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Pflichti III: Pflichtverteidigerwechsel in der Revision, oder: „Du musst schon sagen, wen du willst…“

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Und zum Schluss dann noch der KG, Beschl. v.  04.05.2023 – 4 Ws 23/23 – 161 AR 44/23, der sich zum Pflichtverteidigerwechsel äußert.

Das LG hatte den beantragten Wechsel abgelehnt. Die Bescshwerde dagegen hatte beim KG keinen Erfolg:

„Lediglich ergänzend merkt der Senat an:

Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 143a Abs. 4 StPO statthaft und auch im Übrigen zulässig, jedoch unbegründet. Das Landgericht hat zu Recht den Antrag des Angeklagten auf Aufhebung der Bestellung des Pflichtverteidigers abgelehnt.

a) Nach § 143a Abs. 3 Satz 1 StPO ist die Bestellung des bisherigen Pflichtverteidigers für die Revisionsinstanz aufzuheben und ein neuer, vom Beschuldigten bezeichneter Pflichtverteidiger zu bestellen, wenn er dies spätestens binnen einer Woche nach Beginn der Revisionsbegründungsfrist beantragt und der Bestellung des bezeichneten Verteidigers kein wichtiger Grund entgegensteht. Die mit dem Gesetz zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung vom 10. Dezember 2019 (BGBl. I 2128) eingeführte Vorschrift setzt nach dem Wortlaut die konkrete Benennung eines neuen Pflichtverteidigers voraus. Nach der Gesetzesbegründung ist die Bezeichnung des neuen Verteidigers durch den Beschuldigten vor dem Hintergrund erforderlich, dass eine Auswahl von Amts wegen nicht stattfindet (vgl. BT-Drs. 19/13829, Seite 49). Aus diesem Grund verweist § 143a Abs. 3 StPO auch – anders als § 143a Abs. 2 Satz 2 StPO für die in dessen Satz 1 geregelten Fälle des Verteidigerwechsels – nicht auf § 142 Abs. 6 StPO. Es ist daher einhellige Meinung im Schrifttum, der sich der Senat anschließt, dass die Bezeichnung eines neuen Verteidigers Voraussetzung des Verteidigerwechsels nach § 143a Abs. 3 StPO ist (vgl. Kämpfer/Travers in MüKo/StPO, 2. Auflage, § 143a Rdn. 23; Willnow in KK, StPO 9. Auflage, § 143a Rdn. 15; Krawczyk in BeckOK/StPO, 46. Edition, § 143a Rdn. 39; Hillenbrand StRR 2020, 4; von Stetten in Münchener Anwaltshandbuch Strafverteidigung, 3. Auflage, § 16 Rdn. 121).

Daran fehlt es hier. Der Angeklagte hat in seinem form- und fristgerecht angebrachten Entpflichtungsantrag vom 16. Dezember 2022 keinen Rechtsanwalt bezeichnet, sondern lediglich angekündigt, er werde „noch einen neuen Rechtsanwalt benennen“. Dem ist er aber nicht nachgekommen, vielmehr hat er in der Beschwerdeschrift vom 21. Februar 2023 mitgeteilt, es sei ihm „nicht möglich einen anderen Rechtsanwalt zu benennen“. Gründe dafür hat er nicht genannt. An den Voraussetzungen eines Verteidigerwechsels nach § 143a Abs. 3 StPO fehlt es deshalb ungeachtet der Frage, ob der neue Verteidiger bereits im Antrag zu benennen war oder ob dies – jedenfalls innerhalb der Frist des § 143a Abs. 3 Satz 1 StPO – noch hätte nachgeholt werden können.

b) Auch die Voraussetzungen der nunmehr ausdrücklich in § 143a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StPO kodifizierten Möglichkeit der Aufhebung der Bestellung des Pflichtverteidigers für den Fall, dass das Vertrauensverhältnis zwischen Verteidiger und Beschuldigtem endgültig zerstört ist oder aus einem sonstigen Grund keine angemessene Verteidigung des Beschuldigten gewährleistet ist, liegen nicht vor. Der Gesetzgeber verfolgt mit dieser Vorschrift das Ziel, zwei von der ständigen obergerichtlichen Rechtsprechung anerkannte Fälle des Rechts auf Verteidigerwechsel zu normieren. Insofern kann für die Frage, wann im Einzelnen eine endgültige Zerstörung des Vertrauensverhältnisses zu bejahen ist, auf die in dieser Rechtsprechung dargelegten Grundsätze zurückgegriffen werden (vgl. BT-Drucks. 19/13829, Seite 48; BGH StraFo 2020, 199; Senat, Beschluss vom 2. Dezember 2020 – 4 Ws 92/20 –).

Die pauschale Begründung des Entpflichtungsantrags des Angeklagten mit der unwiderruflichen Zerstörung des Vertrauensverhältnisses und dem bereits zuvor unternommenen Versuch der Entpflichtung des Verteidigers ist nicht geeignet, einen Verteidigerwechsel nach § 143a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StPO zu rechtfertigen. Voraussetzung der Annahme eines wichtigen Grundes für die Ersetzung des Pflichtverteidigers ist vielmehr, dass konkrete Tatsachen vorgetragen und gegebenenfalls nachgewiesen werden, aus denen sich ergibt, dass eine nachhaltige und nicht zu beseitigende Erschütterung des Vertrauensverhältnisses vorliegt und daher zu besorgen ist, dass die Verteidigung objektiv nicht (mehr) sachgerecht geführt werden kann (vgl. BVerfG NJW 2001, 3695, 3697; BGH NStZ 2021, 60; 1993, 600; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 65. Auflage, § 143a Rdn. 19 ff.). Wenn – wie hier – der bestellte Verteidiger vom Angeklagten selbst ausgewählt worden ist, sind bei der Prüfung der Entpflichtungsgründe strenge Maßstäbe anzulegen (vgl. Senat NStZ-RR 2012, 352 mwN).

Der in der Beschwerdeschrift erhobene Vorwurf, Rechtsanwalt S habe entgegen seiner Zusicherung keine Revision eingelegt, trifft nicht zu. Vielmehr hat der Pflichtverteidiger – wie die Generalstaatsanwaltschaft zutreffend ausgeführt hat – rechtzeitig Revision eingelegt und diese innerhalb der Revisionsbegründungsfrist begründet. Allein der nicht belegte Vorwurf des Angeklagten, Rechtsanwalt S nehme trotz entsprechender Bitten keinen Kontakt zu ihm auf, lässt den Schluss auf eine ernsthafte Störung des Vertrauensverhältnisses nicht zu (vgl. auch BGH NStZ 2021, 381).