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Die betrunkene Taxifahrerin – Vorsatz?

entnommen wikimedia.org Autor: Raenmaen

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Das AG hat die Angeklagte wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe  verurteilt. Es hat festgestellt, die Angeklagte als Taxifahrerin tätig ist und am Tatabend Fahrbereitschaft hatte. Kurz vor Mitternacht habe sie mit dem Taxi öffentliche Straßen befahren und Fahrgäste befördert, obwohl sie Alkohol in einer Menge zu sich genommen hatte, die zu einer Blutalkoholkonzentration von 2,14 g ‰ führte. Die Angeklagte hat den Tatvorwurf eingeräumt, wendet sich allerdings gegen die Verurteilung wegen vorsätzlichen Verhaltens.

Damit hatte sie beim OLG Celle keinen Erfolg. Dazu im OLG Celle, Beschl. v. 25.10.2013 – 32 Ss 169/13:

„Soweit der Senat bereits zur Annahme eines Erfahrungssatzes dahin neigt, dass ein Kraftfahrer, der nach hohem Alkoholkonsum eine Fahrt mit einem Kraftfahrzeug antritt, seine Fahruntauglichkeit jedenfalls in Kauf nimmt und vorsätzlich handelt (zum Stand der Rspr. vgl. nur Leipziger?Kommentar, StGB, 12. Aufl., § 316, Rz. 192 ff. und Fischer, StGB, 60. Aufl., § 316, Rz. 44 ff.), kommt es darauf hier nicht an. Die Angeklagte hat, ohne dass die genaue Menge feststellbar gewesen wäre, während einer Fahrbereitschaft als Taxifahrerin Alkohol zu sich genommen, obwohl sie als Berufskraftfahrerin um die besonderen Gefahren eines solchen Verhaltens wusste. Dies allein begründet nach allgemeiner Auffassung schon die Annahme eines jedenfalls bedingt vorsätzlichen Verhaltens (vgl. OLG Saarbrücken NJW 2008, 1396; OLG Köln DAR 1997, 499, DAR 1999, 88; OLG Celle, 1. Strafsenat NZV 1996, 205; Fischer, a.a.O., Rz. 45).“

Auf den ersten Blick nichts Besonderes, sondern nur eine weitere Entscheidung zur „vorsätzlichen Trunkenheitsfahrt“. Oder? Richtig, soweit es um die Problematik der Fahrbereitschaft geht. Besonders bzw. „gefährlich“, soweit es um den vom OLG angedeuteten – offen gelassenen – Erfahrungssatz geht. Das hat die Rechtsprechung der OLG bisher weitgehend anders gesehen, wenn ich sie richtig verstanden habe. Schert das OLG Celle jetzt aus?

Der besoffene Fahrradfahrer – nicht vergleichbar mit Fahrern von Inline-Skates und Rollern?

Der BVerwG, Beschl. v. 20.06.2013 – BVerwG 3 B 102.12 – lohnt einen kurzen Hinweis dann doch. Es geht (mal wieder) um den einen betrunkene Fahrradfahrer, der mit  1,9 Promille am Straßenverkehr teilgenommen hat. Das BVerwG hat die darauf angeordnete Anordnung, ein medizinisch-psychologisches Gutachten über die Eignung zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge beizubringen, abgesegnet.

Der hier maßgebliche § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV schreibe vor, dass ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen ist, wenn ein Fahrzeug im Straßenverkehr bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille oder mehr oder einer Atemalkoholkonzentration von 0,8 mg/l oder mehr geführt wurde. Die Vorschrift differenziere also nicht nach Fahrzeugarten, so dass sie nicht das Führen eines Kraftfahrzeuges voraussetze. Demgemäß gelte die Bestimmung aufgrund der Verweisung in § 3 Abs. 2 FeV auch für Fahrradfahrer, ohne dass sie eine Fahrerlaubnis beantragt haben oder Inhaber einer solchen Erlaubnis sein müssten.

Das ist alles h.M. in der obergerichtlichen Rechtsprechung, insoweit also nichts Neues aus Berlin.

