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„Eine Seefahrt, die ist lustig“ (?), oder: „Wärst du doch in Düsseldorf geblieben ….“ – oder sonst wo

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Urheber Patrick-sg

Im weitesten Sinn mit Verkehrsrecht hat das AG Bremen, Urt. v. 13.12.2017 – 19 C 141/17, das ich bei Juris gefunden habe, zu tun. Es geht um Reisemängel bei einer Kruezfahrt, daher interessiert mich die Entscheidung (sehr) 🙂 . Das AG hatte es mit – behaupteten Reisemängelnnach einer Kreuzfahrt zu tun. Der Kläger hatte für sich und seine Ehefrau eine zweiwöchige Kreuzfahrt „Magische Momente Madagaskar und Mauritius“ zum Reisepreis in Höhe von 9.598,00 € für die Zeit vom 19.03.2016 bis 02.04.2016. Nun ja, für den Pries will man es ja schon etwas nett haben. Das war aber nach Auffassung des Klägers nicht der Fall und er hat Rückzahlung der Hälfte des Reisepreises verlangt. Das AG hat das anders gesehen und seine Klage abgewiesen:

„1. Bordsprache Deutsch

Der streitgegenständlichen Reise lag die Ausschreibung der Beklagten zu Grunde mit welcher die Reise die zugesicherte Eigenschaft „Bordsprache Deutsch“ haben sollte. Diese Verpflichtung hat die Beklagte erfüllt, indem sich der Kläger auf der Reise mit dem Bordpersonal in deutscher Sprache verständigen konnte und die Borddurchsagen auf Deutsch durchgesagt worden sind. Mit der Zusicherung der Eigenschaft „Bordsprache Deutsch“ schuldete die Beklagte weder, dass ausschließlich deutsche Gäste an Bord sein durften, noch, dass die Durchsagen ausschließlich auf Deutsch und nicht in anderen Sprachen durchgesagt werden. Die Ausschreibung, mit welcher die Reise beworben wurde und, die den Zusatz „Bordsprache Deutsch“ enthält, ist ausgehend von einem objektiven Empfängerhorizont, so zu verstehen, dass man sich als Gast in deutscher Sprache verständigen kann und auch deutsch an Bord gesprochen wird. Über andere Nationalitäten an Bord und Bordsprachen sagt die Zusicherung nichts aus und schließt nichts aus.

Soweit der Kläger behauptet, ihm sei von einer Mitarbeiterin der Beklagten vor der Reise mündlich zugesichert worden, dass nahezu ausschließlich deutsche Gäste an Bord seien und ausschließlich deutsch gesprochen werde, hält das Gericht diese Behauptung bereits nicht für glaubhaft……

Soweit der Kläger bemängelt, die Bordansagen seien zu laut gewesen, ist dieser behauptete Mangel nicht hinreichend dargelegt. Letztlich empfand der Kläger die Bordansagen als zu laut, weil sie in verschiedenen, ihm nicht vertrauten Sprachen, durchgesagt worden sind. Dabei handelt es sich jedoch um eine zu ertragende Unannehmlichkeit, die sich nicht vermeiden lässt, wenn auf einer internationalen Reise, selbstverständlich verschiedene Nationalitäten an Bord sind. Dabei unterliegt der Kläger dem (vermeidbaren) Irrtum, erwarten zu können, dass alle an Bord deutsch sprechen bzw. verstehen müssen und anderenfalls von der Reise ausgeschlossen sind. Schließlich dienen die Bordansagen der Organisation und der Sicherheit des Kreuzfahrtbetriebs. Der Kläger muss sich fragen, warum er eine Fernreise in eine französisch- und englischsprachige Region antritt, wenn er sich nur unter deutschen Menschen wohlfühlt. Jedenfalls kann man bei einer Kreuzfahrt auf internationalen Hoheitsgewässern nicht erwarten, dass sich auf dem Schiff nur Personen der gleichen Nationalität befinden.

2. Temperatur des Duschwassers

Soweit der Kläger behauptet, das Duschwasser wäre zu warm gewesen, könnte dies einen Reisemangel im Sinne von § 651c BGB darstellen, wenn man annimmt, dass sich die Temperatur des Wassers in der Dusche überhaupt nicht regeln lässt. Diesen Umstand trägt der Kläger jedoch schon gar nicht vor. Der Kläger behauptet, lediglich das kalte Wasser sei ihm zu warm gewesen in Anbetracht der hohen Außentemperaturen. Dieses rein subjektive Empfinden stellt keinen Mangel dar, der zur Minderung berechtigen würde. …..

