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Trunkenheitsfahrt: Vorsatz – ja oder nein?

© monticellllo - Fotolia.com

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Die Frage, ob eine Trunkenheitsfahrt (§ 316 StGB) vorsätzlich begangen wurde oder nicht, kann in verschiedener Hinsicht Auswirkungen im Verfahren haben. So kann ggf. eine höhere Strafe festgesetzt werden die Sperrfrist (§ 69a StGB) kann länger werden und auch bei der Rechtsschutzversicherung kann es Probleme geben. Daher wird um „Vorsatz – ja oder nein“ häufig auch bei „Allerweltstrunkenheitsfahrten“ gekämpft. Als Verteidiger wird man in den Fällen dem Mandanten im Zweifel raten, den Mund zu halten, und sich dann mehr oder weniger entspannt zurücklehnen, um zu schauen, wie das Gericht „nun die Enden zusammen bekommt“ = welche Umstände festgestellt werden, um den Vorsatz begründen zu können. Mit diesen Umständen setzt sich der KG, Urt. v. 24.11.2014 –   (3) 121 Ss 155/14 (115/14) – auseinander. Da war der Angeklagte vom LG wegen einer vorsätzlichen Trunkenheitsfahrt (BAK 1,8 o/oo) verurteilt worden. Er hatte in Berlin öffentliche Straßen befahren und war dann an einer Lichtzeichenanlage bei Rotlicht eingeschlafen und erst nach einigen Schaltphasen durch andere Verkehrsteilnehmer geweckt worden. Den Vorsatz hatte das AG u.a. auf eine Vorverurteilung des Angeklagten wegen Trunkenheitsfahrt im Jahr 2009 gestützt. Das KG hatte insoweit keine Bedenken:

„Das Urteil teilt mit, dass der Angeklagte sich nicht eingelassen hat, so dass die Kammer keine Feststellungen zu den Umständen, namentlich dem Zeitpunkt und der Menge des Alkoholkonsums, treffen konnte. Auch die Täterpersönlichkeit konnte das Landgericht nur bedingt aufklären. Das Landgericht hat auf den Vorsatz unter anderem jedoch daraus geschlossen, dass der Angeklagte bereits im Juli 2009 und damit weniger als vier Jahre vor der neuerlichen Tat wegen – fahrlässiger – Trunkenheit im Verkehr verurteilt worden war, wobei ihm die Fahrerlaubnis entzogen und eine achtmonatige Sperrfrist angeordnet worden war. Die Kammer hat aus diesem Umstand gefolgert, dass dem Angeklagten „bekannt und bewusst war, dass die konsumierte – den Grenzwert erheblich übersteigende – Alkoholmenge zur Fahruntüchtigkeit führt, so dass er die Auswirkungen seines Trinkens und die daraus resultierende von ihm ausgehende Gefährdung der Sicherheit des öffentlichen Verkehrs zumindest billigend in Kauf genommen hat“ (UA S. 8, 9). Die von der Strafkammer gezogene Schlussfolgerung, die Vorverurteilung habe den Angeklagten über die Wirkung des Alkohols aufgeklärt und ihn zugleich nachdrücklich und gewissermaßen anhaltend gewarnt, ist möglich und nachvollziehbar (vgl. auch Fischer, StGB 61. Aufl., § 316 Rn. 45 mwN); zwingend braucht sie, wie dargelegt, nicht zu sein (vgl. BGH NStZ 2014, 451).

Es bedurfte auch nicht der Darlegung der genauen Umstände der einschlägigen Vorverurteilung. Als Grundlage für den von der Strafkammer gezogenen Schluss reicht es aus, dass der Angeklagte bereits einmal strafgerichtlich verurteilt werden musste, weil er ein Kraftfahrzeug in alkoholbedingt fahrunsichern Zustand geführt hatte. Ebendies ergibt sich aus der Mitteilung des verwirklichten Tatbestands (UA S. 3: § 316 Abs. 2 StGB). Dem widerspricht auch nicht die Entscheidung des OLG Celle (NZV 1998, 123). Zwar tritt darin die Auffassung zutage, das Urteil müsse den der Vorverurteilung zugrunde liegenden Sachverhalt feststellen, wenn daraus Schlussfolgerungen gezogen werden sollen. Dies betraf indes eine Vorverurteilung wegen Gefährdung des Straßenverkehrs nach § 315c StGB, und für das Revisionsgericht war – nachvollziehbar – unklar, ob dem Urteil überhaupt eine alkoholbedingte Fahrunsicherheit (§ 315c Abs. 1 Nr. 1a StGB) zugrunde gelegen hatte. Diese Unklarheit besteht hier nicht.