Ganz interessant dann aber der Hinweis des BVerwG, dass auch die von der Klägerin aufgeworfene Frage, ob die Anwendung des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV auf mit 1,6 Promille alkoholisierten Fahrradfahrer zu einer unzulässigen Ungleichbehandlung im Sinne von Art. 3 Abs. 1 GG gegenüber Fahrern von Inline-Skates und Rollern führe, nicht klärungsbedürftig sei. Das war damit begründet worden, dass letztere zwar den Vorschriften für den Fußgängerverkehr gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 und 2 StVO unterlägen, jedoch in der Fahrerlaubnis Verordnung keine dem § 24 Abs. 1 Satz 1 und 2 StVO entsprechende einschränkende Regelung vorhanden sei und die zuständigen Fahrerlaubnisbehörden tatsächlich die Regelungen der Fahrerlaubnis-Verordnung nicht auf die Fahrer von Inline-Skates und Rollern anwendeten.

Dauerbrenner: Vorsätzliche Trunkenheitsfahrt

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Im Bereich des § 316 StGB gibt es einen Dauerbrenner, der immer wieder zu Aufhebung amtsgerichtlicher Urteile führt. Das ist die Frage nach den Anforderungen an das Urteil, wenn der Angeklagte wegen einer vorsätzlichen Trunkenheitsfahrt verurteilt wird. In diese Serie der Aufhebungen reiht sich der OLG Brandenburg, Beschl. v. 05.02.2013 –  (2) 53 Ss 1/13 (4/13) – ein. Das AG hatte den Angeklagten bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,51 Promille wegen eines vorsätzlichen Verstoßes verurteilt. Seine „nicht ganz unerheblichen Ausfallerscheinungen“ seien dem Angeklagten nicht entgangen, so dass er zumindest billigend in Kauf genommen habe, zum sicheren Führen seine Motorrades nicht mehr in der Lage gewesen zu sein. Er habe „erhebliche Ausfallerscheinungen“ gehabt, die „dem lebenserfahrenen, 62jährigen Angeklagten nicht entgangen“ sein können. Ihm sei auch bei Antritt der Fahrt bewusst gewesen, „dass er noch am Vormittag weiteren Alkohol zu sich genommen“ habe, der einen „Abbau des Restalkohols vom Vorabend zumindest verlangsamte“.

Dem OLG reicht das für den Vorsatz nicht.

„Eine Bestrafung wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr setzt voraus, dass der Fahrzeugführer seine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit kennt oder zumindest mit ihr rechnet und sie billigend in Kauf nimmt. Allein die hohe Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit rechtfertigt anerkanntermaßen nicht den Schluss auf eine vorsätzliche Tatbegehung; vielmehr müssen weitere auf einen Vorsatz hindeutende Umstände hinzutreten. Zu würdigen sind dabei insbesondere — soweit feststellbar — die Täterpersönlichkeit, der Trinkverlauf, der Zusammenhang zwischen Trinkverlauf und Fahrtantritt sowie das Verhalten des Täters vor und während der Fahrt (vgl. Senat, Beschl. vom 13. Juli 2010 — 2 Ss 21/10; OLG Hamm, Beschluss vom 16. Februar 2012 — 3 RVs 8/12).

Das Amtsgericht hat die insoweit zu berücksichtigenden Umstände nur lückenhaft gewürdigt und zu einseitig auf die — auch erst beim Absteigen vom Motorrad festgestellten — motorischen Unsicherheiten abgestellt. Bei einer hohen Blutalkoholkonzentration treten häufig Ausfallerscheinungen auf, die für eine Kenntnis des Fahrers von seiner Fahruntüchtigkeit sprechen können. Insoweit ist jedoch stets zu beachten, dass bei fortschreitender Trunkenheit das kritische Bewusstsein und die Fähigkeit zur realistischen Selbsteinschätzung abnehmen, das subjektive Leistungsgefühl des Alkoholisierten hingegen infolge der Alkoholeinwirkung häufig gesteigert wird mit der Folge, dass der Fahrer seine Fahruntüchtigkeit falsch einschätzt (vgl. OLG Hamm, a.a.O.). Die Fähigkeit einer entsprechenden Selbsteinschätzung ist dabei regelmäßig umso geringer, je weiter der Entschluss zur Fahrt vom Trinkende entfernt liegt (OLG Frankfurt NStZ-RR 1996, 86).

