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OWi III: Drei AG-Entscheidungen zu Messungen, oder: Provida2000, Rohmessdaten und „Saarland-Hammer“

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Und zum Tagesschluss habe ich dann noch drei AG-Entscheidungen zu Messverfahren, von denen ich allerdings nur die Leitsätze vorstelle. Das sind:

    1. Die mit dem Pro Vida 2000 Modular im Messmodus „MAN“ nachträglich durchgeführte Messung ist kein standardisiertes Messverfahren, so dass nähere Ausführungen zur Geschwindigkeitsfeststellung erforderlich sind (Anschluss an OLG Hamm, Beschluss vom 22.06.2017, 1 RBs 30/17).
    2. Wenn der Betroffene und der Verteidiger vor der Hauptverhandlung mit der Terminsladung einen rechtlichen Hinweis dahingehend erhalten, dass im Rahmen einer Geschwindigkeitsüberschreitung auch eine Verurteilung wegen Vorsatzes in Betracht kommt, kann in der Hauptverhandlung in Abwesenheit ohne weiteres eine Verurteilung wegen Vorsatzes erfolgen, wenn der Betroffene entschuldigt und der Verteidiger unentschuldigt fehlen.
    3. Die Annahme von Vorsatz ist bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung auch auf einer dreispurigen Autobahn möglich. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Beschilderung (120 km/h, Gefahrzeichen Bodenwellen und 80 km/h) mehrfach beidseitig wiederholt wird und eine Geschwindigkeitsüberschreitung von mehr als 40 % vorliegt (vorliegend 68%).

Mit den Leitsätzen zu 1 und 3 habe ich kein Problem. Zu Leitsatz 2 würde ich gerne mal etwas vom OLG Hamm hören, ich würde es wahrscheinlich lösen anders lösen als das AG. Aber der der derzeitige Tendenz in der Rechtsprechung: „Abbügeln“. bin ich mir über das Ergebnis beim OLG nicht so sicher.

    1. Werden dem Verteidiger vorliegende Rohmessdaten und die Bedienungsanleitung von der Verwaltungsbehörde auch noch im gerichtlichen Verfahren vorenthalten, so liegt eine Verletzung fairen Verfahrens vor.
    2. Durchsuchungen bei der Verwaltungsbehörde sind in einem solchen Fall unverhältnismäßig.
    3. Ein Verfahren, in dem es zu einer Verletzung fairen Verfahrens kommt, kann nach § 47 OWiG eingestellt werden.

Wer den Beschluss liest, wird sich sicherlich auch denken: Ein paar Worte mehr wären nicht schlecht gewesen. Und: Leitsatz 2 und 3 hätte ich getauscht, sonst gibt es m.E. keinen Sinn.

