Archiv für den Tag: 14. Juli 2010

„Schnarri“: Neues zur Sicherungsverwahrung

Unsere „Bundes-Schnarri“ hat sich heute zur Sicherungsverwahrung erklärt und die Eckpunkte der geplanten Neuordnung vorgestellt (vgl. dazu die PM hier). Da heißt es:

Ich habe heute Eckpunkte einer Neuordnung der Sicherungsverwahrung den Rechtspolitikern der Koalition vorgestellt. Die Neuordnung der Sicherungsverwahrung ist unabhängig von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte notwendig und in der Koalition verabredet.

Kern der Neuordnung ist die Beschränkung der Sicherungsverwahrung auf schwere Fälle wie Sexual- und Gewalttäter. Sicherheit entsteht dann, wenn man sich auf die wirklich gefährlichen Täter konzentriert. Die unter Rot-Grün eingeführte nachträgliche Sicherungsverwahrung soll künftig nur in absoluten Ausnahmefällen angeordnet werden. Die nachträgliche Sicherungsverwahrung hat sich als wenig praxistauglich erwiesen, unabhängig von immer wieder zutage getretenen Schutzlücken.

Die Neuordnung der Sicherungsverwahrung beruht auf einem Wechsel hin zu einer möglichst frühzeitigen und verlässlichen Entscheidung über die Gefährlichkeit des Täters. Künftig sollen die Gerichte bei der Verurteilung Sicherungsverwahrung anordnen oder sich in unklaren Fällen die endgültige Gefährlichkeitsprognose vorbehalten.

Seit 1998 ist die Sicherungsverwahrung durch zahlreiche Änderungen erweitert und verschärft worden – häufig in Form von Einzelreparaturen als hektische Reaktion auf spektakuläre Fälle. Ein Ergebnis der Gesetzgebung sind unsystematische Regelungen, die zu einer kaum zu übersehenden Rechtsprechung geführt haben. Gleichzeitig ist die Zahl der Sicherungsverwahrten erheblich gestiegen – allein zwischen 2001 und 2009 von 257 auf 500.

Sicherungsverwahrung ist die schärfste Sanktion, die das deutsche Strafrecht kennt. Sie bedeutet Freiheitsentzug zum Schutz der Allgemeinheit trotz vollständiger Verbüßung der Haftstrafe.

Die Debatte, wie das berechtigte Interesse des Schutzes vor notorisch gefährlichen Straftätern mit dem unbedingten Ausnahmecharakter der Sicherungsverwahrung in Einklang gebracht werden kann, sollte unaufgeregt und sachlich geführt werden. Wer einfache Antworten verspricht, kann diesem Anliegen nicht gerecht werden.“

Hoffentlich liest das auch Herr Busemann. Zu den Eckpunkten (ein Eckpunkte-Papier hatten wir schon mal) hier.

Der Samstag als Werktag im OWi-Recht

Der BGH hat mit Urteil vom 13.07.2010 – VIII ZR 291/09 – für das Mietrecht entschieden, dass der Samstag kein Werktag ist (vgl. die PM hier und dazu hier).

So weit, so gut. Die Entscheidung bringt mich aber dann gleich zu der Frage: Gilt das nun nur im Mietrecht oder muss man – Stichwort: Einheit der Rechtsordnung – das auf das OWi-Recht ausdehnen. Da kann die Frage ja auch mal eine Rolle spielen, wenn es nämlich um die Wirkung des Zusatzzeichens Zeichen 1042-31 der StVO geht, durch das eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf Werktage beschränkt werden kann. Dann würde die Beschränkung an einem Samstag nicht gelten.

