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Hooligan pleite – Opfer muss zahlen! Stimmt das….?

entnommen wikimedia.org Urheber Heptagon

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Einer meiner Twitter-Follower hatte mich in der vergangenen Woche auf einen Beitrag beim WDR aufmerksam gemacht, und zwar hier: Verurteilter Hooligan pleite: Opfer müssen Teil der Prozesskosten zahlen, in dem Folgendes berichtet wurde:

Verurteilter Hooligan pleite: Opfer müssen Teil der Prozesskosten zahlen: (16.34 Uhr)

Zweieinhalb Jahre nach einem brutalen Angriff von Hooligans sollen ausgerechnet zwei Opfer der brutalen Attacke Prozesskosten zahlen. Dies berichteten am Mittwoch (19.11.2014) mehrere Zeitungen. Ein heute 28-jähriger Werder-Bremen-Fan war im Mai 2012 in Bielefeld auf dem Weg vom Stadion zum Bahnhof von Hooligans angegriffen, niedergeschlagen und von einem der Täter mit Tritten lebensgefährlich verletzt worden. Ein Freund des 28-Jährigen wurde bei der Attacke ebenfalls verletzt. Der Haupttäter wurde zu vier Jahren und zehn Monaten Haft wegen versuchten Mordes verurteilt.

Das Landgericht Bielefeld fordert den Medienberichten zufolge nun die Erstattung eines Teils der Prozesskosten – laut „Neue Westfälische“ insgesamt fast 4.000 Euro – von den zwei Opfern. Hintergrund ist, dass der Verurteilte zahlungsunfähig ist und dass die Opfer im Strafprozess Schadenersatz eingeklagt haben. Da der verurteilte Haupttäter die Prozesskosten aber nicht zahlen kann, holt sich die Gerichtskasse das Geld, das ihm zuvor im Rahmen der Prozesskostenhilfe vorgestreckt worden war, vom Nebenkläger – also von den Opfern – wieder.

Ein Gerichtssprecher bestätigte auf WDR-Anfrage den Fall, nannte aus datenschutzrechtlichen Gründen allerdings keine Summen.“

Die Frage meines „Followers“ war, ob das denn wohl richtig sei und ob ich das mit „§§ untermauern“ könne? Nun, die Antwort hat ein wenig gedauert und ich habe fachlichen Rat beigezogen, weil ich mich in dem Bereich auch nicht so ganz sicher bewege, getreu dem Sprichwort: „Schuster, bleib bei deinen Leisten“. Und der WDR hat dann auch noch einmal nachgelegt unter: Prozesskosten in Strafverfahren: Wenn das Opfer zur Kasse gebeten wird.  Und da haben dann mein Ratgeber, dem ich in solchen Dingen sehr vertraue – er ist Bezirksrevisor 🙂 – und ich doch ganz erheblich Bedenken, ob das alles so richtig ist, was man aber letztlich, da man mal wieder den Sachverhalt nicht so genau kennt, nicht abschließend sagen kann.

Also: Irgendetwas stimmt da nicht. Entweder ist der Bericht falsch bzw. enthält wesentliche Infos nicht oder das LG Bielefeld liegt falsch.

  • Nach dem Bericht geht es „lediglich um die Kosten für die Rechtsanwälte, die die beiden Geschädigten vertreten haben.“ Gerichtskosten des Adhäsionsverfahrens (Nr. 3700 KV GKG) sind also wohl nicht betroffen.
  • „Die beiden Bremer Fußballfans hatten sich für das Adhäsionsverfahren entschieden und Prozesskostenhilfe beantragt, um ihre Anwälte bezahlen zu können. Jetzt fordert die Staatskasse dieses Geld zurück – eigentlich natürlich vom verurteilten Haupttäter. Doch bei dem ist nichts zu holen – und deshalb werden als „Sekundärschuldner“ jetzt die beiden Geschädigten zur Kasse gebeten.“ Aber: Wenn die beiden Geschädigten für das Adhäsionsverfahren PKH bekommen haben, können die aus der Landeskasse insoweit gezahlten Anwaltskosten (offenbar 3.900 €, was uns recht viel erscheint) bei Fortgeltung der PKH nicht von den Geschädigten gefordert werden, §§ 404 Abs. 5 StPO, 122 Abs. 1 Nr. 1 b) ZPO. Wenn PKH mit Raten bewilligt worden ist, könnten die Kosten allenfalls in Raten gefordert werden.
  • Der Hinweis auf die „Sekundärschuldnerhaftung“, also wohl Zweitschuldnerhaftung, ist u.E. unrichtig. Die gibt es bei gem. § 59 RVG auf die Landeskasse übergegangenen Ansprüchen nicht.