3. Verdreckte Kleidung

Soweit der Kläger behauptet, seine Kleidung sei wegen Rußabgabe aus dem Schornstein verdreckt worden, ist dieser Vortrag unsubstantiiert und kann daher keinen Reisemangel begründen. Aus seinem Vortrag geht nicht hervor, welche Kleidung, bei welcher Gelegenheit in welchem Umfang verschmutzt worden sein soll. Die pauschale Behauptung genügt nicht, um feststellen zu können, ob es sich um einen von der Beklagten zu vertretenen Fehler bei der Reise handelt……

4. Fehlender Stargast

Das Fehlen eines Stargastes während der Reise des Klägers stellt keinen Reisemangel dar, weil der Auftritt eines sog. Stargastes, z.B. Hans Meiser, nicht Vertragsinhalt der von dem Kläger gebuchten Reise war. Zwar sind für bestimmte von der Beklagten beworbene Kreuzfahrten Auftritte von namentlich benannten Prominenten vorgesehen. Ausweislich des von der Beklagten vorgelegten Reisekatalogs für den Zeitraum Oktober 2014 bis Mai 2016 (Anlage B6), welche die konkrete Reise des Klägers betrifft, war gerade kein Stargast vorgesehen.“

Wenn man es liest, gilt nicht: „Eine Seefahrt, die ist lustig…“, sondern abgewandelt: „Wärst du doch in Düsseldorf geblieben ….“ – oder sonst wo. Denn/und der entscheidende Satz im Urteil ist für mich: „Vielmehr ergibt sich aus dem Beschwerdeschreiben des Klägers, dass ihn obendrein noch weitere Unannehmlichkeiten gestört haben, wozu die behauptete verdreckte Kleidung gehört. Es mag sein, dass der Kläger keinen schönen Urlaub hatte. Dieser Umstand beruhte jedoch nicht auf Fehlern seitens der Beklagten, sondern auf grundlegend falschen Vorstellungen und Erwartungen des Klägers.“ Und wenn der Kläger „Das von ihm gewünschte, gepflegte und ruhige Beisammensitzen mit deutschsprachigen Mitreisenden“ sucht, fragt man sich, warum er  nicht an den Ballermann fahrt :-), sondern eine Kreuzfahrt nach Mauritius macht. Zudem immerhin 213 Deutsche an Bord waren, aber wahrscheinlich nicht gepflegt genug 🙂 . Und schließlich zum Stargast: Ich würde es eher als Mangel der Reise ansehen, wenn „Hand Meiser“ an Bord gewesen wäre. Aber so sind die Geschmäcker eben verschieden. Man muss sich nur daraüber im Klaren sein, was man gebucht hat und was man dann bekommt.

Und nein – wegen des Bildes: Der Kläger war nicht mit der AIDA unterwegs. Da ist das Wasser nämlich immer auch kalt genug und da sind eher zu viel, als zu wenig Deutsche an Bord. 🙂

Und noch mal Akteneinsicht, oder: Verjährung bei der elektronischen Akte

© kostsov - Fotolia.com

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Und dann noch eine Entscheidung zur Akteneinsicht außerhalb des Mainstreams Messdaten usw. (vgl. dazu auch schon den AG Bad Saulgau, Beschl. v. 20.12.2016 – 1 OWi 273/16 und Mal was anderes zur Akteneinsicht, oder: Einsicht in die Bußgeldakte des Unfallgegners). Hier handelt es sich um den AG Bremen, Beschl. v. 01.11.2ß16 – 74 OWi 640 Js 16526/16 (179/16). Es geht um die Einstellung des Verfahrens wegen Verjährung, weil dem AG nur ein nicht ordnungsgemäßer Ausdruck einer elektronischen Akte übersandt worden ist und auch nicht rechtzeitig nachgebessert wurde. Dazu das AG:

„Es besteht ein Verfahrenshindernis nach § 206a StPO, da eine ordnungsgemäße Akte nicht vorliegt und auch nicht vorgelegt werden kann. Übersandt wurde der Ausdruck einer bei der Verwaltungsbehörde elektronisch geführten Akte, die nicht die von § 110b Abs. 2 OWiG vorgeschriebenen Vermerke aufweist, obwohl die Akte offensichtlich eingescannte Dokumente enthält. § 110b Abs. 3 OWiG regelt, dass ein elektronisches Dokument, das unter Beachtung von § 110b Abs. 2 OWiG erstellt wurde, grundsätzlich die Papierakte ersetzt und für das Verfahren zugrunde zu legen ist. Ein Ausdruck dieses elektronischen Dokuments kann dann auch nach §§ 110b Abs. 3, 110d Abs. 3 OWiG für das gesamte weitere Verfahren, also auch das Gerichtsverfahren, die Akte darstellen. Wenn aber die elektronische Akte nicht ordnungsgemäß erstellt wird, dann ist der Ausdruck der elektronischen Akte im Umkehrschluss zu §§ 110b Abs. 3, 110d Abs. 3 OWiG nicht dem Verfahren zugrunde zu legen.

