Und die zweite Entscheidung der Woche stammt auch vom BGH. Der BGH, Beschl. v. 13.02.2019 – 2 StR 485/18 – befasst sich mit einer Problematik, die in der Praxis vor allem in BtM-Verfahren immer wieder eine Rolle spielen kann.
Anhängig war ein Verfahren wegen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmittel. Im Laufe des Ermittlungsverfahrens sind umfangreiche Telefonüberwachungsmaßnahmen durchgeführt worden. Da alle Telefongespräche in fremder Sprache geführt worden waren, wurden diese durch einen von der Polizei beauftragten Übersetzer in die deutsche Sprache übertragen und verschriftet. Einzelne Wortprotokolle wurden dann später durch Verlesung in die Hauptverhandlung eingeführt. Die Angeklagten haben „den Dolmetscher, der die TKÜ übersetzt hat“ wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Der „Dolmetscher“ habe sich nicht auf die Übersetzung der Gespräche beschränkt, sondern in Klammern eigene Interpretationen und Erläuterungen hinzugefügt. Das LG hat den Befangenheitsantrag abgelehnt und den Angeklagten verurteilt. Die Revisionen der Angeklagten bleiben erfolglos:
„2. Das Landgericht hat das Ablehnungsgesuch rechtsfehlerfrei abgelehnt.
a) Der für das Hessische Landeskriminalamt tätig gewordene Übersetzer war kein Dolmetscher im Sinne des § 191 GVG. Aufgabe des Dolmetschers ist es, die Verständigung der Verfahrensbeteiligten zu ermöglichen. Es ist nicht seine Aufgabe, den Sinn einer nicht im Verfahren, sondern außerhalb des Prozesses abgegebenen fremdsprachigen Äußerung zu ermitteln. Dies ist Aufgabe eines Sachverständigen, für dessen Ablehnung § 74 StPO gilt.
b) Die Revision kann zwar grundsätzlich darauf gestützt werden, dass ein Ablehnungsgesuch gegen einen Sachverständigen zu Unrecht zurückgewiesen worden ist. Die Ablehnung eines im Auftrag der Polizei oder der Staatsanwaltschaft im Rahmen des Ermittlungsverfahrens tätig gewesenen Sachverständigen ist nach der Rechtsprechung und der ganz herrschenden Meinung in der Literatur, denen sich der Senat anschließt, nur möglich, wenn dieser vom Gericht in der Hauptverhandlung vernommen wird (BGH, Urteil vom 9. April 1965 – 4 StR 143/65, VRS 29, 26; OLG Düsseldorf, MDR 1984, 71, 72; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., § 74 Rn. 12; KK-StPO/Senge, 7. Aufl. § 74 Rn. 7; MüKo-StPO/Trück, 1. Aufl., § 74 Rn. 3; Radtke/Hohmann/Beukelmann, StPO, § 74 Rn. 1; SK-StPO/Rogall, 5. Aufl., § 74 Rn. 6; KMR/Neubeck, 68. EL, § 74 Rn. 18; LR-StPO/Krause, 27. Aufl., § 74 Rn. 3; aA derselbe in Rn. 21; Kube/Leineweber, Polizeibeamte als Zeugen und Sachverständige, 2. Aufl., S. 98; krit. SSW-StPO/Bosch, 3. Aufl., § 74 Rn. 8; aA Eisenberg, NStZ 2006, 368, 374; dem folgend HK-StPO/Brauer, 6. Aufl., § 74 Rn. 12). Den Verfahrensbeteiligten bleibt es insoweit unbenommen, schon während des Ermittlungsverfahrens Gegenvorstellungen bei der Staatsanwaltschaft zu erheben (vgl. SK-StPO/Rogall, aaO, § 74 Rn. 6 mwN). Auch im Rahmen der Hauptverhandlung können die Verfahrensbeteiligten eine ihrer Ansicht nach fehlerhafte Übersetzung beanstanden. Die wörtlichen Übersetzungen der Gesprächsprotokolle sind vorliegend nach § 249 Abs. 1 StPO im Wege des Urkundsbeweises prozessordnungsgemäß eingeführt worden. Die Strafkammer war – jedenfalls soweit in der Hauptverhandlung Einwände gegen die Richtigkeit der Übersetzung erhoben wurden – gehalten, sich gewissenhaft Aufklärung zur sorgfältigen Übertragung der Gesprächsaufzeichnungen zu verschaffen (BGH, Beschluss vom 3. April 2002 – 1 StR 540/01, NStZ 2002, 493, 494). Wie das Tatgericht die Überzeugung von Übereinstimmung der Übersetzung mit den fremdsprachigen Gesprächsprotokollen gewinnt, bleibt ihm nach Maßgabe der Aufklärungspflicht überlassen (BGH, Beschluss vom 27. November 2018 – 3 StR 339/18, NStZ-RR 2019, 57).
Hier hat sich die Strafkammer ausweislich der Urteilsgründe und des Revisionsantrags durch Vernehmung des Zeugen W. von der beruflichen und fachlichen Qualifikation des Übersetzers sowie von dessen Zuverlässigkeit überzeugt. Zudem hat der über viele Jahre in Deutschland wohnhafte Angeklagte Bo. die Richtigkeit der Übersetzung der ihm vorgehaltenen Wortprotokolle bestätigt, auch wenn er sie teilweise inhaltlich anders gedeutet hat. Eine dies beanstandende Aufklärungsrüge haben die Beschwerdeführer nicht erhoben.
c) Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass er die von der Revision unter Verweis auf Beschlüsse des Landgerichts Darmstadt (StV 1990, 258 und 1995, 239) vorgebrachten Bedenken hinsichtlich einer Befangenheit des Übersetzers auch in der Sache nicht teilen würde. Die von der Revision als mögliche Interpretationen beanstandeten Zusätze dienen zum Teil der Klarstellung und dem Verständnis, sind teilweise mit „vermutlich“ gekennzeichnet und als solche ausnahmslos in Klammern gesetzt. Ein vom Landeskriminalamt hinzugezogener Übersetzer überschreitet im Regelfall nicht seine Kompetenzen, wenn er aus dem Kontext früherer von ihm abgehörter – eventuell nicht im Wortlaut übersetzter – Gespräche zur besseren Verständlichkeit Erläuterungen beifügt, solange er durch Klammern deutlich macht, dass es sich nur um eine mögliche Deutung seinerseits handelt und damit die letztendliche Interpretationshoheit dem Landeskriminalamt als seinem Auftraggeber überlässt (BGH, Beschluss vom 28. August 2007 – 1 StR 331/07, NStZ 2008, 50). Etwas anderes könnte sich lediglich dann ergeben, wenn ein Übersetzer ohne Anhaltspunkte aus dem Kontext einseitig tendenziöse, für den Angeklagten belastende Schlussfolgerungen ziehen würde. Hierfür fehlen jegliche Anhaltspunkte.“
Danke für diesen tollen Blog. Macht weiter so.