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Unfallmanipulation – die Indizienkette des OLG Köln

entnommen wikimedia.org Author Harald Wolfgang Schmidt at de.wikipedia

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Unfallmanipulation bzw. fingierte Unfälle waren hier ja schon häufiger Thema (vgl. z.B. Unfallmanipulation – wann? zum OLG Köln, Urt .v . 12.04.2013 – 19 U 96/12 weiteren Verweisen). Vor einigen Tagen bin ich dann auf eine weitere Entscheidung gestoßen, und zwar auf das OLG Köln, Urt. v. 18.10.2013 – 19 U 78/13, das sich (noch einmal) mit den damit zusammenhängenden Fragen auseinandersetzt. Das OLG Köln stellt eine Indizienkette fest, die die Annahme, dass es sich bei dem Unfallgeschehen, das Gegenstand der Klage war, um einen fingierten Unfall gehandelt hat, stützt. das OLG argumentiert wie folgt:

Bei Häufung von Anzeichen, die auf eine Manipulation des Unfallgeschehens hindeuten, spricht ein Beweis des ersten Anscheins dafür, dass die Rechtsgutverletzung mit Einwilligung des Verletzten erfolgte und der Verkehrsunfall manipuliert, mithin nur vorgetäuscht war. Solche Anzeichen sind:

  • vier Unfälle desselben Fahrzeugführers im Abstand von nur wenigen Monaten,
  • Leichte Auffahr- bzw. Ein- oder Ausparkunfälle ohne Personenschäden und ohne unmittelbare Zeugen mit nicht nachvollziehbarer Einschaltung der Polizei,
  • die am Unfall beteiligten geschädigten Fahrzeuge sind im Vergleich zum Schädigerfahrzeug höherwertig. Dafür spricht insbesondere, dass das schädigende Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt bereits 16 Jahre alt war,
  • an den Unfällen waren auf beiden Seiten Personen aus derselben Region in Italien beteiligt, was kein Zufall sein kann,
  • teilweise Inkompatibilität der Schäden.

Unfallmanipulation – wann?

© Deyan Georgiev - Fotolia.com

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Ich habe ja schon häufiger über Schadensersatzprozesse nach „getürkten Unfällen“ berichtet (vgl. z.B. Unfallmanipulation, oder: Manchmal haben auch Zivilrichter mit einem “Tatverdacht” zu tun, oder:“Getürkter” Unfall auf der BAB: Abdrängen in die Leitplanke? oder “Pechfamilie” – 25 Verkehrsunfälle in vier Jahren?, sowie: Woran erkennt man einen fingierten/manipulierten Verkehrsunfall?).

Bei der Auswertung von Jurion bin ich jetzt auf das OLG Köln, Urt .v . 12.04.2013 – 19 U 96/12 – gestoßen, das sich auch mit der Frage befasst und die Schadensersatzklage eine Unfallbeteiligten abgewiesen hat., weil von einem „manipulierten Unfall“ auszugehen war:

„Die Klage ist gleichwohl unbegründet, da dem Kläger ein Schadensersatzanspruch gemäß §§ 7 Abs. 1, 18 StVG, § 823 Abs. 1 BGB, § 3 Nr. 1 PflVG nicht zusteht. Es ist zwar entsprechend dem Vortrag der Parteien und der Auffassung des Landgerichts davon auszugehen, dass am 10.12.2008 gegen 22:35 Uhr in L auf der Q Nr. 1 die Beklagte zu 2) mit ihrem G beim Rückwärtssetzen das geparkte Fahrzeug des Klägers beschädigt hat. Auch die Beklagte zu 1) geht erstinstanzlich wie auch im Berufungsverfahren davon aus, dass nach den Feststellungen des von der Versicherung eingeholten Gutachtens vom 20.04.2009 (Anlage B 9, Bl. 73 GA) die Schäden der beiden Fahrzeuge kompatibel sind und es zu einem Unfall durch Rückwärtssetzen des G unter Unfallbeteiligung der Beklagten zu 2) gekommen ist.

