So kann häufig hat man ja mit Vorabentscheidungsverfahren beim EuGH nicht zu tun, manchmal wird der Rechtsanwalt dort aber tätig. Ich erinnere nur an die Vorlage des LG Berlin betreffend Encro-Chat. Dann stellt sich die Frage: Wie ist das denn eigentlich mit den Gebühren.
Ok, abgerechnet wird nach § 38 RVG. Aber wie ist das ggf. mit der Erstattung? Und zu der Frage verhält sich der BVerwG, Beschl. v. 27.04.2022 – BVerwG 9 KSt 10.21 -, den ich hier vorstelle. Danach setzt die Erstattungsfähigkeit von Rechtsanwaltsgebühren für das Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH nicht voraus, dass die dort entstandenen Kosten in der Kostengrundentscheidung des mitgliedstaatlichen Gerichts ausdrücklich erwähnt wurden:
„1. Die Erinnerung der Kläger gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss, über die gemäß § 165 Satz 2, § 152 Abs. 2, § 151 VwGO der Senat in der Besetzung von drei Richtern entscheidet (§ 10 Abs. 3 Halbs. 2 VwGO), ist zulässig und begründet. Die im Vorabentscheidungsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof angefallenen Rechtsanwaltsgebühren sind den Klägern neben den Gebühren des Ausgangsverfahrens gesondert zu erstatten.
a) Gemäß § 162 Abs. 1 VwGO erfassen die erstattungsfähigen Kosten die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten. Hierzu gehören u.a. die gesetzlich vorgesehenen Gebühren eines Rechtsanwalts (§ 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO). In Ermangelung einer unionsrechtlichen Regelung richtet sich die Erstattungsfähigkeit von Rechtsanwaltsgebühren in Vorlageverfahren nach dem nationalen Recht; die Festsetzung obliegt ebenso wie der Kostenausspruch dem nationalen Gericht (EuGH, Urteil vom 6. Dezember 2001 – Rs. C-472/99 [ECLI:EU:C:2001:663] – Rn. 23 ff.; vgl. Art. 102 EuGH-Verfahrensordnung).
Nach § 38 RVG gelten in Vorabentscheidungsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof die Gebührenvorschriften für das Revisionsverfahren in Teil 3 Abschnitt 2 Unterabschnitt 2 des Vergütungsverzeichnisses nach § 2 Abs. 2 Satz 1 RVG entsprechend. Das Vorlageverfahren wird wegen seiner besonderen Bedeutung gebührenrechtlich als eigenständiger Rechtszug behandelt, der gesonderte Gebühren für die daran beteiligten Rechtsanwälte entstehen lässt (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Mai 2012 – VIII ZB 3/11 – NJW 2012, 2118 Rn. 14 unter Hinweis auf BT-Drs. 15/1971 S. 193, 197). Denn das Vorabentscheidungsverfahren erfordert nach Inhalt und Form regelmäßig ein umfangreiches Tätigwerden des Rechtsanwalts, welches allein durch die Gebühren des Ausgangsverfahrens nicht mehr angemessen abgegolten wird (vgl. BT-Drs. 7/2016 S. 105 f. zur Vorgängervorschrift des § 113a BRAGO). Eine Anrechnung der Verfahrensgebühr des Ausgangsverfahrens auf die Verfahrensgebühr des Vorlageverfahrens findet nach § 38 Abs. 3 RVG nicht statt, wenn wie hier eine schriftliche Stellungnahme gegenüber dem Europäischen Gerichtshof abgegeben wurde.