Entgegen § 110b Abs. 2 S.3 OWiG konnten trotz Anforderung binnen zwei Monaten weder die Originalunterlagen noch ein dem § 110b Abs. 2 OWiG entsprechender Ausdruck von der Verwaltungsbehörde vorgelegt werden, weshalb davon ausgegangen werden muss, dass eine ordnungsgemäße Akte vor Verjährungseintritt auch nicht mehr hergestellt werden kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO, wobei zu berücksichtigen war, dass bei Übersendung der Unterlagen im Original oder mit Vermerken nach § 110b Abs. 2 OWiG aufgrund der vorliegenden Ausdrucke davon auszugehen ist, dass eine Verurteilung des Betroffenen wegen der ihm vorgeworfenen Ordnungswidrigkeit mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten war.“

Hätten Sie es gewusst?

Bremer Kuriosum: „wird der Rechtsanwalt … entschlagen“ oder doch „erschlagen“? :-)

© Alex White - Fotolia.com

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Für die Rubrik „Kurioses“ hat mir der Kollege Scheffler aus Bad Kreuznach (ja, das ist der mit dem Rheingold – vgl. „Rheingold! Reines Gold“, oder: Andere schreiben Anderes, vielleicht Bessers) den AG Bremen, Beschl. v. 01.04.2016 – 92a Gs 2601/16 (510 Js 41946115) – übersandt. Hintergrund der Entscheidung: Es handelt sich um einen BtM-Fall, es geht um 20 kg Heroin. Der Beschuldigte wird in der Nähe des Sitzes des Kollegen verhaftet. Der Kollege aus Bad Kreuznach wird beigeordnet. Die Ermittlungen werden aber von Bremen aus geführt, daher wird der Beschuldigte in der in JVA Bremen inhaftiert. Dort engagiert die Familie des Beschuldigten einen weiteren Verteidiger.

Auf die Distanz Bas Kreuznach/Bremen kann bzw. will der Kollege Scheffler nicht tätig werden und beantragt in Übereinstimmung mit dem neuen Kollegen seine Entpflichtung, was – so die Forumierung des Kollegen, „das AG Bremen mit bewundernswerter Einfachheit bewilligt hat.“ Und dazu heißt es dann im Beschluss:

„… wird Rechtsanwalt RA_1 entschlagen und dem Beschuldigten pp. stattdessen Rechtsanwalt RA_2 als Verteidiger beigeordnet.“

Ob der Formulierung „entschlagen“ bin ich nun irritiert. Habe ich in dem Zusammenhang noch nie gehört/gelesen.  Ob das „Entschlagen“ nun ein Schreibfehler ist oder eine typische Formulierung in Norddeutschland, weiß ich nicht, der Kollege Scheffler übrigens auch nicht. Wir hoffen, dass die Pflichtverteidiger in Bremen sonst nicht „erschlagen“ werden. Kurios ist es aber allemal. Aber vielleicht hat es ja auch mit dem Beschlussdatum zu tun: 1. April 2016 🙂 .

Lesenswert!! Welcher Maßstab bei der Erforderlichkeit von Kopien?

Hinweisen möchte ich heute auf eine m.E. sehr schöne Entscheidung des AG Bremen (Beschl. v. 06.01.2011 – 82 Ls 230 Js 8347/10 (8/10), die lesenswert für jeden Verteidiger ist. Sie setzt sich grundsätzlich mit der Frage auseinander, welcher Maßstab bei der (nachträglichen) Beurteilung der Erforderlichkeit von vom Verteidiger gefertigter Kopien anzulegen ist – in manchen AG-Bezirken ein „Dauerkampfplatz“.

Darüber hinaus setzt sich der Amtrichter mit dem Umstand auseinander, dass der Verteidiger die gesamte Akte kopiert hatte, was vom AG nicht beanstandet wird, und er gibt auch hinsichtlich einzelner Punkte, die in der Praxis immer wieder eine Rolle spielen, Argumentationshilfen. Das sind vor allem die Fragen der Notwendigkeit von Kopien des Aktendeckels, von Verfügungen des Gerichts, der Staatsanwaltschaft und der Polizei, von Kopien von Zustellungsurkunden, Schreiben des Verteidigers, bereits übersandter Schriftstücke und von Kopien von Auszügen aus dem BZR.

Wie schon geschrieben: Lesenswert.