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NSU-Verfahren: Und der zweite Befangenheitsantrag wird dann auch abgelehnt

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Das OLG München macht heute die Ecken sauber bzw. bereitet alles für den (neu)Start am Dienstag vor. Spiegel-Online meldet gerade, dass nun auch der zweite Befangenheitsantrag, der noch nicht beschieden war, abgelehnt worden ist (vgl. hier). Das war der Antrag der Verteidiger von Beate Zschäpe wegen der Durchsuchung (der Verteidiger).

Dazu aus der Begründung – zitiert nach Spiegel.de:

„..In dem Beschluss von Freitag heißt es nun: Die Leibesvisitation sei aus Sicherheitsgründen erforderlich und diene „dem Schutz der Verteidiger und ihrer Integrität sowie ihrer Stellung als unabhängige Organe der Rechtspflege“. Die Angeklagten kämen „als vorrangiges Angriffsziel“ für diejenigen in Betracht, „die die Übernahem der Verteidigung von Angeklagten, die sie der rechten Szene zurechneten, nicht billigten und diese Missbilligung durch die Begehung von Straftaten oder andersgearteten Attacken auf die Person oder die Integrität der Verteidiger zum Ausdruck bringen wollten“. Dies gelte besonders für die Verteidiger von Beate Zschäpe, gegen die bereits Drohungen eingegangen seien.

Es liege „keine Diskriminierung der Verteidiger der Angeklagten Zschäpe gegenüber den Mitgliedern des Senats, den Vertretern des Generalbundesanwalts und den sonstigen Justizbediensteten“ vor, begründet das OLG seinen Beschluss. Die von der Durchsuchung ausgenommenen Personen befänden sich nicht wie die Verteidiger Zschäpes zu dieser in einem besonderen Näheverhältnis.

Zum Ganzen dann auch hier im Terrorismus-Blog NSU: Nach dem Antrag ist vor dem Antrag. Der Kollege dort weiß aus der Begründung noch zu berichten:

„Denn die Anwälte hätten ein besonderes Näheverhältnis zu Beate Zschäpe – wobei die Richter betonen, dass sie dieses Näheverhältnis allein aus der Verteidigerposition herleiten. Eine mögliche Gesinnungs-Nähe sehen die Richter also offenbar nicht.“

Letzteres wird die Kollegen Sturm, Stahl und Heer dann sicherlich beruhigen.

Die Ablehnung des Befangenheitsantrages überrascht mich nicht. Mit den Entscheidungen des BVerfG aus früheren Verfahren zur Durchsuchung von Verteidigern lässt sich argumentieren, ob gut, ist eine andere Frage. Denn durch besondere Begründungstiefe zeichnen sich die Entscheidungen m.E. nicht aus.

NSU-Verfahren: Erster Befangenheitsantrag abgelehnt

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Bei Spiegel-Online lese ich gerade (vgl. hier), dass es im NSU-Verfahren eine erste Entscheidung zu den Befangenheitsanträge vom vergangenen Montag gibt, und zwar:

  • Der Antrag des Angeklagten Ralf Wohlleben ist zurückgewiesen worden. Der war darauf gestützt, dass dem Angeklagten vom Gericht kein dritter Pflichtverteidiger zugestanden worden war – anders als der Hauptangeklagten Beate Zschäpe. Bei Spiegel-online heißt es dazu aus der Begründung: Es liegen „keine berechtigten Zweifel an der Unvoreingenommenheit der Richter“ vor. „Beim Vorsitzenden Richter Manfred Götzl etwa gebe es keine Gründe, „die geeignet sind, Misstrauen in die Unparteilichkeit des Vorsitzenden Richters zu haben“, heißt es in der Begründung.“ Wenn das alles ist, was ich nicht glaube, ist es wenig konkret. Aber würde letztlich auch nicht schaden, da die Rüge der Verletzung des § 338 Nr. 3 StPO wegen des Ausschlusses der sofortigen Beschwerde in § 304 Abs. 4 Satz 2 StPO nicht erfolgreich in der Revision erhoben werden kann.
  • Offen ist noch der Antrag der Angeklagten Beate Zschäpe, der u.a. auf die Durchsuchung der/ihrer Verteidiger gestützt war.

