Einmal reicht es, einmal reicht es nicht, so im BGH-Beschl. v. 23.11.2010 – 3 StR 402/10. Um was geht es?
In der Hauptverhandlung wird ein Bericht des evangelischen Krankenhauses Düsseldorf vom 06.12.2009 gemäß § 256 Abs. 1 Nr. 2 StPO verlesen. Das hatte die Revision zutreffend als unzulässig gerügt, weil die Strafkammer den Inhalt des verlesenen Attests nicht zum Nachweis einer nicht schweren Körperverletzung herangezogen, sondern die in dem Attest niedergelegten Äußerungen des Angeklagten gegenüber der behandelnden Ärztin über die Ursache seiner Handverletzung als Indiztatsache zur Beurteilung seiner Glaubwürdigkeit und damit unter Verstoß gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme in unzulässiger Weise für die Beurteilung der Schuldfrage verwertet hatte (BGH, Urteil vom 1. März 1955 – 1 StR 441/54, MDR 1955, 397).
Beim „Beruhen“ (§ 337 StPO scheiden sich dann die Geister:
Soweit es um den Schuldspruch geht, schließt der BGH ein Beruhen aus:
„Indes kann der Senat ein Beruhen des Urteils auf dem Verfahrensverstoß deshalb ausschließen, weil sich der Rechtsfehler lediglich auf ein neben-sächliches und für die Überzeugungsbildung des Tatrichters ersichtlich nicht maßgebliches Indiz bezieht. Der Senat nimmt insoweit auf die zutreffenden Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts Bezug.“
Hinsichtlich des Strafausspruchs greift die Verfahrensrüge dann aber durch, denn:
„Die Strafkammer hat bei Bemessung beider Einzelstrafen zum Nachteil des Angeklagten gewertet, dass das Opfer durch die Taten ein schweres post-traumatisches Belastungssyndrom erlitt. Diese Feststellung beruht nach den Urteilsgründen allein auf dem Inhalt des in der Hauptverhandlung ebenfalls ge-mäß § 256 Abs. 1 Nr. 2 StPO verlesenen ärztlichen Attests des Hausarztes der Geschädigten vom 14. Dezember 2009. Zutreffend weist der Beschwerdeführer darauf hin, dass auch die Verlesung dieses Attests nicht dem Nachweis einer (nicht schweren) Körperverletzung, sondern ausschließlich der Tatfolgen und damit der Feststellung einer für den Strafausspruch wesentlichen Tatsache diente. Zu diesem Zweck durfte der Arztbericht nicht nach § 256 Abs. 1 Nr. 2 StPO verlesen werden; seine Verwertung war deshalb unzulässig (BGH, Beschluss vom 13. März 1997 – 1 StR 72/97, StV 1999, 195).
Zwar hat sich ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls die Geschädigte in der Hauptverhandlung zu diesem Attest „erklärt“. Auf ihre Angaben hat sich das Landgericht zum Nachweis der Tatfolgen aber nicht gestützt. Daher ist es aus den bereits oben dargelegten Gründen unbeachtlich, dass die erkennenden Richter und der Staatsanwalt in ihren dienstlichen Stellungnahmen übereinstimmend erklärt haben, die Geschädigte habe den festgestellten Be-fund im Rahmen ihrer Vernehmung in der Hauptverhandlung bestätigt. In Anbetracht der eindeutigen Darlegungen zur Beweisführung hinsichtlich der erlittenen Tatfolgen ist vielmehr nicht auszuschließen, dass die Bemessung der Einzelstrafen auf der unzulässigen Verwertung des Inhalts des verlesenen Arztberichts beruht.“