Nun ja, kann man so sehen, muss man aber nicht. Ich hätte vielleicht doch ein wenig über die Vortat wissen wollen – zumal die ja „nur“ fahrlässig begangen worden ist. Eine ganz andere Frage ist, ob nicht auch die übrigen Tatumstände für die Annahme von Vorsatz ausgereicht hätten. Einschlafen vor der Ampel und Wachwerden erst nach mehreren Schaltphasen…..

Mit dem Mofa in die Entziehungsanstalt?

entnommen wikimedia.org Urheber Max Schwalbe

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Das LG Hannover hat den alkoholkranken Angeklagten, der in der Vergangenheit bereits fünfmal wegen verschiedender Verkehrdelikte in Erscheinung getreten ist, nach einer weiteren Trunkenheitsfahrt mit einem Mofa wegen fahrlässiger Trunkenheitsfahrt (§ 316 StGB) zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Dagegen die Revision des Angeklagten. Das OLG Celle hebt im OLG Celle, Beschl. v. 23.06.2014 – 32 Ss 83/14 auf und verweist zurück. Es beanstandet die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das LG.

Die Anordnung einer Maßregel nach § 64 StGB setzt die Gefahr voraus, dass der Angeklagte infolge seines Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Einigkeit besteht darüber, dass wegen des Erfordernisses der Erheblichkeit die Gefahr der Begehung reiner Bagatelltaten in der Regel nicht ausreichend ist. Als Bagatelltaten werden in diesem Zusammenhang z. B. Gewalt und drohungsfreie Beleidigungen, Hausfriedensbruch in öffentlichen Gebäuden, geringfügige Diebstähle oder der Erwerb kleiner Rauschgiftmengen zum Eigenkonsum angesehen (vgl. dazu Senat, a. a. O.; Fischer, StGB, 61. Aufl., § 64 Rdnr. 16 m. w. N.).

Bei der Trunkenheitsfahrt des Angeklagten mit einem Fahrrad mit Hilfsmotor handelt es sich bereits um eine erhebliche Straftat im Sinne dieser Vorschrift. Während der Senat dazu neigt, Trunkenheitsfahrten mit einem Fahrrad wegen der damit in erster Linie verbundenen Selbstgefährdungen nicht als „erheblich“ i. S. des § 64 StGB anzusehen, ist die Erheblichkeitsschwelle bei einer Trunkenheitsfahrt mit einem Mofa jedenfalls im vorliegenden Fall überschritten gewesen. Der Angeklagte ist zu einem Zeitpunkt, zu dem die Straßen vorhersehbar nicht menschenleer sind, mit seinem Mofa im Innenstadtbereich H. gefahren und war dabei derart alkoholisiert, dass er sich an das Tatgeschehen im Nachhinein nicht mehr erinnern konnte. Ein solches Verhalten kann für andere Verkehrsteilnehmer mit erheblichen Gefahren verbunden sein, denn aufgrund der erheblichen Alkoholisierung war hier zu befürchten, dass der Angeklagte sein Mofa überhaupt nicht mehr unter Kontrolle hatte.

Im Übrigen ist die Kammer selbst im Rahmen der Entscheidung zur Verhängung der isolierten Sperre davon ausgegangen, dass von dem Angeklagten weitere verkehrsspezifische Gefahren für die Rechtsgüter anderer Verkehrsteilnehmer drohen. Insoweit kommt auch dem Umstand, dass der Angeklagte sein Mofa verkauft hat, kein entscheidendes Gewicht zu, da ein Verkauf einer Neuanschaffung nicht im Wege steht.

Eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt ist hier auch nach § 62 StGB nicht ausgeschlossen. Zwar ist gegen den Angeklagten nur eine Freiheitsstrafe von 5 Monaten verhängt worden. Bei der Abwägung, ob die Vollstreckung einer Maßregel nach § 64 StGB gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstößt, ist aber auch zu berücksichtigen, ob neben den Vollzug der Freiheitsstrafe auch ein zu erwartender Widerruf von Bewährungsstrafen tritt (OLG Celle, NStZ?RR 2012, 108; OLG Celle, Beschluss vom 20. März 2013, 32 Ss 53/13). Die erfolgreiche Absolvierung einer Maßregel kann nämlich auch bei den anstehenden Entscheidungen über einen Bewährungswiderruf von Relevanz sein. Zum anderen hat das Bundesverfassungsgericht § 67 Abs. 4 StGB für verfassungswidrig erklärt, soweit er die Anrechnung einer im Maßregelvollzug verbrachten Zeit auf sogenannte verfahrensfremde Freiheitsstrafen auch in Härtefällen ausschließt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27.03.2012, 2 BvR 2258/09).