A.A. ist vor längerer Zeit das OLG Hamm gewesen. Es hat ausgeführt:

Die durch das gem. § 39 Abs. 2 StVO angebrachte Zusatzschild „werktags von 7.00 Uhr bis 20.00 Uhr“ (Zeichen 1042-31 der StVO9 herbeigeführte beschränkte Geltung der durch Zeichen 274 der StVO angeordneten Geschwindigkeitsbeschränkung entfaltet an einem Samstag keine Wirkung. Der Samstag ist nämlich auch heute noch im allgemeinen Sprachgebrauch ein „Werktag“. Das ist unabhängig davon, ob dieser Tag Arbeitstag ist (vgl. Beschl. v.07.03.2001 –  2 Ss OWi 127/01).

Ist die Entscheidung jetzt hinfällig? :-). Man kann es ja mal versuchen, ich muss es ja nicht mehr entscheiden 🙂 ;-). Allerdings wird es so ganz einfach nicht werden. Denn der BGH hat wohl darauf hingewisen, dass bei einer Kündigung wie auch im allgemeinen Sprachgebrauch der Samstag nach wie vor als Werktag zählt.

Warum denn in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nahe?

Im Forum bei LexisNexisStrafrecht hatten wir am Montag die Anfrage eines Kollegen zu den Konsequenzen der Nichtladung des Wahlverteidigers zur 2/3-Anhörung, und zwar fragt der Kollege, der mit der Berichterstattung hier einverstanden ist, wie folgt:

Im Dezember 2009 habe ich mich zum Wahlverteidiger eines in der JVA Wittlich einsitzenden Strafgefangenen gegenüber der Staatsanwaltschaft bestellt. Der im Vollstreckungsblatt vorgesehene 2/3-Termin sollte im Juni 2010 sein.
Ende Juni 2010 erhielt ich einen Brief meines Mandanten, warum ich nicht bei der 2/3-Anhörung vor der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des LG Trier dabei gewesen sei.
Eine Überprüfung des Sachverhalts ergab, dass ich zu diesem Termin nicht geladen wurde, die Strafvollstreckungskammer also mich überhaupt nicht geladen hatte, obwohl sich seit Dezember 2009 ein Bestellungsschreiben und eine Vollmacht bei den Akten befanden.
Die vorzeitige bedingte Entlassung meines Mandanten wurde (zu Recht) abgelehnt. Gegen den Beschluss habe ich fristgemäß sofortige Beschwerde zum OLG Koblenz eingelegt.
Mich ärgert es jedoch kollossal, dass ein Anhörtermin stattfand, ohne dass der Wahlverteidiger hierüber informiert wurde. Kann ich mit dieser Begründung (Verstoß gegen das Gebot fairen Verfahrens etc.) die Aufhebung des Beschlusses und eine erneute Anhörung erzwingen?
Wer hat hierzu noch ein paar Argumente und gibt es hierzu Rechtsprechung?
Ich bin für jede Idee/Anregung dankbar
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Ich habe wollte zunächst nur antworten:

hallo, schauen Sie mal bei Meyer-Goßner, § 454 Rn. 33. Danach haben Sie zwar ein Teilnahmerecht, das Gericht ist aber grds. nicht verpflichtet Sie zu laden (ich meine das haben wir beim OLG Hamm ähnlich gesehen, finde abder im Moment die Entscheidung nicht). Aber Sie können es ja mal versuchen. Zumindest ist ja auch Ihr Anhörungsrecht (§ 33 Abs. 3 StPO) verletzt.“

Ein anderer Kollege hat dann ergänzt:

„Schauen Sie mal in LR § 454/19. Vor dem Hintergrund der Entscheidung des OLG Bamberg vom 3.5.10 (1 Ws 145/10), die dem Gefangenen einen Anspruch auf Hinzuziehung eines Verteidigers im Disziplinarverfahren gibt, kann man die derzeitige Rechtsmeinung zur Hinzuziehung eines Verteidigers im Verfahren über die Reststrafenaussetzung, dass für den Gefangenen gravierendere Bedeutung hat, schon als fragwürdig ansehen.“

