Schlagwort-Archive: Wertersatzverfall

Einziehung VI: Altes/neues Recht, oder: Wiedergutmachung ist keine Strafe

Und in der letzten Entscheidung aus dem Reigen: Einziehung nach den §3 73 ff. StGB, geht es dann auch noch einmal um die Frage: altes/neues Recht?. In einem Verfahren mit dem Vorwurf des gewerbsmäßigen Bandenbetruges wird die Einziehung des Wertes der Taterträge, immerhin 208.118 €, angeordnet. Der Angeklagte macht geltend: Art 7 Abs. 1 Satz 2 MRK steht entgegen. Dazu der BGH, Beschl. v. 22.03.2018 – 3 StR 42/18:

„Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat:

Die Strafkammer hat rechtsfehlerfrei die Einziehung des Werts der Taterträge von 208.118 € angeordnet. Die Strafkammer hat nach Art. 306h EGStGB zutreffend die Vorschriften der § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1, § 73d Abs. 1 StGB in der Fassung des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 (BGBl. I S. 872) angewendet, weil sie erst nach dessen Inkrafttreten am 1. Juli 2017 über die Abschöpfung der Tatgewinne befunden hat und in dem Verfahren zuvor keine andere Entscheidung zum früheren Verfall oder Wertersatzverfall ergangen war.

Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers steht Art. 7 Abs. 1 Satz 2 MRK der Anwendung der – § 2 Abs. 5 StGB abbedingenden – Übergangsregelung nicht entgegen, auch wenn nach altem Recht eine Anordnung des Wertersatzverfalls wegen § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB aF ausgeschlossen, vielmehr nur eine Feststellung nach § 111i Abs. 2 Satz 1, 3 StPO aF möglich gewesen wäre; denn die von der Strafkammer getroffene Einziehungsentscheidung hat keinen Strafcharakter.

Dies ergibt sich hier bereits daraus, dass die Anordnung der Wertersatzeinziehung der Befriedigung von Ersatzansprüchen der Tatopfer dient. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen wurden in den sieben Fällen des vollendeten gewerbsmäßigen Bandenbetruges die Verletzten um insgesamt mindestens 208.118 € geschädigt. Jedenfalls in dieser Höhe ist der Angeklagte ihnen gegenüber zivilrechtlich zum Schadensersatz verpflichtet. Erfüllt er (teilweise) seine Verbindlichkeiten oder kommt es – etwa im Vergleichswege – zu einem (Teil-)Erlass, so ordnet im Vollstreckungsverfahren das Gericht nach § 459g Abs. 4 StPO nF im jeweiligen Umfang den Ausschluss der Vollstreckung der Einziehung an. Zahlt hingegen der Angeklagte auf die Wertersatzeinziehung oder führt die hieraus gegen ihn betriebene Vollstreckung zu für die Opferentschädigung ausreichenden Erlösen, werden sie gemäß § 459h Abs. 2, § 459n StPO nF bzw. § 459h Abs. 2 StPO nF an die Verletzten ausgekehrt.

In der bloßen Wiedergutmachung der Betrugsschäden, zu der der Angeklagte ohnehin zivilrechtlich verpflichtet ist, vermag der Senat kein Strafübel zu erkennen. Zwar kann nach dem neuen Vermögensabschöpfungsrecht die Opferentschädigung auch eine Insolvenzantragstellung erforderlich machen (näher hierzu Köhler/Burkhard, NStZ 2017, 665, 680 f.; Korte, wistra 2018, 1, – 4 – 2). Dies berührt jedoch nicht den Zweck der von der Strafkammer angeordneten Wertersatzeinziehung und verleiht ihr (entgegen LG Kaiserslautern, Urteil vom 20. September 2017 – 7 KLs 6052 Js 8343/16 (3), wistra 2018, 94 f.) keinen Strafcharakter.“

Und ganz subtil sagt der BGH, was er von der Entscheidung des LG Kaiserslautern, über die ich ja auch berichtet hatte, hält.