Auch im Übrigen, also insbesondere unter dem Gesichtspunkt der für die Anordnung einer Maßregel nach § 64 StGB erforderlichen Erfolgsaussichten, erscheint eine solche Maßregel hier nach den übrigen Feststellungen der Kammer zu bisherigen Therapieversuchen nicht von vornherein aussichtslos.

Die Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt wird daher in einer neuen Hauptverhandlung unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246 a StPO) zu prüfen sein.“

Also: Das LG muss nun die Frage des § 64 StGB prüfen. Im Übrigen: Hätte der Verteidiger vermeiden können, wenn er die Nichtanwendung des § 64 StGB von der Revision ausgenommen hätte. Das ist möglich/zulässig und sollte man ggf. immer überlegen, um solche Ergebnisse wie das vorliegende zu vermeiden.

Fahrlässige Tötung und Trunkenheitsfahrt – Freiheitsstrafe ohne Bewährung?

ParagrafenNach dem Lesen des OLG Hamm, Beschl. v. 26. 08.2014 – 3 RVs 55/14 – stutzt man – jedenfalls ich – und fragt sich: Richtig? Nun, nicht das Ergebnis. Denn das dürfte der ständigen Rechtsprechung der Obergerichte entsprechen. Das OLG hat nämlich eine vom LG nach einer Trunkenheitsfahrt in Tateinheit mit fahrlässiger Tötung verhängte Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten ohne Bewährung nicht nur nicht beanstandet, sondern ist der landgerichtlichen Wertung beigetreten. Dagegen kann man angesichts der schweren Folgen der Trunkenheitsfahrt – bei dem durch die Alkoholisierung verursachten Verkehrsunfall ist der andere Unfallbeteiligte getötet worden – nun wahrlich nichts einwenden. Das OLG führt zur Verneinung der Strafaussetzung allerdings aus:

„Die Rüge der Verletzung materiellen Rechts greift nicht durch.

Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen tragen den Schuld- und den Rechtsfolgenausspruch. Insbesondere ist es aus Rechtsgründen auch nicht zu beanstanden, dass die Kammer besondere Umstände gemäß § 56 Abs. 2 StGB nicht, demgegenüber aber angenommen hat, dass die Verteidigung der Rechtsordnung die Vollstreckung der Freiheitsstrafe gebietet, § 56 Abs. 3 StGB.

Kurz vor der Kollision war der Angeklagte einem Zeugen durch besonders aggressive Fahrweise aufgefallen. Bei vorhandenen Handlungsalternativen – insbesondere wäre es ihm möglich gewesen, sich von einem Bruder abholen zu lassen – entschloss er sich dazu, sein Fahrzeug die 30 km lange Strecke zu seiner Wohnung zu führen. Er setzte sich dabei bedenkenlos ans Steuer, obschon die besonders hohe Alkoholisierung für ihn erkennbar war.

Deswegen haben die drei Kinder des Getöteten ihren Vater und die Ehefrau ihren Ehemann verloren.

Insbesondere im Hinblick auf diese herausragend schweren Folgen für den Getöteten und seine nahen Angehörigen, die das Maß der absoluten Fahruntüchtigkeit weit übersteigende Alkoholisierung des Angeklagten sowie die festgestellte aggressive Fahrweise in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Tat ist trotz der zahlreichen mildernden Umstände die genannte Wertung des Landgerichtes nicht nur aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Der Senat teilt diese Wertung.“

Und daran stören mich dann zwei Dinge:

1. Warum überhaupt Ausführungen zu § 56 Abs. 3 StGB? Denn wenn schon – so lese ich es jedenfalls – keine besonderen Umstände i.S. von § 56 Abs. 2 StGB vorgelegen haben, die es gerechtfertigt hätten, die ein Jahr übersteigende Strafe zur Bewährung auszusetzen, dann kam es auf die Frage, ob nicht ggf. die Verteidigung der Rechtsordnung die Strafvollstreckung gebietet, also § 56 Abs. 3 StGB, gar nicht mehr an. M.E. hat das OLG hier etwas entschieden, was es gar nicht zu entscheiden brauchte. Aber vielleicht wollte man auch mal nur ein Zeichen gegen den Alkohol im Straßenverkehr setzen?