Ein Schadensersatzanspruch besteht dennoch nicht, weil die Beklagte zu 1) den von ihr zu führenden Nachweis (vgl. dazu BGH NJW 1978, 2154) erbracht hat, dass die Rechtsgutsverletzung mit Einwilligung des Verletzten erfolgte und der Verkehrsunfall manipuliert, mithin nur vorgetäuscht war. Der Beweis des ersten Anscheins spricht vorliegend für einen „gestellten Unfall“ (dazu BGH, Urt. v. 06.03.1978 – VI ZR 269/76BeckRS 1978, 00257). Bei Häufung von Anzeichen, die auf eine Manipulation des Unfallgeschehens hindeuten, ist der Anscheinsbeweis geführt. Unerheblich ist dabei, ob diese Indizien bei isolierter Betrachtung jeweils auch als unverdächtig erklärt werden können. Ausschlaggebend ist vielmehr eine Gesamtwürdigung aller Tatsachen und Beweise, bei der aus einer Indizienkette auf eine planmäßige Vorbereitung und Herbeiführung des vermeintlichen Unfalls geschlossen werden kann (OLG Koblenz NJW-RR 2006, 95, 96; OLG Frankfurt NJW-RR 2007, 603; OLG Köln, Urt. v. 28.01.2004 – 11 U 149/01BeckRS 2010, 06359, OLG Köln, Urt. v. 19.07.2011 – 4 U 25/10BeckRS 2011, 19429).

Dabei bedarf es zum Nachweis einer Kollisionsabsprache allerdings keiner lückenlosen Gewissheit im Sinne einer mathematischen Beweisführung. Es reicht vielmehr die Feststellung von Indizien aus, die in lebensnaher Zusammenschau und praktisch vernünftiger Gewichtung den Schluss auf ein kollusives Zusammenwirken zulassen, das die Rechtswidrigkeit der angeblichen Rechtsverletzung ausschließt (vgl. OLG Hamm Schaden-Praxis 2004, 222; OLG Köln, Urt. v. 19.07.2011 – 4 U 25/10BeckRS 2011, 19429). Auf Grund des Sachvortrag der Parteien und des Ergebnisses der Beweisaufnahme sowie aller sonstigen Umstände liegen in ihrer Gesamtheit so viele gewichtige Anzeichen für einen gestellten Unfall vor, dass der Senat bei lebensnaher Betrachtung von dem Vorliegen eines manipulierten Verkehrsunfalls überzeugt ist.

Abgestellt hat das OLG dann u.a. auf folgende Indizien.:

  • Unfall zur Nachtzeit, somit bei Dunkelheit,
  • vor Ort keine neutralen Zeugen
  • leicht zu steuernde Unfallkonstellation (Kollision beim Ausparken) ohne nennenswerte Verletzungsrisiken
  • Abrechnung auf Reparaturkostenbasis ohne Vorlage einer Reparaturrechnung
  • angebliche Schädiger ist in den vergangenen sieben Monaten in vier Verkehrsunfälle verwickelt war, die er allein verschuldet hat und bei denen werthaltige Luxusfahrzeuge deutscher Hersteller beschädigt wurden.

„Getürkter“ Unfall auf der BAB: Abdrängen in die Leitplanke?

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Zur Veröffentlichung im VRR Heft 10/2013 vorgesehen ist das LG Duisburg, Urt. v. 02.07. 2013 – 4 O 345 / 11-, das (mal wieder) ein offensichtlich manipuliertes Unfallgeschehen zum Gegenstand hat (vgl. auch schon Unfallmanipulation, oder: Manchmal haben auch Zivilrichter mit einem “Tatverdacht” zu tun, oder: “Pechfamilie” – 25 Verkehrsunfälle in vier Jahren?, sowie: Woran erkennt man einen fingierten/manipulierten Verkehrsunfall?

Geltend gemacht worden ist Schadensersatz aus einem Unfallereignis zur Nachtzeit auf einer BAB ohne unbeteiligte Zeugen, bei dem ein PKW Mercedes 500 durch den beklagten Fahrzeugführer im Rahmen eines unachtsamen Fahrstreifenwechsels beschädigt, ins Schleudern geraten und gegen eine Leitplanke abgedrängt worden sein soll. Der Beklagte fuhr dabei ein für lediglich einen Tag einschließlich Vollkaskoversicherung angemietetes Fahrzeug und erschien bei Gericht trotz Ladung nicht. Der vom LG eingeschaltete Sachverständige stellte zum einen fest, dass an dem Mercedes Schäden bestanden haben und abgerechnet worden sind, die nicht auf dem Unfallereignis beruhen. Zum anderen fand er erhebliche Indizien für eine bewusste Schadensherbeiführung heraus: Einerseits fiel ihm ein besonders starker Lenkeinschlag des Schädigers auf, der nicht auf den ersten Kontakt mit dem PKW des Klägers reagiert hat. Andererseits bestand aus seiner Sicht kein so starker Anstoß, dass ein Abdrängen gegen die Leitplanke zu erwarten gewesen wäre, bei dem der Kontakt auch ohne weitere Ausweichbewegung über 15m aufrecht erhalten worden ist.

