das OLG eine „unter Umständen bestehende Gesetzeslücke …..behandeln“. Also das OLG als Gesetzgeber? Man darf gespannt sein. Hauptsache das OLG verhebt sich da nicht.

Mehr zu den Beschlüssen erst mal nicht. Nur eins noch für diejenigen, die wissen möchten, wie es weiter gegangen ist – und das beruht jetzt auf den Informationen des Verteidigers aus dem OLG Düsseldorf, Beschl. v. 1 Ws 247+283/14 -, in dem das OLG u.a. ausgeführt hatte: „Dem Antragsteller bleibt unbenommen, die behauptete Höhe seiner Auslagen durch Vorlage einer Einzelaufstellung zum geltend gemachten Druckvolumen nachträglich schlüssig darzulegen und hierdurch eine erneute Entscheidung über sein diesbezügliches Festsetzungsgesuch auf veränderter Tatsachenbasis zu bewirken.“ Nun, das hat der Verteidiger/Antragsteller wörtlich genommen und im Zusammenhang mit einer Anhörungsrüge „nachbessern“ wollen. Dazu war mit dem Berichterstatter besprochen, „die Kopierlisten mit der Anhörungsrüge zu übersenden“. Nur hatte man dabei – also Verteidiger und Berichterstatter – übersehen, dass das OLG im Beschluss auch beanstandet hatte, dass das „nicht näher aufgeschlüsselte Festsetzungsgesuch des Antragstellers eine schlichte Richtigkeitskontrolle auf Zählfehler nicht zulasse„. Also blieb keine andere Möglichkeit, als dem Senat – im Zweifel dem Berichterstatter 🙂 – die Möglichkeit zum Zählen zu geben.

Und deshalb hat sich der Verteidiger dann gestern mit seinen Kopien zum OLG begeben. Und was dann passiert ist, hätte es verdient, für YouTube festgehalten zu werden. Ich zitiere dazu – mit Erlaubnis des Verteidigers, der dazu auch die Erlaubnis seines Mandaten hat – aus einem Schriftsatz des Verteidigers vom gestrigen Tage:

Am heutigen Tage gegen 14:30 Uhr wollte der Unterzeichnende im Beisein von Rechtsanwalt PPP. (vom Blogverfassers anonymisiert), wie mit gestrigem Schriftsatz dem Senat angekündigt, zur Glaubhaftmachung der Entstehung der Auslagen, wie im Beschluss des Senats vom 22.09.2014 bezweifelt, bei der Geschäftsstelle des 1. Strafsenats des OLG vorsprechen, um im Hinblick auf die Formulierung im Beschluss „das „nicht näher aufgeschlüsselte Festsetzungsgesuch des Antragstellers … (lasse) … eine schlichte Richtigkeitskontrolle auf Zählfehler (nicht) zu…“, die gefertigten Kopien dem Senat durch Inaugenscheinnahme zugänglich zu machen.

Bereits in der Eingangskontrolle fiel dem Unterzeichnenden ein groß beschriebenes Blatt Papier auf, auf dem sinngemäß zu lesen war, dass bei Erscheinen des Unterzeichnenden diesem der Einlass in das Gebäude des OLG zu versagen sei und der Geschäftsleiter informiert werden solle.

Der Unterzeichnende, der zwei Kisten mit jeweils 1000 Blatt kopierter Akte bereits unter dem Arm hatte, bat die Wachtmeister um Einlass und Zurverfügungstellung einer Sackkarre, da er beabsichtige, einen Schriftsatz ca 85.000 Blatt Anlagen auf der Geschäftsstelle des 1. Strafsenats abzugeben.

Von den Wachtmeistern nach dem Namen gefragt, antwortete der Unterzeichnende wahrheitsgemäß, woraufhin die Wachtmeister äußerten, man habe Anweisung, den Unterzeichnenden nicht in das Gebäude zu lassen und den Geschäftsleiter zu informieren.

Dieser erschien und stellte sich vor.

Erneut erläuterte der Unterzeichnende sein Anliegen mit den Worten: „Ich überbringe einen kurzen Schriftsatz mit einigen Anlagen und benötige dafür eine Sackkarre.“ Der Geschäftsleiter fragte daraufhin, ob die Anlagen 85.000 Blatt umfassten, woraufhin der Unterzeichnende mit der Worten bejahte; „Dann sind Sie ja bereits bestens über mein Anliegen informiert.“

Der Geschäftsleiter erläuterte nun, er habe Anweisung, den Unterzeichnenden nicht in das Gebäude zu lassen und die Anlagen nicht anzunehmen. Auf Frage, wer denn eine derart unsinnige Anweisung ausgesprochen habe, antwortete der Geschäftsleiter: „Die Vorsitzende des 1. Strafsenats.“

Hierauf bat der Unterzeichnende, mit der Frau Vorsitzenden des 1. Strafsenats persönlich zu sprechen, denn der Unterzeichnende wolle ja nichts anderes tun, als das was der Senat von ihm in einem Beschluss verlangt habe, nämlich etwas glaubhaft zu machen.

Der Geschäftsleiter verließ daraufhin den Eingangsbereich, um mit der Frau Vorsitzenden des 1. Strafsenats zu telefonieren. Nach kurzer Zeit kehrte er zurück und erklärte: „Frau XXX [Anmerkung: Aus „Sicherheitsgründen“ vom Verfasser des Postings anonymisiert] lässt ausrichten, dass Sie für Sie nicht zu sprechen ist.“ Zudem bat der Geschäftsleiter den Unterzeichnenden, das Gebäude zu verlassen, was dieser tat.