Vollstreckungsverjährung bei Wertersatzverfall

Mit einer nicht alltäglichen Frage musst sich das OLG Hamburg in seinem Beschl. v. o1.11.2010 – 2 Ws 53/10 und 2 Ws 54/10 – befassen. Es ging um die Frage der Vollstreckungsverjährung bei Wertersatzverfall. Das OLG ist zu folgenden Leitsätzen gekommen:

1. Nach §§ 79 Abs. 4 Nr. 2, 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB bemisst sich die Frist der Vollstreckungsverjährung des Verfalls auch von Wertersatz (§§ 73a Satz 1, 73 Abs. 1 StGB) auf zehn Jahre. Beginn der Vollstreckungsverjährung ist der Tag der Rechtskraft der Entscheidung (§ 79 Abs. 6 StGB).

 2. Gem. § 79a Nr. 3 StGB ruht die Verjährung während der Untersuchungs- und Strafhaft bis zur bedingten Entlassung nach gewährter Reststrafenaussetzung.

 3. § 79a Nr. 2 StGB betrifft in seinen Varianten – Vollstreckungsaufschub/-unterbrechung, Bewährungsaussetzung, Zahlungserleichterung – jeweils „nur Strafen und Maßnahmen, auf die sich die Vergünstigung bezieht“ und die Länge der später nach § 79 Abs. 5 StGB in den Abgleich einzustellenden Fristen sich „unter Berücksichtigung von Ruhen oder Verlängerung … im Einzelfall“ bestimmt.

 4. a) Nach § 79 Abs. 5 Satz 1 StGB verjährt bei gleichzeitiger Erkennung auf Freiheitsstrafe und Verfall die Vollstreckung der einen Strafe oder Maßnahme nicht früher als die der anderen.

b) Zwar berechnet sich die Frist der Vollstreckungsverjährung an sich „abstrakt“ – allerdings letzteres nur mit Rücksicht auf die Höhe der zu vollstreckenden Strafe. Mit dem ausdrücklichen Straferlass durch einen gerichtlichen Bescheid nach §§ 56g Abs. 1 Satz 1, 57 Abs. 5 Satz 1 StGB, der auf der Feststellung beruht, dass Widerrufsgründe nicht vorliegen, erlischt der staatliche Strafvollstreckungsanspruch: dieser rechtliche Befund kann sachlogisch auch auf die Frage der Vollstreckungsverjährung nicht ohne Auswirkung bleiben.

c) Ein Sinn für ein Offenhalten der Verjährung der Vollstreckung von Strafe ist nicht erkennbar, wenn nichts mehr zu vollstrecken ist, weil die Vollstreckung bereits erfolgt ist. Da der Straferlass an die Stelle der (vollständigen) Strafvollstreckung tritt, kann für den Erlass insoweit nichts anderes gelten als für die Vollstreckung.

d) Eine Verlängerung der Verjährungsfrist (vorstehend b) durch „Angleichung“ auf Grund des § 79 Abs. 5 Satz 1 StGB erfolgt nicht. Mit dem Wortlaut der Vorschrift – „verjährt die Vollstreckung“ (wenn sie zumindest in Teilen noch aussteht) „nicht früher“ als die der anderen Strafe oder Maßnahme – ist das vereinbar. Die im Fokus stehende Maßnahme ist nicht vor den „anderen Strafen“ verjährt. Bezüglich der beiden „anderen Strafen“ ihrerseits hingegen fehlt es an der in § 79 Abs. 5 StGB als Prämisse vorausgesetzten Vollstreckungsoffenheit. Sinngerecht verstanden folgt aus § 79 Abs. 5 StGB nicht, dass eine bereits erledigte Sanktion mit Rücksicht auf eine andere losgelöst von den jene bestimmenden gesetzlichen Parametern als bloße leere Hülle fortexistiert.“

Muss man nicht unbedingt jeden Tag parat haben, aber kann, wie man sieht, von Bedeutung sein.