Nachtrag um 19.50: Der Befangenheitsantrag der Zschäpe-Verteidiger ist dann auch abgelehnt worden Vgl. dazu hier: NSU-Verfahren: Und der zweite Befangenheitsantrag wird dann auch abgelehnt

 

NSU-Verfahren: Ist es im Sitzungssaal zu heiß? – aus dem „Kessel Buntes“

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Wenn man nicht so richtig weiß, was man schreiben soll, dann schreibt man eben über Nebensächlichkeiten bzw.über den berühmten „Kessel Buntes“. So mein Eindruck, wenn ich Zeit-online sehe und dort den Beitrag „Saunagang vor dem Richter„, in dem es um die baulichen Veränderungen im Saal A 101 im OLG München geht, in dem das NSU-Verfahren verhandelt wird. Da erfahren wir, wie und wofür die 1,25 Mio € Renovierungskosten verbaut worden sind, und, dass es im Saal wohl zu heiß ist. Ich zitiere:

„Die größte Überraschung: Im Zuge der Renovierung sei auch die Klimaanlage erneuert worden, sagt eine Sprecherin.

Wirklich? Auf der Tribüne ist von deren Existenz nichts zu spüren. Das gelbe Namensschild, das Inhaber eines reservierten Presseplatzes bekommen, scheint gleichzeitig ein Ticket für einen bekleideten Saunagang zu sein. Wie muss das erst für die sein, die noch eine Robe über ihrer Kleidung tragen?“

Der Sinn dieses Beitrags leuchtet mir nicht so ganz ein. Was will er vermitteln? Wie schwer die Arbeit der Presse ist? Wie schwer die Arbeit der Prozessbeteiligten ist? Zumindest letzteres wissen wir.

Immerhin sind mit der o.a. Formulierung alle Robe tragenden Prozessbeteiligten erfasst, also nicht nur das Gericht, die Vertreter des GBA, sondern auch die Nebenklägervertreter/-vertreterinnen und vor allem auch die Verteidiger/Verteidigerinnen. Also anders als bei der Anordnung der Durchsuchung durch das Gericht in der Sicherungsverfügung.

Aber, man soll ja nicht nur meckern. Besser fand ich: Penibel und langsam, zum Glück! In dem Artikel wird Verständnis für den gar nicht anders zu erwartenden langsamen Start des Verfahrens gezeigt und die Presse aufgerufen, auch bei erlahmendem allgemeinen Interesse „trotzdem dran[zu]bleiben.“

„Für die Medien allerdings, die vor Beginn des Verfahrens so vehement für ein Höchstmaß an Öffentlichkeit gestritten haben, wäre es eine Blamage. Das ist das Wenigste, was die Opfer verdient haben: dass wir genau hinschauen. Immer wieder.“

Ich bin gespannt, was daraus wird, wenn das Verfahren in den Printmedien erst von Seiten 1 über die Seite 2 auf die Seite 3 gerutscht ist und auch in den TV-Nachrichten nicht mehr der „Aufmacher“ ist. Denn über die Vernehmung des 400. von 600 benannten Zeugen lässt sich im Zweifel nicht mehr gut berichten Dann wird es im Saal sicherlich leerer, allerdings dann aber auch nicht mehr so warm/heiß.

 

Schon wieder NSU-Verfahren: Das Kreuz muss weg – die nächste Baustelle?

Der Kollege Siebers hatte schon heute Morgen unter Es ist ein Kreuz mit dem Kreuz die Frage des Kreuzes im NSU-Gerichtssaal thematisiert. Die Diskussion ist wohl angestoßen worden durch ein Interview eines türkischen Parlamentariers, der als Zuschauer am Montag im Gerichtssaal war. Darüber berichtet LTO ausführlich hier.

„Streit um Holzkreuz im NSU-Gerichtssaal

Türkischer Politiker fühlt sich „bedroht“

Nach dem Ärger um die Platzvergabe und der Verzögerung wegen eines Befangenheitsantrags der Verteidiger, macht nun ein Kreuz im Gerichtssaal des NSU-Prozesses Schlagzeilen. Ein türkischer Parlamentarier forderte am Dienstag, das christliche Symbol aus dem Saal des OLG München zu entfernen.

Der türkische Parlamentsabgeordnete Mahmut Tanal stört sich daran, dass im Gerichtssaal 101 des Oberlandesgerichts (OLG) München ein Kreuz aufgehängt ist. Der Politiker war als Mitglied einer türkischen Parlamentarierdelegation zum Prozessauftakt in München gereist. Der Bildzeitung sagte er, dass er in dem christlichen Symbol einen Verstoß gegen die Prinzipien des säkularen Rechtsstaates und eine „Bedrohung für alle Nichtchristen“ sehe, die am Prozess beteiligt sind. Das Kreuz müsse deshalb sofort verschwinden.