2. Auch bei der Begründung habe ich ganz leichte Bauchschmerzen. Richtig ist, dass die schweren Folgen herangezogen werden und darauf im Rahmen der Entscheidung zu § 56 Abs. 3 StGB abgestellt wird. Nur: Den Hinweis: „Deswegen haben die drei Kinder des Getöteten ihren Vater und die Ehefrau ihren Ehemann verloren.“ hätte ich mir erspart bzw. nur darauf abgestellt, dass durch den Unfall ein Mensch getötet worden ist. So entsteht der Eindruck, dass ggf. bei einem nicht verheirateten Single, einem Rentner usw. anders gewertet worden wäre. Kann aber auch sein, dass ich da zu empfindlich bin.

Nur zu Erinnerung: Besoffen gefahren –> höheres Schmerzensgeld

© Gina Sanders - Fotolia.com

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Das OLG München, Urt. v. 21.03.2014 – 10 U 3341/13 – betrifft Schmerzensgeldfragen, auf die ich hier – das kann ich nicht 🙂 – nicht näher eingehen will. Ich stelle daher nur die Leitsätze vor, und zwar wie folgt:

1. Der Schädiger haftet auch für unzureichende medizinische Behandlung von Unfallverletzungen.

2. Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes wirkt sich die Trunkenheit des Unfallverursachers (hier: BAK 1,56 o/oo) schmerzensgelderhöhend aus.

3. Erleidet der Geschädigte bei einem durch Trunkenheit des Unfallverursachers mitverursachten Verkehrsunfall eine HWS-Distorsion 1. Grades sowie eine Prellung des Unterarms und der Tibea links und ist er aufgrund des Unterbleibens einer ausreichenden Schmerztherapie auch mehr als neun Monate nach dem Unfall noch arbeitsunfähig, so ist ein Schmerzensgeld in Höhe von 13.000 EUR angemessen.

und weise auf den Leitsatz zu 2 noch einmal hin – Erinnerung!! Dazu hat das OLG nur kurz ausgeführt:

„2. Im Rahmen der Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes ist, wie der Berufungsführer zutreffend betont, auch die Trunkenheit des Unfallverursachers, dessen BAK von 1,56‰ sich auf den Unfallverlauf (Übersehen des von links kommenden klägerischen PKWs) auch ausgewirkt hat, miteinzustellen (BGHZ – GSZ – 18, 149 = NJW 1955, 1675 = MDR 1956 = VersR 1955, 615; Senat zfs 1985, 294 = VersR 1985, 601 [nur red. Ls.]; OLG Hamm SP 2000, 414; OLG Frankfurt a. M. zfs 2005, 597).“

Trunkenheitsfahrt: allein 0,65 Promille BAK reicht nicht

© ExQuisine - Fotolia.com

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Das AG verurteilt den Angeklagten wegen einer Trunkenheitsfahrt (§ 316 StGB), stellt aber nur eine BAP von 0,65 Promille fest. Reicht so nicht, sagt der OLG Schleswig, Beschl. v. 17.01.2014 – 1 Ss 152/13 (8/14) – und hebt auf die Revision des Angeklagten das amtsgerichtliche Urteil auf:

„…Das Urteil leidet an einem Darstellungs- und Begründungsmangel. Das Urteil enthält keine Feststellungen, die den Schluss auf den vom Tatgericht angenommenen rauschbedingten Fahrfehler zulassen. Allein der mit 0,65 Promille angegebene Blutalkoholwert des Angeklagten zur Tatzeit (wobei der Zeitpunkt des Trinkendes im Urteil nicht angegeben wird) erlaubt einen solchen Rückschluss nicht, zumal der Angeklagte weder von dem die Blutprobe entnehmenden Arzt noch den zum Unfallort herbeigerufenen Polizeibeamten als merklich alkoholisiert beschrieben wurde. Insoweit ist nicht auszuschließen, dass das zum Unfall führende verkehrswidrige Fahrverhalten des Angeklagten auf anderen Ursachen als einer alkoholbedingten Berauschung fußte.

 Es ist aber nicht auszuschließen, dass in einer neuerlichen Hauptverhandlung Feststellungen zur Ursache des Fahrfehlers getroffen werden können. Diesbezüglich wäre insbesondere an ein Sachverständigengutachten zu denken, das unter Berücksichtigung der physiologischen Besonderheiten des Angeklagten Auskunft über dessen Alkoholverträglichkeit geben könnte.“

Ist mir nicht so ganz klar. Warum eigentlich nicht § 315c StGB? Das hätte vom Ansatz des AG her doch nahe gelegen. Oder habe ich ein Brett vorm Kopf?