Mal schauen, vielleicht erfährt man ja vom LG Bielefeld demnächst mal mehr….

Pauschgebühr im Bußgeldverfahren über Geldbuße von 18.5 Mio €, ja, aber..

Eine Pauschgebühr im Bußgeldverfahren? Ja, aber nicht nach § 51 RVG, sondern nach § 42 RVG für den Wahlanwalt – sicherlich ebenso ungewöhnlich. Wenn man sich allerdings den Sachverhalt des OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.04.2012 – III 3 RVGs 11/12 – ansieht, dann dürfte die Entscheidung in Ordnung gehen.

Der Rechtsanwalt hatte eine Nebenbetroffene in einem Kartellbußgeldverfahren als Wahlverteidiger vertreten. In dem Verfahren hatte das Bundeskartellamt durch Bußgeldbescheid eine Geldbuße in Höhe von 18,5 Mio € sowie eine weitere in Höhe von 350.000 € gemäß § 30 OWiG festgesetzt. Tatvorwurf war, dass die damals verantwortlichen Vorstandsmitglieder der Nebenbetroffenen ab 1999 bis 2002 an wettbewerbsbeschränkenden Absprachen im Rahmen eines Kartells zur Festsetzung von Maßnahmen zu Prämienerhöhungen in der industriellen Sachversicherung bzw. Transportversicherung beteiligt gewesen seien. Das Bußgeldverfahren gegen die Nebenbetroffene war aus einem Verfahren abgetrennt worden, welches sich gegen 17 Beteiligte richtete. Die Nebenbetroffene ist vom OLG  frei gesprochen worden. Die dagegen von der GStA eingelegt Rechtsbeschwerde hat der BGH als unbegründet verworfen.

Und der Rechtsanwalt beantragt  nun,  „die notwendigen Auslagen der Nebenbetroffenen mit 2.319,43 € festzusetzen und ihm darüber hinaus eine Pauschvergütung in Höhe von zusätzlich 4.426,80 Euro zu bewilligen“. Das OLG  hat dem Rechtsanwalt anstelle der gesetzlichen Gebühren nach § 42 RVG eine Pauschgebühr in Höhe von 2.740 Euro „bewilligt“. Soweit – so gut. Die Begründung des OLG Beschlusses ist zutreffend.

Nur: Der Tenor der Entscheidung des OLG hat mich dann doch erstaunt/irritiert. Das OLG hat dem Verteidiger nämlich  „anstelle der gesetzlichen Gebühren …. eine Pauschgebühr in Höhe von 2.740 Euro bewilligt“. Wieso „bewilligt“? Im Verfahren nach § 42 RVG wird vom OLG keine Pauschgebühr „bewilligt“, sondern durch unanfechtbaren Beschluss „festgestellt“. Der ist dann Grundlage für das (anschließende) Kostenfestsetzungsverfahren und hat dort nach § 42 Abs. 4 RVG bindende Wirkung. Das hatte aber auch der Verteidiger wohl schon nicht richtig gesehen, da er beantragt hatte, „die notwendigen Auslagen der Nebenbetroffenen mit 2.319,43 € festzusetzen und ihm darüber hinaus eine Pauschvergütung in Höhe von zusätzlich 4.426,80 Euro zu bewilligen“. Es wird im Verfahren nach § 42 RVG nämlich nicht „zweispurig gefahren“ sondern: Die Pauschgebühr wird vom OLG „festgestellt“ und muss dann vom Rechtspfleger im Kostenfestsetzungsverfahren nach § 42 Abs. 4 RVG festgesetzt werden. Es handelt sich bei der Pauschgebühr nach § 42 RVG nicht um eine dem Verteidiger besonders zustehende Gebühr wie die Pauschgebühr nach § 51 RVG, sondern es sind die dem Betroffenen/Angeklagten aus der Staatskasse zu erstattenden Auslagen in Höhe der vom OLG festgestellten Gebühr festzusetzen.

Na ja, macht das OLG ja auch nicht jeden Tag: Pauschgebühren nach § 42 RVG.

Dazu dann wie meist der Hinweis auf unseren Kommentar zurm RVG. Da kann man das bei § 42 RVG alles nachlesen.