Der Verfassungsrechtler Thomas Traub denkt nicht, dass der 52-jährige Politiker mit seiner Forderung Erfolg haben wird. Grundsätzlich sei es dem Gericht erlaubt, Kruzifixe in den Sälen aufzuhängen. Bereits 1973 habe das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zwar entschieden, dass ein Kreuz im Gerichtssaal abgehängt werden muss, wenn ein Prozessbeteiligter dies aus religiösen Gründen verlangt (Beschl. v. 17.07.1973, Az. 1 BvR 308/69). Dieser Grundsatz gelte aber „unmittelbar nur für Prozessbeteiligte und nicht für Zuschauer“, so Traub.

Zuschauer können sich nicht gegen Kreuz wehren

„Man darf nicht verpflichtet werden, einen Rechtsstreit unter dem Kreuz zu führen und damit einem Staat als Richter gegenüberzustehen, der sich mit der christlichen Religion identifiziert“, sagte Traub. In die Grundrechte der Zuschauer werde durch das christliche Symbol im Saal aber nicht eingegriffen. Etwas anderes könne hingegen für die Nebenkläger und die Angeklagten gelten. Sie könnten das Kreuz „unter Berufung auf ihre religiöse und weltanschauliche Überzeugung“ entfernen lassen.

In dem Prozess vor dem OLG München muss sich Beate Zschäpe als Mittäterin an allen Verbrechen des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) verantworten. Sie soll gemeinsam mit Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt für eine Mordserie verantwortlich sein, der zwischen den Jahren 2000 und 2006 hauptsächlich türkischstämmige Mitbürger zum Opfer fielen. Neben Zschäpe stehen noch vier mutmaßliche Helfer in München vor Gericht.

Im Vorfeld hatte es Streit um die Vergabe der Presseplätze und die Leibesvisitation der Verteidiger gegeben. Der Prozess wird wegen eines Befangenheitsantrags der Verteidiger erst am 14. Mai fortgesetzt.“

Nun ja: Unabhängig von der allgemeinen Frage der Zulässigkeit eines Kreuzes im Gerichtssaal – haben wir hier die nächste Baustelle?

Was mich stört: Die Formulierung: „Das Kreuz müsse deshalb sofort verschwinden.„, wenn sie denn so von dem türkischen Parlamentsabgeordneten gekommen ist.

Gedanken zum NSU-Verfahren – das „Vergraulprogramm“

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Das alles beherrschende Thema der letzten Tage ist natürlich der Auftakt im Münchner NSU-Verfahren. Es war zu erwarten, dass es in der Presse – aber auch in den Blogs – erneut hoch hergehen würde – das Interesse wird sicherlich mit zunehmender Verfahrensdauer abnehmen. Ich habe länger überlegt, ob ich ich mich auch in die Reihe derjenigen einreihen soll, die etwas mehr oder weniger Bedeutendes beitragen (wollen).

Nun, ich habe mich dann doch dazu entschlossen, und zwar weil mir in der heutigen Berichterstattung ein Begriff sauer aufgestoßen ist. Nämlich der wohl von der „Ombudsfrau der Bundesregierung für die Hinterbliebenen der NSU-Opfer“, Barbara John, gebrauchte Begriff des „Vergraulprogramms“ (vgl. u.a. hier). Ich akzeptiere, dass Frau John dem „Lager“ der Hinterbliebenen angehört. Ich akzeptiere auch, dass das natürlich dazu führt, dass man deren Interessen besonders im Blick hat. Aber:

Ich kann aber nicht akzeptieren, dass nun das Verhalten des Gerichts – und damit inzidenter auch das der Verteidiger – als „Vergraulprogramm“ angesehen/bezeichnet wird. Die „dauernden Verschiebungen“ sind, liebe Frau John, doch nichts Besonderes. Die erleben wir in jedem Großverfahren und sie sind der StPO geschuldet. Und Verschiebungen haben Nebenkläger/Hinterbliebene in anderen Verfahren auch zu ertragen. Da von „Vergraulprogramm“ zu sprechen, liegt m.E. neben der Sache und zeigt, dass man sich offenbar nicht so richtig mit dem was zu erwarten war, vorab mal befasst hat.