Er folgte dem Unterzeichnenden zu seinem Fahrzeug und fragte: „Sind da 85.000 Blatt drin?“, woraufhin der Unterzeichnende erläuterte: „Nein, wir sind mit zwei Fahrzeugen gekommen, in meinem sind etwa 40 000 Blatt.“

Tja, dann stellen sich jetzt – vorerst – mal nur noch folgende Fragen:

1. Aus welchem Schriftsatz ist zitiert? Nun, ich denke, das liegt auf der Hand: Aus dem Ablehnungsgesuch betreffend die Anhörungsrüge. Man darf gespannt sein, wie das OLG damit umgeht.

2. Wie macht der Verteidiger glaubhaft? Nun, das stellt sich die Frage: Kopien faxen? 🙂

Und ganz zum Schluss: Nein, der Verteidiger ist kein „Konfliktverteidiger“. Das hat ihm der BGH bereits bescheinigt, zwar in einem anderen Verfahren, aber immerhin (vgl. BGH, Beschl. v. 08.05.2014 – 1 StR 726/13 – und dazu Verteidigerwechsel = Fluchtgefahr? Nein, aber “befangen”!).

Ich habe da mal eine Frage: Aktendoppel für den Mandanten, zulässig ja oder nein?

© AllebaziB - Fotolia.com

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Die Frage der Notwendigkeit der Erstellung von Kopien ist eine Domäne, in der Rechtspfleger, Strafkammern und OLG-Senate gern mit dem Verteidiger streiten. Über die Notwendigkeit und Angemessenheit der Anfertigung von Kopien können manchmal ganze Romane geschrieben werden, was sicherlich dann die Frage nach der betriebswirtschaftlichen Sinnhaftigkeit stellen lässt. Ein Unterfall dieses „Streitgegenstandes“ ist die Frage, ob und welche Kopien aus der Akten der Verteidiger für den Mandanten anfertigen kann und ob ggf. auch ein Aktendoppel erlaubt ist. Die Frage spielt offenbar in der Praxis auch eine größere Rolle, da sie mir immer wieder auf Veranstaltungen gestellt wird, so vor kurzem noch auf einem Seminar in Hannover.

Ich gebe sie hier dann mal weiter, also: Aktendoppel bzw. Aktenauszug für den Mandanten, zulässig ja oder nein?  Lösung gibt es dann am Montag.

Notwendige Auslagen: Bei rund 16.000 € kommt die Staatskasse schon mal ins Grübeln….

Auch die notwendigen Auslagen des Pflichtverteidigers sind häufig nach Abschluss des Strafverfahrens ein heftig umkämpftes Terrain. Und je höher die Auslagen sind, desto heftiger wird gekämpft/gekürzt. So auch in dem Fall, der der Entscheidung des  OLG Köln im Beschl. v. 11.12.09 – 2 Ws 496/09 – zugrunde gelegen hat.

Der Rechtsanwalt war in einem Umfangsverfahren dem Angeklagten als sog. Sicherungsverteidiger neben einem anderen Pflichtverteidiger beigeordnet worden. Er hat dann rund 105.000 Ablichtungen aus den Verfahrensakten erstellt und dafür gem. Ziff. 7000 VV RVG netto rund 16.000 € zum Ausgleich angemeldet. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat davon einen Betrag in Höhe von rund 10.500 € abgesetzt. Im Rechtsmittelverfahren sind dem Rechtsanwalt aber die gesamten Fotokopiekosten gewährt worden. Auch die Beschwerde des Bezirksrevisors hatte keinen Erfolg. Zutreffend hat das OLG Köln in der lesenswerten Entscheidung darauf hingewiesen, dass der Pflichtverteidiger wohl nur dann auf ggf. vorliegende digitalisierte Ablichtungen verwiesen werden könnte, wenn diese vollständig vorliegen. Ausweislich eines Vermerks des Vorsitzenden der Strafkammer war das hier jedoch nicht der Fall, sondern es standen zum Zeitpunkt der Anklageerhebung nur ein Teil der anklagerelevanten Fallakten in digitalisierter Form zur Verfügung. Die restlichen anklagerelevanten Fallakten wurden erst einige Monate nach Beginn der Hauptverhandlung in digitalisierte Form überführt.

Ich meine, dass ist zutreffend, denn der Verteidiger hat einen Anspruch darauf hat, mit einer vollständigen Ablichtung der Akten zu arbeiten. Darauf zu achten ist auch, dass dem Verteidiger auch nicht zugemutet werden kann, ggf. selbst einen „Abgleich“ daraufhin vorzunehmen, welche Aktenseiten bei einer Digitalisierung möglicherweise übersprungen worden sind, um nur diese abzulichten. Das wäre ein unzumutbarer Arbeitsaufwand. Schließlich hat auch jeder Verteidiger Anspruch auf einen „eigenen“ Aktenauszug und muss sich nicht auf die von einem anderen Verteidiger gefertigten Kopien und Ablichtungen verweisen lassen. Auch darauf hat das OLG zutreffend hingewiesen.

Fazit: Lesenswert und zutreffend.