b) Die Erstattungsfähigkeit der Gebühren setzt nicht voraus, dass die Kosten des Vorabentscheidungsverfahrens im Tenor oder in den Entscheidungsgründen des mitgliedstaatlichen Urteils ausdrücklich erwähnt wurden. Eine Tenorierung im Rahmen der Kostengrundentscheidung nach §§ 154 ff. VwGO ist weder gesetzlich vorgesehen noch aus anderen Gründen erforderlich. Nach der Systematik der Verwaltungsgerichtsordnung erfolgt ein eigenständiger Kostenausspruch nur dann, wenn nach einer gesetzlichen Regelung über bestimmte Kosten ausdrücklich gesondert zu entscheiden ist (vgl. § 162 Abs. 2 Satz 2 und § 162 Abs. 3 VwGO) oder hinsichtlich eines Teils der Kosten eine von der allgemeinen Kostenverteilung abweichende Kostenentscheidung in Betracht kommt (vgl. etwa § 155 Abs. 3, Abs. 4 VwGO). Dies ist hinsichtlich der im Vorlageverfahren entstandenen Rechtsanwaltsgebühren nicht der Fall. Die diesbezügliche Kostenentscheidung kann nicht anders ausfallen als die abschließende Kostengrundentscheidung. Danach trägt der letztlich unterliegende Beteiligte die Kosten aller Instanzen einschließlich des Vorabentscheidungsverfahrens; ein isoliertes Obsiegen oder Unterliegen vor dem Europäischen Gerichtshof ist nicht möglich.
Aus der vorhandenen Rechtsprechung ergibt sich nichts Gegenteiliges. Soweit der Bundesgerichtshof auf einen Senatsbeschluss Bezug genommen hat, mit dem der Klägerin „die Kosten der Revision einschließlich der Kosten des Verfahrens vor dem Gerichtshof auferlegt worden“ sind, wird dies lediglich referierend wiedergegeben, ohne damit eine entsprechende Verpflichtung zum Ausdruck zu bringen (BGH, Beschluss vom 8. Mai 2012 – VIII ZB 3/11 – juris Rn. 1; in NJW 2012, 2118 insoweit nicht abgedruckt). Auch in anderen Entscheidungen wird auf die Kosten des Zwischenverfahrens vor dem Europäischen Gerichtshof allenfalls beiläufig Bezug genommen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 1. April 2015 – 1 C 7.15 – juris Rn. 6; aus der obergerichtlichen Rechtsprechung z.B. OVG Koblenz, Urteil vom 23. Juni 2020 – 2 A 10461/20 – NVwZ-RR 2020, 1030 Rn. 30). Die Kosten des Vorabentscheidungsverfahrens sind somit Bestandteil der Kosten(grund-)entscheidung des Ausgangsverfahrens und von dieser mitumfasst (vgl. Burhoff, in: Gerold/Schmidt, RVG, 25. Aufl. 2021, § 38 Rn. 6; Hofmann-Hoeppel, in: Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 3. Aufl. 2021, § 38 RVG Rn. 10a).
c) Das Fehlen einer gesonderten Gegenstandswertfestsetzung für das Vorabentscheidungsverfahren steht der Erstattungsfähigkeit der Rechtsanwaltsgebühren ebenfalls nicht entgegen. Nach § 38 Abs. 1 Satz 3 RVG setzt das vorlegende Gericht den Gegenstandswert auf Antrag durch Beschluss fest, wobei sich der Gegenstandswert nach den Wertvorschriften des Ausgangsverfahrens richtet (§ 38 Abs. 1 Satz 2 RVG). Einer speziellen Gegenstandswertfestsetzung bedarf es dementsprechend nur dann, wenn dies ausdrücklich beantragt wurde, weil der Gegenstandswert des Vorlageverfahrens vom Streit- bzw. Gegenstandswert des Ausgangsverfahrens abweicht (dazu Burhoff, in: Gerold/Schmidt, RVG, 25. Aufl. 2021, § 38 Rn. 11; Mayer, in: Mayer/Kroiß, RVG, 8. Aufl. 2021, § 38 Rn. 8; Hellstab, in: Bischof/Jungbauer u.a., RVG, 9. Aufl. 2021, § 38 Rn. 38). Hierfür bestehen vorliegend keine Anhaltspunkte; vielmehr geht auch der Klägerbevollmächtigte von einem übereinstimmenden Gegenstandswert aus (vgl. S. 5 seines Kostenfestsetzungsantrags). Der mit Senatsbeschluss vom 30. November 2020 festgesetzte Streitwert von 195 000 € ist daher auch für das Vorabentscheidungsverfahren maßgeblich…..“