    1. Die in Bußgeldverfahren wegen Verkehrsordnungswidrigkeiten stark zunehmende Tendenz, Behörden und Gerichte zu „überfluten“ mit ausufernden Schriftsätzen und Anträgen (auf Beiziehung/Überlassung zahlreicher Daten und Unterlagen, weitere Beweiserhebungen, Aussetzung der Hauptverhandlung etc.), Widersprüchen zur Verwertung von Beweismitteln sowie Vorlage von sog. Sachverständigengutachten, um die Grund- und Menschenrechte von Fahrzeugführern/innen nach Grundgesetz, EU-Menschenrechtskonvention und UN-Charta vor staatlicher Willkür in Form von hinterhältigen und wegelagerischen Radarfallen zu “schützen“, dies selbst bei geringfügigen Geldbußen, steht in diametralem Kontrast zu Sinn und Zweck des standardisierten Messverfahrens nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs – gerade für den Bereich der massenhaft vorkommenden Verkehrsordnungswidrigkeiten mit vergleichsweise geringfügigen Sanktionen zum Zweck nachdrücklicher Pflichtenmahnung. Dieses seit Jahrzehnten bewährte Rechtsinstitut wird dadurch unterlaufen und ad absurdum geführt (sehr anschaulich: OLG Frankfurt, Beschl. v.14. Juni 2022 – 3 Ss-OWi 476/22).
    2. Solange der Gesetzgeber hier nicht ein – überfälliges – einheitliches Reglement zur Verfügung stellt, obliegt es den Gerichten, dieser Tendenz entgegenzuwirken und dem „dahinsiechenden“ standardisierten Messverfahren materiell-rechtlich wieder Leben einzuhauchen, um der Verantwortung für höchstmögliche Sicherheit im Straßenverkehr und damit Schutz von Leib und Leben aller Verkehrsteilnehmer gerecht zu werden.
    3. Wird von einem standardisierten Messverfahren ausgegangen, bedarf es der Hinzuziehung eines Beschilderungsplanes bzw. der verkehrsrechtlichen Anordnung nicht (OLG Zweibrücken, Beschl. v.5. Mai 2020 – 1 OWi 2 SsBs 94/19). Die Messörtlichkeit einschließlich der Beschilderung ist durch das Messprotokoll in der Akte ausreichend dokumentiert, so dass die Überlassung der verkehrsrechtlichen Anordnung nicht nötig ist. Verkehrszeichen stellen Verwaltungsakte in Form von Allgemeinverfügungen dar und sind nach §§ 43 III, 44 VwVfG nur unwirksam, wenn sie nichtig sind, ansonsten ist ein Verwaltungsakt zu befolgen, auch wenn er fehlerhaft ist (OLG Koblenz, Beschl. v.17. November 2020 – 1 OWi 6 SsRs 271/20).
    4. Für die Verwertbarkeit einer Messung trotz nicht gespeicherter/vorhandener Rohmessdaten spricht, dass nach Stellungnahmen und Beiträgen der PTB (zusammengefasst in der Fassung vom 4. November 2021, https://doi.org/10.7795/520/20211104) eine Messung an Hand von Rohmessdaten nicht aussagekräftig überprüft bzw. plausibilisiert werden kann. Nach den einleuchtenden Erläuterungen der PTB ist also nicht davon auszugehen, dass mit der Löschung/Nichtspeicherung von Rohmessdaten eine nachträgliche Überprüfung der Messung verhindert werden soll, wie es einige sog. Sachverständigenbüros suggerieren wollen. Es soll damit lediglich verhindert werden, dass der geeichte Messwert, gesetzliche Grundlage des Messwesens, mit ungeeigneten Mitteln in Frage gestellt wird.
    5. Für den Messwert einer konkreten Einzelmessung gibt es keinen Zusammenhang mit den Messergebnissen für Fahrzeuge, die in den Stunden davor oder danach erfasst wurden, so dass die Daten einer gesamten Messreihe – unabhängig davon, dass dieser Begriff nicht definiert und damit unbestimmt ist – ungeeignet sind zur Überprüfung der Einzelmessung (PTB, 30.03.2020, https://doi.org/10.7795/520.20200330).
    6. Bei Messungen mit dem Messgerät PoliScan besteht kein Anspruch auf Überlassung des sog. Token. Wird die Tuff-Datei mit der nötigen Software und dem dazugehörigen Token (auch public key, key oder Schlüssel genannt) geöffnet, ist ein grüner Haken sichtbar, mittels Token wird demnach die Integrität der Datei visualisiert. Diese Visualisierung kann als pdf-Datei abgespeichert und an die Verteidigung herausgegeben werden. Der Token ist mithin kein Medium zum Öffnen/Entschlüsseln einer Datei; er dient ausschließlich dazu, die Integrität der Messdaten zu visualisieren in Form des o.a. Häkchens.