Pauschgebühr und Gebührenbestimmung – auf die Reihenfolge achten

§ 42 RVG sieht auch für den Wahlanwalt die Möglichkeit einer Pauschgebühr vor, die er sich vom OLG feststellen lassen kann. Ist insofern interessant, weil diese Pauschgebühr dann bindend für alle gebührenrechtlichen Verfahren ist, also z.B. auch für die Kostenerstattung nach einem Freispruch. Wenn man als Verteidiger den Weg über § 42 RVG gehen will, dann muss man nur die richtige Schrittfolge beachten. Zunächst sollte der Antrag nach § 42 RVG gestellt werden und nicht etwa die Kostenfestsetzung beantragt werden. Fängt man damit an, dann ist nämlich ggf. der Antrag nach § 42 RVG unzulässig, weil die Gebühren dann vom Verteidiger bestimmt sind.

Das hat jetzt auch das OLG Bamberg, Beschl. v. 17.01.2011 – 2 AR 24/10 beschlossen und sich damit der h.M. angeschlossen. Im Leitsatz heißt es:

„Der Antrag auf Feststellung einer Pauschgebühr nach § 42 RVG ist unzulässig, wenn das Kosten­festsetzungsverfahren nach § 464 b StPO abgeschlossen ist. Dies gilt auch, wenn das Bestimmungsrecht des Rechtsanwalts nach § 14 I RVG bereits wirksam ausgeübt wurde (u.a. Anschluss an OLG Celle StraFo 2008, 398 = DAR 2008, 730 f. = NStZ-RR 2009, 31 f. und OLG Jena Rpfleger 2008, 98 = JurBüro 2008, 82 = StRR 2008, 158 f.).“

Pauschgebühr nach § 42 RVG gibt es nicht mehr nach abgeschlossenem Kostenfestsetzungsverfahren

Mit der Unzulässigkeit der Pauschgebührfeststellung des Wahlverteidigers nach bindender Gebührenbestimmung haben sich in letzter Zeit einige OLG befasst.

Nun auch das OLG Bamberg in seinem Beschl. v. 17.01.2011 – 2 AR 24/10. Danach ist der Antrag auf Feststellung einer Pauschgebühr nach § 42 RVG unzulässig, wenn das Kosten­festsetzungsverfahren nach § 464 b StPO abgeschlossen ist. Dies gilt auch, wenn das Bestimmungsrecht des Rechtsanwalts nach § 14 I RVG bereits wirksam ausgeübt wurde. Das OLG hat sich damit an OLG Celle StraFo 2008, 398 = DAR 2008, 730 f. = NStZ-RR 2009, 31 f. und OLG Jena Rpfleger 2008, 98 = JurBüro 2008, 82 = StRR 2008, 158 f. angeschlossen.

Kann man inzwischen wohl als h.M. ansehen.

Pauschgebühr für den Wahlanwalt (§ 42 RVG) – Erst Pauschgebührantrag oder auf den Zeitpunkt aufgepasst!!

Aufgepasst, kann man nur sagen, wenn man den Beschl. des OLG Jena v. . v. 9. 8. 2010, 1 AR (S) 25/10 liest,  sonst gehen möglicherweise Gebührenteile verloren, wenn es um die Feststellung einer Pauschgebühr nach § 42 RVG geht. Denn die obergerichtliche Rechtsprechung geht im Grunde übereinstimmend dahin, dass dies nicht mehr möglich ist, wenn der Verteidiger das ihm über § 14 RVG eingeräumte Ermessen bereits ausgeübt hat. Dazu liegen jetzt mehrere OLG-Entscheidungen ( vgl. OLG Celle, Beschl. v. 20. 3. 2008, 1 ARs 20/08 P; OLG Jena RVGreport 2008, 25 = StRR 2008 158 = Rpfleger 2008, 98; OLG Celle RVGreport 2008, 382 = AGS 2008, 546 = StRR 2008, 363 (Ls.);  OLG Köln, Beschl. v. 04.02.2009, 2 ARs 2/08) vor, aus denen nur der Schluss gezogen werden kann: Erst der Antrag nach § 42 RVG und dann ggf. weitere Kostenfestsetzung. Und wenn man das miteinander verbindet, dann ist darauf zu achten, dass die Kostenfestsetzung nicht vor der Entscheidung über den Antrag aus § 42 RVG rechtskräftig wird. Denn auch dann gilt: § 42 RVG ist ausgeschlossen.