Ich habe meinen Augen nicht getraut, als ich vor einigen Tagen die Überschrift zu einer Meldung gelesen habe: „Das beA kann kein deutsch“. Mein erster Gedanke: Was ist da denn schon wieder los?
Und nach dem Lesen der ganzen Meldung dann: Nach dem Theater um die Einführung des beA und das häufige Nichtfunktionieren, nun das: Das beA kann wirklich kein deutsch bzw. es kann zumindest keine Umlaute und/oder Sonderzeichen in Dateibezeichnungen lesen. Und das hatte für den Kläger in einem finanzgerichtlichen Verfahren fatale Folgen: Er hatte deshalb und weil es nach dem Versenden dann auch keine Fehlermeldung gibt, eine Frist beim BFH versäumt. Der hat aber dann im BFH, Beschl. v. 05.06.2019 – IX B 121/18, der erst jetzt veröffentlicht worden ist, Wiedereinsetzung gewährt:
„1. Die Beschwerde ist zulässig. Zwar hat der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) die Begründungsfrist (§ 116 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–) versäumt, weil die elektronisch übermittelte Datei mit der Begründung nicht fristgerecht beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangen ist. Dem Kläger ist jedoch von Amts wegen Wiedereinsetzung zu gewähren (§ 56 Abs. 2 Satz 4 FGO). Er hat die versäumte Handlung innerhalb der dafür geltenden Frist nachgeholt. Die Fristversäumung war unverschuldet. Die für die Beurteilung des Verschuldens maßgeblichen Tatsachen sind gerichtsbekannt. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers versandte den Begründungsschriftsatz rechtzeitig aus seinem besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA) und nutzte dafür die von der Bundesrechtsanwaltskammer zur Verfügung gestellte Webanwendung. Zur Bezeichnung der versandten Datei verwendete der Prozessbevollmächtigte offenbar (ohne dies zu wissen) technisch nicht zulässige Zeichen (Umlaute und Sonderzeichen). Die Nachricht wurde deshalb vom zentralen Intermediär-Server des Elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfachs nicht dem BFH zugestellt, sondern in ein Verzeichnis für „korrupte“ Nachrichten verschoben. Auf diesen Server hat der BFH keinen Zugriff; der BFH ist von dem Vorgang auch nicht benachrichtigt worden, so dass ein Hinweis nach § 52a Abs. 6 FGO nicht erteilt werden konnte. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers erhielt die Mitteilung, seine Nachricht sei erfolgreich versandt und zugegangen. Auch er konnte nicht erkennen, dass die Nachricht angehalten und dem BFH nicht zugegangen war. In Hinweisen der örtlichen Anwaltskammern wird zwar darauf hingewiesen, dass Umlaute und Sonderzeichen in Dateibezeichnungen zu vermeiden seien. Es wird aber nicht erläutert, welche Folgen die Verwendung haben kann.“
Noch mal mit einem blauen Auge davon gekommen.
Wenn man das allerdings liest, fragt man sich, welche Könner das BeA eigentlich programmiert haben? Könner“ können es m.E. nicht gewesen sein. Der eigentliche Skandal für mich: Die Anwaltskammern weisen zwar offenbar darauf hin, dass Umlaute und Sonderzeichen in Dateibezeichnungen zu vermeiden sind. Sie weisen aber nicht darauf hin, was passiert, wenn man es dennoch tut. Jetzt weiß man es. Dre Kläger beim BFH hätte allerdings fast teures Lehrgeld bezahlt.
nochmal: „Das beA kann wirklich kein deutsch bzw. es kann zumindest keine Umlaute und/oder Sonderzeichen in Dateibezeichnungen lesen. “ ist FALSCH.
beA kann Umlaute, beA kann wunderbar Umlaute. Jeder Anwalt kann Umlaute an andere Anwälte via beA schicken. Die alten Gerichtsserver können (teils) keine Umlaute. Die sind schuld.
Das einzige, was man beA bzw Atos vorwerfen kann: Eventuell(!) hätten sie das berücksichtigen müssen und, obwohl beA Umlaute kann, diese dennoch verbieten sollen. Und auch das Anzeigen der erfolgreichen Sendung (wenn das wirklich so im einzig maßgeblichen Journal bzw im „gesendete“ Ordner stehen sollte) wäre korrekt, denn offenbar hat der Intermediär des Gerichts das genauso rückgemeldet. Hätte er aber nicht tun dürfen, wenn er die Nachricht nicht verarbeiten kann.
Im übrigen ist mir nicht klar, was der „zentrale Intermediär-Server des Elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfachs“ sein soll. Soweit ich das verstehe, gibt es je nach Empfänger einen Intermediär (mit Server) an den der beA-Server zustellt. (Vom Prinzip her sind Intermediäre die Mailprovider des EGVP. Nur daß es da welche für ganze Bundesländer oder so gibt oder eben beA für Anwälte und nicht viele, viele unterschiedliche.) Das wäre dann der des BFH – oder wenn man das aus dem zentral ablesen will, ein „zentraler“ für alle Bundesgerichte oder so wo die alle ihre Postfächer haben. (einen single point of failure, einen zentral zentralen Knoten gibt es IMHO nicht) Und damit wäre die Nachricht dem BFH – ob „der BFH“ nun Zugriff hat (genauer wohl dessen Poststelle) oder nicht – die Nachricht schlicht zugegangen. Denn genau so ist es im ERV geregelt, es reicht der Zugang auf dem Server des Gerichts. Diesen Schuh wollte sich der BFH aber vielleicht nicht anziehen?
Siehe dazu auch http://ervjustiz.de/bfh-zu-unzulaessigen-dateinamen-fragwuerdige-wiedereinsetzung-bei-eingegangenem-schriftsatz
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