Dazu nur Folgendes – mehr verbietet mir die BRAO 🙂 : Ich gehe davon aus, dass die Leitsätze vom AG stammen, denn m.E. würde sich Juris, wo ich die Entscheidung gefunden habe, nicht zu solchen Leitsätzen „versteigen“. Dann zeigen die Leitsätze aber deutlich, dass da offenbar jemand doch Probleme mit Verteidigern und Verteidigung in Bußgeldsachen hat. Und das, wenn ich mich recht erinnere, nicht zum ersten Mal. Denn der VerfGH Saarland hat sich ja vom AG St. Ingbert auch schon einen Rüffel abholen müssen. Im Übrigen: Was haben die Leitsätze mit der Entscheidung zu tun? Wo ist das „ausufernd“ verteidigt. Man, man. Wenn das die amtlichen Leitsätze sind, könnte man es ja mal mit einem Antrag nach § 24 ff. StPO versuchen. Ich bin ja kein Freund von Ablehnungen, aber wenn sich ein Amtsrichter – m.E. ohne Not – so weit „aus dem Fenster lehnt“…….

Die Schulung des Messbeamten, oder: Was der kann, das kann er – immer ….

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Im Bußgeldverfahren spielt, wenn es um die Verwertung von Messungen geht, ggf. auch die Frage eine Rolle, ob und seit wann der Messbeamte in der Bedienung des Messgerätes geschult war. Damit befasst hat sich vor einiger Zeit nun auch das AG Castrop-Rauxel, Urt. v. 03.02.2017 – 6 OWi-267 Js 2376/16-334/16 – und zwar in Zusammenhang mit einer PoliscanSpeed-Messung.

Das AG geht davon aus, dass, wenn Messbeamte einmal in der Bedienung eines Geschwindigkeitsmessgerätes geschult sind, diese Schulung auch für nachfolgende Änderungen der Softwareversionen des Messgerätes gilt.

Das ist m.E. zweifelhaft. Jedenfalls muss der Verteidiger, wenn er einen Beweisantrag gerichtet auf die Feststellung, dass die Messbeamten nicht in der aktuellen Softwareversion des Geschwindigkeitsmessgerätes geschult sind, stellt, Angaben darüber machen, welche Änderungen aus der neuen Software sich für die Bedienung des Messgerätes ergeben. Sonst wird das AG – so jedenfalls das AG Castrop-Rauxel – dem bei einem standardisierten Messverfahren nicht nachgehen. Und Poliscan-Speed ist standardisiert – sagt das AG Castrop-Rauxel.

Die Entscheidung liegt in etwa auf der Linie der OLG, die hinsichtlich Schulungen recht streng sind. Die OLG (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.07.2014 – 1 RBs 50/14 und OLG Hamm, Beschl. v. 10.03.2017 – 2 RBs 202/16) gehen nämlich davon aus, dass auch eine bereits gut fünf Jahre zurückliegende Schulung nicht zu Zweifeln an der Befähigung des Messbeamten oder an der Richtigkeit der Messung veranlasst, wenn konkrete Hinweise fehlen, dass die erteilte Bescheinigung auf eine bestimmte Softwareversion des Messgerätes beschränkt war oder dass die zwischenzeitliche Einführung neuer Softwareversionen grundlegende Änderungen erfahren hat.

Frage: Ärzte, Rechtsanwälte, Lehrer usw.,  – gelegentlich sogar Richter 🙂 – alle bilden sich fort bzw. frischen ihre Kenntnisse auf. Warum Messbeamte das nicht müssen, erschließt sich mir nicht. Sollen die wirklich auf Jahre hin von den einmal erworbenen (?) Kenntnissen zehren dürfen?

Terminsverlegung in Fahrverbotssachen „kritisch“, oder: „Butter bei die Fische“

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Zufällig bin ich auf die den AG Castrop-Rauxel, Beschl. v. 12.07.2016 – 6 OWi – 252 Js 234/16 – 23/16 – gestoßen. In ihm geht es um das leidliche Thema der Terminsverlegung. Es handelt sich um eine Fahrverbotssache. Der Verteidiger hatte Terminsverlegung beantragt, u.a. wohl mit der Begründung: Ich bin in den gesamten Sommerferien urlaubsabwesend, ohne dazu weiter auszuführen. Das AG lehnt ab und begründet wie folgt:

„Das Gericht hat bei seiner Ermessensentscheidung folgende Aspekte berücksichtigt:

Im vorliegenden Verfahren geht es um einen so genannten „qualifizierten“ Rotlichtverstoß, d.h. das Rotlicht dauerte möglicherweise länger als eine Sekunde. Als mögliche Rechtsfolge droht dem Betroffenen im Falle einer Verurteilung ein einmonatiges Fahrverbot. Es wurde bereits ein Sachverständigengutachten durch den Sachverständigen G. eingeholt. Der Sachverständige G. ist Sachverständiger im Sachverständigenbüro S. und B.. Dieses Büro und auch der Sachverständige G. sind gerichtsbekannt überregional tätig, was zu langen Bearbeitungszeiten bei diesem Büro führen kann. Aufgrund der Terminsdichte des Sachverständigen G. muss bei einer erneuten Verlegung des Hauptverhandlungstermins mit einem Terminsverlegungsantrag des Sachverständigen und in der Folge mit einer erheblichen Verzögerung des Verfahrens gerechnet werden. Das wird schon daran deutlich, dass der Sachverständige G. bzgl. des Termins am 15.07.2016 mit Schreiben vom 24.06.2016 wegen eines Termins am Landgericht Münster um Terminsverlegung bitten musste (vgl. Bl. 159 d.A.).

Ferner ist zu berücksichtigen, dass zum Hauptverhandlungstermin neben dem Sachverständigen G. auch noch die drei beteiligten Polizeibeamten als Zeugen zu laden sind, bei denen gegebenenfalls auch mit Terminsverlegungsanträgen zu rechnen ist. Für den Termin am 29.07.2016 wäre hingegen allen drei Zeugen und dem Sachverständigen das Erscheinen zum Gerichtstermin möglich.

Bei dem Terminverlegungsantrag hat das Gericht zudem die Terminslage des Spruchkörpers berücksichtigt. Der erkennende Richter befindet sich in der Zeit vom 22. August bis einschließlich 09.09.2016 in Urlaub. Es sind deswegen schon Termine ab dem 20.09.2016 anberaumt, zur Zeit terminiert das Gericht für den 30.09.2016. Eine Verlegung des Termins würde also eine weitere erhebliche Verzögerung mit sich bringen. Diese ist schon deswegen nicht angezeigt ist, weil der Verteidiger mit Schriftsatz vom 16.06.2016 (Bl. 154 d.A.) dargelegt hat, dass aus seiner Sicht der Sachverständige die ihm gestellte Beweisfrage bislang nicht beantwortet hat. Es muss also davon ausgegangen werden, dass weitere Beweisanträge durch die Verteidigung gestellt werden und ggf. nach dem erneuten Hauptverhandlungstermin die Sache noch nicht entscheidungsreif ist. Insoweit muss bei der Terminierung aber auch den kurzen Verjährungsfristen im Ordnungswidrigkeitenrecht und den Besonderheiten der Rechtsprechung  zur Angemessenheit von Fahrverboten Rechnung getragen werden. In der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte ist anerkannt, dass bei einem Zeitablauf von über zwei Jahren zwischen Tat (Datum der möglichen Tat hier: August 2015) und Urteil der erzieherische Sinn und Zweck des Fahrverbots an sich infrage gestellt sein kann (vergleiche OLG Celle, Beschluss vom 18.07.2012, Aktenzeichen: 311 SsBs 82/12; Krumm, Das Fahrverbot in Bußgeldsachen, 3. Auflage 2014, § 6 Rn. 164 m.w.N.). Regelmäßig wird daher in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte postuliert, dass bei einer Verfahrensdauer von mehr als zwei Jahren ein Fahrverbot in der Regel nicht mehr angeordnet werden kann. Vor diesem Hintergrund sind Terminsverlegungsanträge in Ordnungswidrigkeitensachen, bei denen ein Fahrverbot droht, besonders kritisch zu prüfen. Vom Verteidiger kann gerade deswegen verlangt werden, substantiiert zu den Gründen eines Terminsverlegungsantrages vorzutragen.