Bisher kann ich weder von der Verteidigung noch vom Gericht Verzögerungen erkennen, die nicht prozessbezogen wären. Dass die Verteidigung einen Ablehnungsantrag stellen würde – ja musste – war zu erwarten. Es nicht zu tun nach der Diskussion um die Durchsuchung der Verteidiger, wäre m.E. ein Fehler gewesen, man muss sich eben alle prozessualen Möglichkeiten offen halten. Dass das Gericht darüber nicht sofort entscheiden würde – quasi aus der Hüfte geschossen – war auch zu erwarten; ob man deshalb eine Woche unterbrechen muss, ist eine andere Frage, aber das hat man hinzunehmen.

Deshalb nun von einem „Vergraulprogramm“ zu sprechen und dem Gericht und der Verteidigung Vorwürfe zu machen, man würde das Verfahren verschleppen, wie es u.a. auch einer der Nebenklägervertreter getan hat, liegt neben der Sache (ob der Kollege nun gleich „Amateur“ ist, wie der Kollege Siebers meint – vgl. Nebenklage – Amateure – lasse ich mal dahinstehen).

Und: Ich brauche ganz bestimmt auch keine „Ombudsfrau der Bundesregierung für die Hinterbliebenen der NSU-Opfer“, die das Gericht auffordert „möglichst schnell die Anklageschrift zu verlesen“.  Liebe Frau John, noch haben wir die StPO, an die sich das OLG  und – ich bin davon überzeugt – auch die Verteidiger von Beate Zschäpe halten werden/müssen. Und die sieht einen bestimmten Zeitpunkt für die Verlesung der Anklage vor. An dem kann – zum Glück – auch eine „Ombudsfrau der Bundesregierung für die Hinterbliebenen der NSU-Opfer“ nicht ändern. Zudem wäre es m.E. fatal, wenn nach all den Fehlern, die gemacht worden sind, nun „kurzer Prozess gemacht würde“. Denn eins darf man – bei allem Mitgefühl mit den Angehörigen der Ge­tö­te­ten – nicht vergessen – ich zitiere aus der gestrigen Presserklärung der Strafverteidigervereinigung NRW e.V.:

„…Auch und selbstverständlich auch für die Angeklagten dieses Verfahrens gel­ten die Unschuldsvermutung und der Zweifelsgrundsatz, dem­zu­fol­ge ein Beschuldigter erst schuldig ist, nachdem seine rechtskräftige Verurteilung er­folgt ist.

Die im Zentrum des Strafverfahrens und des staatlichen Strafanspruchs stehende Per­son ist der Angeklagte. Er ist Prozesssubjekt. Dies gilt mit allen Rechten auf rechts­staat­li­che und effektive Verteidigung auch für die Angeklagten dieses Ver­fah­rens.

Die Strafverteidigervereinigungen lehnen eine Teilhabe von Nebenklägern und ih­ren Vertretern am Strafverfahren mit allen Rechten, wie sie auch Verteidiger haben,  ab, da dies die Rechte von Verteidigung tangiert und in Extremfällen, zu denen die­ses Hauptverfahren gehören mag, marginalisieren kann. Das deutsche Straf­ver­fah­ren folgt der Offizialmaxime und ist nicht Parteiprozess wie der an­glo­a­me­ri­ka­ni­sche. Ein Verfahren, in dem den von bis zu maximal zulässigen drei Verteidigern ver­tei­dig­ten An­ge­klag­ten neben den Anklagevertretern etwa 70 Ne­ben­kla­ge­ver­tre­ter gegenüber sit­zen, begründet bereits auf den ersten Blick die Sorge eines Verstoßes gegen die Ge­bo­te des fair trial.

Die Hauptverhandlung ist der Ort ausschließlich der Klärung der Frage der Schuld der Angeklagten unter Wahrung der Gebote des fair trial und der Un­schulds­ver­mu­tung. Sie ist nicht der Ort geschichtlicher Aufarbeitung oder der Abrechnung mit man­nig­fal­ti­gem Versagen von Strafverfolgungsbehörden. Vor diesem Hintergrund ist es selbstverständliches Recht der Angeklagten zu schweigen und die selbst­ver­ständ­li­che Wahrnehmung gebotener Verteidigeraufgaben, in begründeten Fällen et­wa Befangenheitsanträge gegen Gerichtspersonen zu stellen. Verteidigerverhalten hat sich allein und ausschließlich an der bestmöglichen Verteidigung zu orientieren, nicht an öffentlichen Erwartungen, der Befindlichkeit Angehöriger der Opfer oder dem publizistischen Mainstream.“