 Unter diesem Gesichtspunkt hätte das Amtsgericht sich näher mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob der Angeklagte hier womöglich die Wirkung des auf den Konsum am Vorabend zurückzuführenden Restalkohols verkannt hat. Dazu bestand insbesondere deshalb Veranlassung, weil nach den Urteilsfeststellungen nicht auszuschließen ist, dass die Fahruntüchtigkeit wesentlich auf den Alkoholkonsum am Vortag zurückzuführen ist und der Alkoholgenuss am Vormittag des Tattages „einen Abbau des Restalkohols vom Vorabend“ lediglich verlangsamt hat. …..“

Atemalkoholmessung – Schwellenwert – Fahrverbot – was hat das miteinander zu tun?

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Beim Betroffenen wird eine AAK von 0,27 0,27 mg/l gemessen. Er wird wegen eines Verstoßes gegen § 24a Abs. 1 StVG in Anspruch genommen. Sein Verteidiger macht geltend: Schwellenwert gerade eben überschritten, u.a. deshalb absehen vom Fahrverbot. Der OLG Bamberg, Beschl. v. 29.10.2012 – 3 Ss OWi 1374/12 – sagt: Nein, und zwar mit folgender Begründung:

1. Zwar hat das AG im Grundsatz nicht verkannt („ausnahmsweise“), dass ein Absehen von dem gesetzlich ange­ordneten Regelfahrverbot nach §§ 24 a I, III, 25 I 2 StVG i.V.m. § 4 III BKatV nur in Härtefällen ganz au­ßerge­wöhnlicher Art in Betracht kommen kann oder wenn wegen – hier nicht gegebener – besonderer Umstände äu­ßerer oder innerer Art das Tatgeschehen ausnahmsweise aus dem Rahmen einer typischen Ordnungswidrigkeit nach § 24 a I StVG derart herausfällt, dass die Verhängung des Regelfahrverbots als offensichtlich unpassend anzusehen wäre (BGHSt 38,125/134; OLG Saarbrücken VRS 102, 458 ff. sowie schon OLG Bam­berg, Beschlüsse vom 11.03.2005 – 2 Ss OWi 236/05 und vom 20.08.2008 – 3 Ss OWi 966/08 = DAR 2009, 39 f. = BA 45 [2008], 394 f. = OLGSt StVG § 25 Nr. 43; vgl. im Übrigen eingehend Burhoff/Deutscher, Handbuch für das stra­ßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 3. Aufl., Rn. 2445 ff., insbes. Rn. 2448 ff. sowie Rn. 917 ff. m.w.N.). Denn anders als bei den Katalogtaten nach § 4 I und II BKatV, in denen ein Fahrverbot le­diglich in der Regel „in Be­tracht“ kommt, ist bei Ordnungswidrigkeiten nach § 24 a StVG gemäß § 25 I 2 StVG i.V.m. § 4 III BKatV in der Regel ein Fahr­verbot zu verhängen. Den Gerichten ist deshalb in den Fällen des § 24 a StVG bei der Entscheidung darüber, ob von einem Fahrverbot im Einzelfall ausnahmsweise ab­gesehen werden kann, ein geringerer Ermessensspielraum einge­räumt. Angesichts des höheren Unrechtsge­halts und der Ge­fährlich­keit einer derartigen Ordnungswidrigkeit versteht sich vielmehr die grundsätzliche An­gemes­senheit eines Fahrverbots regelmäßig von selbst (st.Rspr. des Senats, vgl. z.B. Beschluss vom 12.02.2008 – 3 Ss OWi 1776/07). Schon daraus folgt, dass für das hier vom AG zur Begründung des Fahrverbotswegfalls angeführte Argument, wonach „insbesondere […] die AAK nur geringfügig über dem Grenzwert“ liege oder gar – wie die Verteidigung im Rahmen ihrer Stellungnahme zur Rechtsbeschwerdebegründung der StA meint – angesichts der festgestellten AAK von 0,27 mg/l von einer „geradezu an der Grenze zur Nüchternheit“ liegenden AAK auszugehen sei, von vornherein kein Raum ist (Burhoff/Deutscher Rn. 2452 f.).“

Die „Schwellenwertdiskussion“ wird also i.d.R. nichts bringen.