Demgegenüber war die anwaltliche Versicherung des Verteidigers, dass er tatsächlich die gesamten Sommerferien, d.h. sechseinhalb Wochen, urlaubsabwesend sei und keinen Gerichtstermin wahrnehmen könne, einer Ermessensprüfung nicht zugänglich. Nach der oben genannten Rechtsprechung, insbesondere des Oberlandesgerichts Schleswig, ist dem Verteidiger zuzumuten, substantiiert darzulegen, dass er über einen Zeitraum der gesamten Ferien urlaubsabwesend ist und keine Termine wahrnehmen kann. Folgte man der Rechtsansicht des Verteidigers, so hätte es die Verteidigung in der Hand, über die schlichte anwaltliche Versicherung ohne konkreten Vortrag dafür zu sorgen, dass innerhalb der Sommerferien keine Gerichtstermine in Strafsachen stattfinden könnten. Damit würde quasi „durch die Hintertür“ eine dem § 227 Abs. 3 S. 1 ZPO (Ehemalige Gerichtsferien) entsprechende Regelung in die StPO eingeführt. Das hat der Gesetzgeber offensichtlich nicht gewollt, eine dem § 227 Abs. 3 S. 1 ZPO entsprechende Regelung findet sich in der StPO nicht.“

Ob das alles so richtig ist, lassen wir mal dahingestellt. Denn im Ergebnis ist die Entscheidung m.E. ok. Denn es hätte für die Ablehnung auch gereicht, wenn das AG sich auf den letzten von ihm angeführten Punkt beschränkt hätte:

„Im Übrigen kommt eine Terminsverlegung zum jetzigen Zeitpunkt auch deshalb nicht in Betracht, weil der Betroffene ausweislich der Vollmacht vom 20.10.2015 hier zwei Wahlverteidigern, nämlich Herrn Rechtsanwalt X. und Herrn Rechtsanwalt Y. Vollmacht erteilt hat (vgl. die Vollmacht Bl. 14 d.A.).“

Es gilt der Grundsatz, dass der Angeklagte nur einen Anspruch darauf hat, von einem Verteidiger seines Vertrauens verteidigt zu werden. Den wendet das AG an.

Für mich ist die Entscheidung übrigens eine Bestätigung – „habe ich ja immer schon gesagt“ -, dass die Vollmacht, wen man sie denn vorlegt, immer nur auf denjenigen Rechtsanwalt ausgestellt sein sollte, der auch tatsächlich verteidigt. Dann ist die o.a. Argumentation nicht möglich.

Beweisantrag bei Leivtec XV3: „…die Behörde hat willkürlich die beiden Messfotos in die Filmsequenzen eingefügt…“?:

© Kathrin39 Fotolia.com

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Zum Wochenabschluss will ich heute mit dem AG Castrop-Rauxel, Urt. v. 12.02.2016 – 6 OWi-256 Js 68/16-4/16 – starten. Einem Betroffenen ist der Vorwurf einer Geschwindigkeitsüberschreitung gemacht worden. Gemessen worden ist mit Leivtex XV3. Um die Ordnungsgemäßheit und Verwertbarkeit der Messung wird gestritten. Das AG Castrop-Rauxle hat die Messung als vewertbar angesehen und geht davon aus, dass die Messung mit Leivtec XV3 ein standardisiertes Messverfahren ist. Dazu der Leitsatz:

„Bei Messungen mit dem Gerät Leivtec XV3 handelt es sich um ein standardisiertes Messverfahren im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Aus dem Charakter als standardisiertes Messverfahren folgt, dass der Tatrichter grundsätzlich neben dem angewendeten Messverfahren Leivtec XV3 nur die gemessene Geschwindigkeit nebst Toleranzabzug feststellen muss. Ausführungen zur Beachtung der Verfahrensbestimmungen muss der Tatrichter im Urteil erst dann machen, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass diese nicht eingehalten worden sind oder konkrete Messfehler von dem Betroffenen oder einem anderen Verfahrensbeteiligten behauptet werden.“