Das LG ist von einem manipulierten Unfallereignis ausgegangen, weil:

  1. Unfall zur Nachtzeit
  2. Unfall mit einem hochwertigen Luxusfahrzeug,
  3. ein hoch abzurechnender, aber günstig instandsetzbarer Schaden
  4. keine unbeteiligte Zeugen
  5. entscheidend aber das Verhalten des Schädigers mit einem atypisch starken Lenkeinschlag ohne später mögliche Korrektur und
  6. Verhalten des klägerischen Fahrzeugführers, der über 15 m trotz Ausweichmöglichkeit einen Schaden an der Leitplanke herbeigeführt hat und
  7. zudem auch noch im Bereich der Felgen vorne und hinten nicht kompatible Schäden.

 Tja, wahrscheinlich wird die graue Zivilakte dann Beiakte einer Strafakte mit rotem Aktendeckel.

„Pechfamilie“ – 25 Verkehrsunfälle in vier Jahren?

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Manche Familien sind aber auch vom Pech verfolgt, so dass man sie – in Anlehnung an das Märchen „Frau Holle“ der Brüder Grimm und die „Pechmarie“ – als „Pechfamilie“ bezeichnen kann. So eine Familie, aus der ein Mitglied vor einiger Zeit einen „Unfallschaden“ geltend gemacht hat, damit aber beim LG und OLG Düsseldorf Schiffbruch erlitten hat. Beide sind nämlich von einem fingierten Unfall ausgegangen. Und warum?

Neben den üblichen Kriterien – u.a. Auffälligkeiten bei der Historie des Unfallwagens, Bedenken gegen die Zufälligkeit des „Unfallgeschehens“ weist auch das OLG im OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.03.2013 – 1 U 99/12auf folgende Besonderheit hin:

„Selbst für den Senat, der aufgrund seiner Spezialzuständigkeit regelmäßig auch mit Fällen, die den Vorwurf von manipulierten Schadensereignissen zum Gegenstand haben, konfrontiert ist, besitzt die Zahl der Schadensfälle, in die der Kläger und sein familiäres Umfeld in den vergangenen Jahren verwickelt waren, Ausnahmecharakter. Der Kläger, sein Schwager XXX, seine Schwester XXX, geborene XXX, die Ehefrau des Zeugen XXX, sowie der Bruder des Klägers, XXX, waren in der Zeit von 2007 bis 2011 in mindestens 25 Schadensereignisse verwickelt. Diese zeichneten sich dadurch aus, dass eine der vorgenannten Personen das jeweils in das Schadensereignis verwickelte Fahrzeug entweder geführt hat, ihr Halter war oder eine Kombination aus diesen Beteiligungen vorlag. Darüber hinaus war häufig eine weitere Person aus dem Familienkreis als Beifahrer und damit als Zeuge an den Schadensereignissen beteiligt. Der Kläger selbst war in mindestens 10 Schadensereignissen verwickelt, in acht davon als Fahrer. Hierbei handelt es sich um die Schadensereignisse am 26.03.2007, 16.10.2007, 29.03.2008, 09.09.2008, 04.03.2009, 26.05.2009 (streitgegenständliches Schadensereignis), 08.07.2009 und 26.06.2011. Zur Vermeidung einer umfangreichen Aufzählung wird auch hinsichtlich dieser Schadensereignisse auf die Auflistung im Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 29.03.2012 zum Verfahren vor dem Landgericht…“

Bei einer solchen Unfallhäufung – kann ja schon mal passieren 🙂 – gerät man natürlich in Erklärungsnot, ggf. nicht nur im Zivilverfahren….