 

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Was Landgerichte so alles durchgehen lassen…

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Was Landgerichte so alles durchgehen lassen bzw. warum merken Landgerichte eigentlich nicht, wenn die tatsächlichen Feststellungen des AG für eine Berufungsbeschränkung nicht ausreichend sind. Die Frage stellte sich mir nach lesen des OLG München, Beschl. v. 08.06.2012, 4 StRR 97/12.

Das AG trifft zu einem vorsätzlichen § 316 StGB folgende Feststellungen:

„Der Angeklagte fuhr am 18. November 2010 gegen 19.40 Uhr mit dem Pkw Audi A 4, amtliches Kennzeichen xxx, auf der H. Straße in xxxf, obwohl er infolge vorangegangenen Alkoholgenusses fahruntüchtig war.

Eine bei dem Angeklagten am 18.11.2010 um 20.08 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 2,15 ‰.

Seine Fahruntüchtigkeit hätte der Angeklagte bei kritischer Selbstprüfung erkennen können und müssen. Außerdem hatte der Angeklagte, wie er wusste, nicht die erforderliche Fahrerlaubnis. Der Führerschein war seit 5.8.2010 nach § 94 StPO sichergestellt gewesen.

 Durch die Tat hat sich der Angeklagte als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen.“

Frage: Reicht das? Antwort: Natürlich nicht! Dazu das OLG – unter Hinweis auf seine ständige Rechtsprechung:

Insbesondere zu den Verkehrsdelikten nach §§ 316 StGB, 21 StVG hat der Senat in ständiger Rechtsprechung, an der festzuhalten ist, erkannt, dass der Tatrichter sich nicht auf Feststellungen beschränken darf, die nur die reine tatbestandsmäßige Schuldform betreffen. Vielmehr ist der Tatrichter wegen der Bedeutung für die Rechtsfolgen gehalten, Feststellungen auch zur Motivation der Tat, den konkreten Verkehrsverhältnissen bei Tatbegehung, insbesondere zu möglichen Gefährdungen anderer Straßenverkehrsteilnehmer, und zum Anlass der Tat zu treffen. Beschränkt sich das Erstgericht auf die Feststellungen allein zur Schuldform und unterlässt es die weiteren Feststellungen, ist eine Beschränkung des Rechtsmittels nach § 318 StPO unwirksam und der Berufungsrichter gehalten, den Sachverhalt unter Beachtung der revisionsrechtlichen Vorgaben vollumfänglich festzustellen. (OLG München Beschluss vom 4. April 2012 – Aktenzeichen: 4 StRR 046/12, S. 4 f.; Beschluss vom 18. Februar 2008 – Aktenzeichen: 4 StRR 207/07 = OLG München StraFo 2008, 210; Beschluss vom 10. August 2011 – Aktenzeichen: 4 StRR 127/11; Beschluss vom 19. August 2010 – Aktenzeichen: 4 StRR 118/10, S. 4).

Die vom Amtsgericht getroffenen (…) Feststellungen betreffen nur die reine Schuldform.

 Das Urteil des ersten Rechtszugs teilt nichts zur gefahrenen Fahrstrecke, zum Anlass der Fahrt und zu den zur Tatzeit herrschenden Verkehrsumständen, damit zur Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer, mit. Mithin war das Urteil lückenhaft und einer Beschränkung der Berufung nach § 318 StPO nicht zugänglich. Das hat die Berufungskammer verkannt.

Sollte man als Berufungskammer wissen. Dann würde man anderen Kammern Nacharbeit ersparen. Den Angeklagten wird es freuen. Er gewinnt Zeit und kann sich „vorbewähren“.