Im Verfahren ging es außerdem noch um einen Beweisantrag, mit dem wohl vorgetragen worden war, die Verwaltungsbehörde „habe willkürlich Messfotos genommen, um einen falschen Eindruck zu erwecken“. Dem ist das AG nicht nachgegangen und hat das wie folgt begründet:

„Aus der Bedienungsanleitung des Messgerätes geht eindeutig hervor, dass die Konstellation, in der das gemessene Fahrzeug im Messung-Start-Bild sich alleine im Messrahmen befindet und das zusätzliche Fahrzeug, welches sich im Messung-Ende-Bild teilweise (insoweit gemeinsam mit dem gemessenen Fahrzeug) im Messrahmen befindet, verwertbar ist. Das hat das Gericht hier anhand der Messung-Start und Messung-Ende Bilder überprüft und ist zu dem Schluss gekommen, dass genau die Konstellation vorliegt, welcher in der Bedienungsanleitung gegeben ist.

Der Beweisantrag soll nach Ansicht der Verteidigung ergeben, dass die Behörde hier willkürlich die beiden Messfotos in die Filmsequenzen eingefügt hat. Dazu sind allerdings keine Anhaltspunkte vorhanden. Es ist nicht ersichtlich, dass die Behörde hier willkürlich Messfotos bzw. Filmsequenzen zusammengefügt hat, um das Gericht oder gar den Betroffenen darüber zu täuschen, ob das Messungs-Ende-Bild oder das Messung-Start-Bild vorliegen. Es fragt sich auch, welches Interesse die Bußgeldbehörde hier daran haben sollte, willkürlich und damit letztlich vorsätzlich falsche Messfotos zu verwenden, um den Betroffenen und das Gericht zu täuschen. Woher die Verteidigung insoweit ihre Kenntnis hat, ist aus dem Beweisantrag nicht ersichtlich. Im standardisierten Messverfahren muss allerdings nur konkreten Einwänden nachgegangen werden, für die wenigstens Anhaltspunkte bestehen. Es liegt hier schlicht und ergreifend eine in der Bedienungsanleitung des Messgerätes dargestellte Konstellation vor, so dass insoweit die Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht erforderlich ist.
Auch die übrigen Einwände aus dem Beweisantrag führen nicht dazu, dass eine Beweiserhebung durch einen Sachverständigen angezeigt ist. Soweit die Verteidigung ernsthaft behaupten will, dass es darauf ankomme, ob (wie in der Bedienungsanleitung Bl. 41 der Akte niedergelegt) das gemessene Fahrzeug nach rechts aus dem Bild herausfährt oder (wie im konkret vorliegenden Messfoto) das Fahrzeug des Betroffenen und das nachfolgende Fahrzeug nach links aus dem Bild herausfahren, musste diesem Einwand schon deshalb nicht nachgegangen werden, weil sich dazu in der Bedienungsanleitung kein Anhaltspunkt findet. Wenn es insoweit auf die Fahrtrichtung des gemessenen und/oder des nachfolgenden Fahrzeuges, auf den Neigungswinkel der Kammer oder Ähnliches bei der vorliegenden Konstellation ankäme, müssten sich dazu Anhaltspunkte in der Bedienungsanleitung finden. Die Bedienungsanleitung stellt aber uneingeschränkt dar, dass die vorliegende Konstellation verwertbar ist.

Aus den in Augenschein genommenen Messfotos Bl. 30 und Bl. 5 der Akte und den in Augenschein genommenen Bildern aus der Bedienungsanleitung Bl. 41 der Akte ist auch ersichtlich, dass keine signifikanten Unterschied zwischen der Messfotos aus der Bedienungsanleitung zwischen den Messbildern bestehen. …..“