Ich habe dann meine o.a. Antwort allerdings ergänzt im Hinblick auf die Frage: Warum denn in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nahe? Denn: Warum das sofortige Beschwerdeverfahren, wenn es um die Entlassung des Mandanten geht:

Allerdings: Warum denn so umständlich und mit sofortiger Beschwerde? Stellen Sie doch einfach einen neuen 2/3-Antrag. Der kann – wenn keine Fristen bestimmt sind (§ 57 Abs. 7 StGB) – jederzeit gestellt/wiederholt werden. Geht doch auch viel schneller als der Weg über das OLG. Und in den Antrag würde ich aufnehmen, dass Sie wünschen, benachrichtigt zu werden.“

Lohnt natürlich nur, wenn man wirklich was Neues vorbringen kann. Das hat dann der andere Kollege noch ergänzt.

Schöne Gemeinschaftsarbeit.

🙂

Urteil ohne abschließende Beratung – geht das? Ja, wenn ich vorbeugend berate….

Eine interessante Fallgestaltung lag der Entscheidung des 1. Strafsenats im Beschl. v. 09.06.2010 – 1 StR 187/10 – zugrunde. Es geht um die nochmalige Beratung. Zum Sachverhalt teilt der BGH mit:

Nachdem die Strafkammer das Urteil umfassend beraten hatte, wurde die Beweisaufnahme wieder eröffnet und ein Hinweis nach § 265 StPO erteilt. Im Anschluss daran wurde die Beweisaufnahme erneut geschlossen. Die Verfahrensbeteiligten machten von der Gelegenheit, weitere Erklärungen zur Sache abzugeben, keinen Gebrauch, sondern nahmen lediglich auf ihre bereits gemachten Ausführungen Bezug. Sodann wurde das Urteil verkündet, ohne dass eine (erneute) Beratung stattgefunden hatte.“

Die Revision und auch der GBA haben das Verfahren als unzulässig angesehen. Der Auffassung ist grds. auch der BGH, der ausführt:

Gemäß § 260 Abs. 1 StPO hat das Urteil „auf die Beratung“ zu ergehen; diese muss der Urteilsverkündung unmittelbar vorausgehen. Tritt das Gericht nach den Schlussvorträgen und der Beratung wieder in die Verhandlung ein, so muss es vor der Verkündung erneut beraten. Dies gilt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes grundsätzlich auch dann, wenn wie im vorliegenden Fall der Wiedereintritt in die Verhandlung keinen neuen Prozessstoff ergeben hat (BGHR StPO § 260 Abs. 1 Beratung 2; BGH NStZ-RR 1998, 142; BGH NStZ 2001, 106). „

Wer allerdings glaubt, der BGH hat deshalb das Urteil aufgehoben, der irrt. Der BGH „rettet“ sich in die Beruhensfrage und meint, weil keiner mehr was gesagt hat, gab es auch nichts mehr zu beraten, so dass der Verstoß hier keine Folgen hat. Aber: Ist das richtig bzw. kann man/muss man es nicht anders sehen: Zunächst wird ja mal nur ein rechtlicher Hinweis erteilt. Damit steht aber doch die Verurteilung im Sinne dieses Hinweises noch nicht fest. Muss man deshalb nicht doch – wenigstens (ganz) kurz – beraten? Aber da rettet dann wohl der Inhalt der dienstlichen Äußerung der Vorsitzenden:

„Für diesen Fall war nach der dienstlichen Äußerung der Vorsitzenden in der vor der Wiedereröffnung der Hauptverhandlung vorangegangenen Urteilsberatung zwischen den Mitgliedern der Strafkammer dahingehend Einigkeit erzielt worden, dass es bei dem Beratungsergebnis – einer Verurteilung des Angeklagten entsprechend dem erteilten rechtlichen Hinweis – bleiben sollte, ohne dies noch einmal zu beraten.“

Also weitschauend vorbeugend ;-).